"Erwürg den Scheißkerl." Shirley MacLaine hält kurz inne, während die junge Frau neben ihr errötet und nach Luft schnappt, dann fügt sie achselzuckend hinzu: "Den Rat habe ich ihr gegeben. Was hätte sie denn sonst tun sollen? Es gibt nur eine Lösung. Den Scheißkerl erwürgen." Sie, das ist die 36-jährige Schauspielerin Jennifer Aniston. Sie sitzt neben Shirley MacLaine vor Journalisten in einer Hotel-Suite in Pasadena und war bis jetzt wild entschlossen, nur über die Komödie zu reden, die sie mit Hollywoods undamenhaftester Grande Dame gedreht hat; und zwar Ende vergangenen Jahres, als Amerikas sensationellstes und - für alle außer den Beteiligten - unterhaltsamstes Melodram zu schwelen begann. Im Januar fetzte es dann richtig los.
Der Scheisskerl, das ist Brad Pitt. Von dem hat sich Jennifer Aniston unlängst scheiden lassen, weshalb sie von der amerikanischen Bevölkerung angeblich tiefer bedauert wird als Mütter von gefallenen Irak-Soldaten. Die US-Zeitschrift "GQ" hat diese bemerkenswerte These aufgestellt, aber wer jetzt tadelnd den Kopf schüttelt, sollte sich vergegenwärtigen, dass es im Strudel der Berichterstattung über dieses Ehe-Dramolett eigentlich niemanden mehr gibt, der noch alle Tassen im Schrank hat.
Über keine zerbröselte Beziehung wurde 2005 mehr gerätselt und spekuliert, keine machte Paparazzi reicher. Selbst Tom Cruise, erfolgreichster Schauspieler von Hollywood, und seine schrill angebetete Verlobte Katie Holmes vermochten nur vorübergehend Glanz von diesem banal-tragischen Geschehen abzuziehen. Der Niedergang des Glamour-Paars Aniston-Pitt, vor fast genau einem Jahr offiziell eingeläutet und seitdem kontrapunktisch begleitet vom Aufstieg des Glamour-Paars Pitt und Angelina Jolie, spiegelte tiefe Sehnsüchte und Ängste wider, die vom Treiben einer zunehmend hysterischen Klatschindustrie nur gefüttert werden, nicht geweckt.
Fünfeinhalb Jahre ist es her, da feierte Jennifer Aniston in Malibu ein millionenteures Hochzeitsfest, streute glückselig ihr Lächeln in jede Kamera und verwandelte sich an der Seite ihres "Sexiest Man Alive" in Amerikas Liebling. Ein braun gebranntes, lustiges, herzliches Mädchen von nebenan mit beneidenswertem Haar und prächtigen Zähnen, gleichwohl niemals zu prächtig, sodass jede Hausfrau im Mittleren Westen oder jede "Friends"-Serienzuschauerin im fernen Deutschland sich mit ihr identifizieren konnte. Pitt, einer der schönsten Männer Hollywoods, wurde durch ihren gedämpften Sexappeal noch begehrter; Aniston hielt ihn am Boden. "Die ganze Welt war bereit, ihre Super-Ehe zu bejubeln", sagt die US-Klatschkolumnistin Liz Smith. "Ihr Super-Haus, ihre Super-Karrieren, ihr Super-Baby. Nun gibt es halt stattdessen die Super-Scheidung."
In Interviews erklärten Pitt wie Aniston mehrmals unbehaglich, dass ihnen die Rolle des Vorzeigepaars nicht passe; sie hätten Probleme wie andere Leute auch. Genau darum ging es natürlich: Die beiden lebten die Hollywood-Version von jedermanns Beziehungsalltag. Unser kleines Leben, vorgespielt von Göttern. Wie aufregend, wie tröstlich. Da geht es genauso um Eifersucht und Betrug; um den Kummer, den anderen mehr zu lieben, als man geliebt wird; um die Frage, wann endlich die Zeit kommt für ein Baby. Und natürlich - Auftritt Angelina Jolie! - die Angst vor der neuen, umwerfend schönen Kollegin, für die der Scheißkerl sich neuerdings so sorgfältig anzieht.
