Im Februar ging ein angeblich unretuschiertes Foto von Cindy Crawford bei Twitter viral. Es zeigt das Model bei einem Shooting der Marie Claire im Jahr 2013 – Falten sind deutlich zu erkennen, die Haut an Oberschenkel und Bauch hängt ein wenig. Beim Shooting war Crawford immerhin schon 47 Jahre alt und das Foto damit gar nicht so unrealistisch. Weit gefehlt, die Aufnahme war gefälscht – und das Topmodel der Achtziger und Neunziger mehr als verunsichert. In der kanadischen "Elle" spricht Crawford das erste Mal öffentlich über den Vorfall.
"Ich kenne meinen Körper und ich weiß, dass er nicht perfekt ist, aber vielleicht habe ich ein falsches Selbstbild. Vielleicht denke ich, ich sehe besser aus, als ich es eigentlich tue", erzählt sie im Interview von ihren Zweifeln, als sie das unretuschierte Bild das erste Mal gesehen hat. "Die meisten Frauen gehen zu hart mit sich ins Gericht. Wir denken, wir sehen schlimmer aus, als wir sind. Ich habe gedacht, ich falle in diese Kategorie, auch wenn das Bild nicht das reflektierte, was ich sah, wenn ich in den Spiegel schaute – nicht mal im schlimmsten Umkleide-Licht." Die Zweifel an ihrer Selbstwahrnehmung waren so groß, dass Cindy Crawford den Fotografen kontaktierte. Auch der war sauer über den "Leak" des falschen Fotos und schickte dem Model das Original. "Es sieht rein gar nicht aus wie das andere", habe er laut Crawford hinzugefügt.
Lobeshymnen für Fake-Foto
Die Katze war schnell aus dem Sack, das Foto ein Fake, die eigenen Unsicherheiten schnell vergessen. Aber die heute 49-Jährige fühlte sich manipuliert. Das Anliegen der britischen Journalistin, die das Foto als Motivation auf Twitter teilte, sei für Crawford nicht authentisch gewesen. "Sie tat so, als sei das toll, aber sie hat nicht nachgefragt, ob ich das veröffentlicht wissen wollte oder ob es ein echtes Bild war. Warum sollte ein schlechtes Bild von mir anderen ein gutes Gefühl geben?", fragt sich das Model.
Doch das gute Gefühl stellte sich bei anderen Frauen tausendfach ein. Das Foto wurde retweetet und mit Lobeshymnen überschüttet. "Sie sieht fabelhaft aus" und "Natürlichkeit ist am schönsten", hieß es zum Beispiel in den Kommentaren zu dem Bild. Auch die Redaktion von "Marie Claire" äußerte sich positiv: "Das Foto ist eine Erleuchtung – es ist echt, es ist ehrlich, es ist reizend", heißt es in einer Stellungnahme auf der Homepage des Magazins. Kein Wort, dass es sich um eine Fälschung handelt.
"Mama, so siehst du nicht aus!"
"Ich konnte nichts dagegen tun, weil ich sonst allen Menschen vor den Kopf gestoßen hätte, die sich wegen des Fotos gut fühlten", erklärt Crawford ihr monatelanges Schweigen. "Aber ich konnte es nicht gut heißen, weil es nicht echt war." Selbst ihre Kinder hätten sie zu einem öffentlichen Statement überreden wollen. "Meine Kinder meinten: 'Mama, so siehst du nicht aus!' Sie wollten, dass ich nur im Bikini runter an den Strand gehe, damit Paparazzi ein Foto von mir machen könnten, aber das hätte die Debatte nur verstärkt. […] Es fühlte sich nicht wie die richtige Antwort an."
Die zweifache Mutter konnte schließlich noch etwas Gutes aus der Sache ziehen, denn genau so etwas solle ihre Tochter nie einem anderen Mädchen antun. "Das ist Mobbing. Ich bin ein großes Mädchen und kann damit umgehen, also habe ich es als eine Lehrstunde für meine eigene Tochter genutzt."