Als das "Golden Couple" im Januar seine Trennung bekannt gab, hätte Jennifer Aniston wahrscheinlich gern in Ruhe über ihr weiteres Leben nachgedacht. Hätte gern auf dem Sofa gesessen, viel geheult. Mit Freundinnen geredet, mehr geheult. In ihren Lieblingsrestaurants alle Dickmacher verdrückt, bisschen geheult. Neue Schuhe gekauft, Nase geputzt. Sorgfältig Brandlöcher auf seine blöden Designer-Kommoden appliziert, bisschen gelacht. Aber vor den Lieblingslokalen und Schuhläden lagerten Paparazzi, und ihr Haus samt Sofa wurde ausgespäht von meterlangen Teleobjektiven. "Vermisse ich es, eine Privatsphäre zu haben?", fragt sie seufzend. "Natürlich."
In den vergangenen Monaten
war Jennifer Aniston nicht weniger als neunmal auf dem Titel von "US Weekly". Eine Ausgabe davon - "Jens Rache" - ist die bestverkaufte Ausgabe in der fünfjährigen Geschichte des Blatts. "US Weekly" hat eine Auflage von anderthalb Millionen Exemplaren, die hauptsächlich mit Fotos von Stars auf dem roten Teppich, beim Einkaufen oder Ehebrechen gefüllt werden. Ganz ähnlich blättern sich "Star", "In-Touch", "Life&Style", "Celebrity Living" und "Inside TV"; ein Sammelsurium an Gefälligkeiten und Gemeinheiten ("Stars ohne Make-up!") auf einem an sich engen Markt, der vom Revolverblatt "National Enquirer" ganz unten und dem Familienheft "People" in Augenhöhe abgesteckt wird. Letzteres drückt jede Woche 3,6 Millionen Exemplare in ein Land des Hechelns: Jeder Popel liest "People".
Jeder Popel will wissen, wie es Jen geht. Was Brad macht. Wo Angelina steckt. Ungefähr 150 Paparazzi begeben sich allein in Los Angeles - dem Epizentrum der Klatschindustrie - auf ihre Fährte; vor zehn Jahren gab es hier nur 20 solcher Jäger. Als im April Fotos auftauchten von Pitt und Jolie am Badestrand von Mombasa, zahlte "US Weekly" die Rekordsumme von 500 000 Dollar. "Unsere Form von investigativem Journalismus", nannte der zuständige Bildredakteur das Sümmchen. Die Jagd geht weiter; für Bilder von einem Spaziergang der beiden mit Händchenhalten "ist die Bezahlung nach oben offen", weiß Gary Morgan von der Paparazzi-Agentur "Splash".
Es sei nicht gerade "eines meiner Highlights in diesem Jahr" gewesen, die Afrika-Urlaubsfotos ihres Noch-Ehemanns mit seiner Noch-Nicht-Ehefrau zu betrachten, bekannte Aniston im September in "Vanity Fair" - und bescherte der Illustrierten damit einen Auflagenrekord. Die Kollegen vom Nachrichtenmagazin "Newsweek" indes nörgeln, dass über "Jennifer, Angelina und ihre schaumköpfigen Beaus 2005 mehr geschrieben wurde als über den Irak-Krieg. Traurig: Uns interessiert's auch noch".
Was natürlich daran liegt, dass über die Hintergründe der Trennung und über den Alltag des neuen Glücks nach wie vor nur so viel bekannt ist wie über die irakische Küche. Mysterien halten die Maschine offenbar am Laufen, und keine ist im Rätselhaften geübter als Angelina Jolie. Als Anfang Dezember die "Oscar"-Preisträgerin in New York an einem Benefiz-Dinner der Afrika-Hilfsorganisation "Witness" teilnahm und über die Notlage in Sierra Leone sprach, bedrängten Reporter sie im Anschluss mit Fragen zum Thema. Nämlich: Ob sie sehr glücklich sei, weil Brad Pitt ihre beiden Kinder adoptieren will? Die 30-Jährige huschte stumm an den Journalisten vorbei.
Tage zuvor hatte Pitt den Adoptionsantrag für Maddox, 4, und Zahara, elf Monate, gestellt, für die beiden Kinder, die Jolie in Kambodscha und Äthiopien adoptiert hatte. In den bunten Blättern sieht man nun Bilder einer glücklichen kleinen Instant-Familie. Wenn die vier nicht gerade durch die Welt jetten - in den vergangenen zwei Monaten bereisten sie vier Länder auf zwei Kontinenten -, sind sie in Pitts neuem Haus in Malibu. Vor der Einfahrt warten meist dunkle Geländewagen, darin Paparazzi. Manchmal erwischen sie die beiden, dann ist wieder ein Fitzelchen mehr Beweis erbracht, dass zwei der attraktivsten Menschen dieses Planeten tatsächlich zueinander gefunden haben.
"Es wird nicht geheiratet", verkündet Pitts Pressesprecherin, auch wenn die Klatschindustrie immer wieder neue Terminvorschläge ins Spiel bringt. Das Paar hat offenbar anderes zu tun.
Es sieht nämlich so aus, als hätte Jolie einen Weg gefunden, die Hitze ihrer Berühmtheit in positive Energie umzusetzen. Die Schauspielerin, die Frauen so ungern in der Nähe ihrer Männer wissen wie ihre Dreijährigen an der Kreissäge, nützt ihren Ruhm und ihre Schönheit schamlos aus, um Fotografen an Orte zu führen, von denen ihr Land eigentlich gar nichts wissen will. An Thanksgiving, dem amerikanischen Erntedankfest, saß sie mit Pakistans Staatschef Musharraf auf dem Sofa und sprach über Hilfe für die Erdbebenopfer; klick, klick. In Sierra Leone bekam sie, schneller als man Kofi Annan sagen kann, einen Termin beim Präsidenten. Klick.
Von Lara Croft zu Florence Nightingale? Seit 2001 arbeitet sie ehrenamtlich für das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, und auch wenn Zyniker der Meinung sind, Stars täten hauptsächlich Gutes, um sich für ihren Reichtum und die Sünden ihrer Branche zu entschuldigen, so ist das den Kindern im Flüchtlingslager erst einmal wurscht.
Pitt, der sich für die
Anti-Armuts-Kampagne "One" engagiert, teilt die politischen Bestrebungen seiner Lebensgefährtin begeistert. Er war immer schon viel zu hübsch, um als Mann mit Verstand wahrgenommen zu werden; so gefangen, suchte er Zuflucht in der Architektur, sammelte Möbel und Kunst. An Jolies Seite rutscht er auf ein politisches Weltparkett, das zu betreten ihm früher nie in den Sinn gekommen war. Es gefällt ihm dort. Die Vorstellung, dass "Mr. und Mrs. Smith" nun die Welt retten, mag albern sein. Aber sie könnten sich weit dümmere Dinge vornehmen.
Die "Hitze", sie hält natürlich an. Im Oktober, als Jolie eine Wohltätigkeitsveranstaltung besuchte, wurden Anzeichen einer Schwangerschaft ausgemacht (es hätte sich auch um eine leichte Blähung handeln können). Ein Blogger behauptete kurz darauf, sie habe am Flughafen in London einen schwangerschaftsbedingten "Schwindelanfall" gehabt (es hätte auch ein Stolpern sein können). Ebenfalls aus England drangen im Dezember Berichte eines Models, das sich als lesbische Geliebte von Jolie offenbarte. Warnung an Pitt: Mehr als zweite Geige sei nicht. Nie.
Aniston derweil isst mindestens alle zwei Tage ein Steak; dies verriet sie kürzlich der Mode-Illustrierten "InStyle", als Erklärung für ihre gute Laune gewissermaßen. Mit vier Filmen hat sie 2005 ihren Kummer wegkompensiert; der mit Shirley MacLaine heißt "Wo die Liebe hinfällt - Rumor has it" und kam vergangene Woche in die Kinos. Es geht um Gerüchte, wie passend. Was zum Beispiel ist dran an der Story mit Vince Vaughn? Mit dem Schauspieler soll sie eine Affäre haben; kürzlich wurden die beiden bei einem feuchtfröhlichen Wochenende in Arizona erwischt. Ehe sie "Kein Kommentar!" rufen kann, schnarrt Shirley MacLaine: "Aber klar. Ich hatte zuerst was mit ihm. Dann habe ich ihn ihr empfohlen."
Aniston neu verliebt, Jolie Friedensnobelpreisträgerin, Pitt dreifacher Vater... das Jahr fängt gut an, wir bleiben dran.