Bushido, Sie wurden berühmt als erster deutscher Gangsta-Rapper. Warum veröffentlichen Sie jetzt mit 29 Ihre Biografie?
Ich bin der Einzige, dem die Kinder zuhören. Was sollen ihnen denn Sarah Connor oder Xavier Naidoo vom Leben erzählen? Die haben doch keine Ahnung. Ich habe es vom vorbestraften Drogendealer und Schulabbrecher zum Millionär geschafft. Ich habe mich nie aufgegeben und immer an mich selbst geglaubt. Das beeindruckt meine Fans. Dieses Buch ist auch ein Versuch, Ordnung in mein chaotisches Leben zu bringen. Ich habe es also auch für mich selbst geschrieben.
Sie wuchsen als Sohn einer deutschen Mutter und eines tunesischen Vaters in Berlin auf. Hatten Sie eine glückliche Kindheit?
Ich war drei Jahre alt, als mein Vater meine Mutter mit einem Telefonapparat verprügelte. Er war sturzbetrunken. Ein Alkoholiker. Kurz darauf verließ er meine Mutter, meinen Bruder und mich. Ich hörte jahrelang nichts von ihm. Weil er als Mitarbeiter der tunesischen Botschaft arbeitete, musste er keinen Unterhalt zahlen. Er hatte ja Diplomatenstatus. Ich habe ihn damals gehasst. Verabscheut für seine Gewalt gegenüber meiner Mutter und seine Sucht. An meinem 26. Geburtstag lag plötzlich eine Postkarte von ihm im Briefkasten. Ich dachte: Der will jetzt nur wieder Kontakt, weil er erfahren hat, dass sein Sohn ein reicher Rapstar geworden ist.
Wie ist Ihr Verhältnis heute?
Mein Vater ist schwer krebskrank, ein alter Mann, der gegen das Sterben kämpft. Ich habe ihm längst verziehen, was er meiner Mutter damals angetan hat. Als ich ihn vor ein paar Jahren besuchte, gab er mir ein Suchttagebuch zum Lesen, das er während einer Alkoholentzugstherapie geschrieben hat. Darin bat er auch mich um Verzeihung. Ich habe Frieden mit meinem Vater geschlossen. Egal, in was für einer Familie man aufwächst, du kannst sie nicht einfach von dir abschneiden. Sie wird immer zu dir gehören.
Mit 13 begannen Sie, in Berlin-Tempelhof Drogen zu verkaufen. Warum?
Ich hatte nie die Absicht, ein Dealer zu werden. Ich brauchte nur Geld fürs Kiffen. Also ging ich zu meiner Mutter und sagte: Du, ich brauche Geld. Ich will Drogen verkaufen. Meine Mutter lieh mir 450 Mark. Das war mein Startkapital. Ich verkaufte Koks, Marihuana und Pillen. Das Zeug versteckte ich im Heizungskeller.
Und Ihre Mutter hatte nichts dagegen?
Sie wusste, dass ich meinen Willen sowieso durchgesetzt hätte. Auch ohne ihre Unterstützung. Bestimmt lag das auch daran, dass ich keine männliche Autoritätsperson hatte. Als mein Vater ging, fühlte ich mich verantwortlich im Haus. Ich fühlte mich wie der König der Welt.
Bis zu jenem Tag, als Sie mit 800 Gramm Marihuana und 50 Gramm Kokain im Rucksack an einer Busstation in Berlin erwischt wurden. Da waren Sie 17.
Das war ein großes Glück im Rückblick. Der Staatsanwalt hätte mich am liebsten für immer weggesperrt, aber der Richter wollte mich nur von der Straße holen. Er steckte mich in ein Ausbildungsheim am Wannsee. Dort machte ich eine Lehre zum Lackierer.
Träumten Sie damals schon davon, ein Rapstar zu werden?
Nee, ich kam erst später zur Musik. Meine ersten Texte schrieb ich mit 20. Ich hatte einen billigen Drumcomputer. Damit programmierte ich meine ersten Songs. Das fiel mir nicht schwer. Deutscher Rap kam damals von Mittelstandskindern wie den Fantastischen Vier aus Stuttgart. Ich wollte die echte Stimme aus Berlin sein, die davon erzählt, wie es auf der Straße zugeht. Gangsta-Rap eben.
Acht Songs Ihrer Soloalben stehen auf dem Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, weil Sie Gewalt verherrlichen und Frauen zu Sexobjekten degradieren. Zitat: "Mit der rechten werd ich wichsen, mit der linken dich schlagen." Sie provozieren, um CDs zu verkaufen.
Unsinn. Ich bin nur ein Spiegelbild der Wirklichkeit. Gehen Sie mal auf einen x-beliebigen Schulhof in Berlin. Da sprechen die Kids so. Das ist Alltag.
Sie leben nicht schlecht davon. Ihre letzte CD verkaufte sich 250.000-mal. Wer heute jung ist und seine Eltern schocken will, der kauft sich eine Bushido-CD.
Mag sein, dass das so ist. Auf meinen Konzerten sehe ich viele Eltern, die gemeinsam mir ihren Kindern kommen. Das sind gutbürgerliche Leute. Ärzte, Anwälte, Lehrer. Die kommen zu mir, weil sie glauben, sie könnten sich so bei ihren Kids einschleimen. Nach dem Motto: Ich bin total tolerant und locker. Ich gehe sogar zum Bushido-Konzert.
In Ihrem Buch prahlen Sie damit, mit 700 Mädchen geschlafen zu haben.
700? Vielleicht waren es auch mehr. Früher musste ich noch ein bisschen arbeiten, um Mädchen ins Bett zu kriegen. Da kamen nur 600 Leute zu meinen Konzerten. Ich ging danach ins Publikum und pickte mir ein paar Mädchen raus und fickte sie im Tourbus. Danach ging es weiter in die nächste Stadt.
Was schätzen Sie eigentlich an Frauen?
Ich weiß, worauf Sie jetzt hinauswollen! Bushido, das Macho-Schwein! Ich habe viel Respekt vor Frauen, aber wie soll ich vor denen Respekt haben, die nach einem Konzert zu mir kommen und einfach nur fragen: Na, Bushido, willst du mich ficken? Solche Frauen kann ich nicht mit Respekt behandeln. Das sind für mich Schlampen.
Und Sie nehmen mit, was Sie kriegen können.
Sex mit Groupies liegt hinter mir. Darauf habe ich gar keinen Bock mehr. Das bringt mir nichts. Ich wurde oft genug auch ausgenutzt.
Was meinen Sie jetzt damit?
Eine Boulevardzeitung hat einmal ein Mädchen aus der Schweiz auf mich angesetzt. Sie hat ein paar Tage mit mir in Berlin verbracht. Es lief nicht viel. Etwas später ruft ein Reporter der Zeitung bei mir an und fragt mich, ob ich mich auf mein Kind freuen würde. Es gab sogar "echte" Ultraschallbilder in der Zeitung. Am Ende rief mich der Anwalt des Mädchens an und sagte: Für 120.000 Euro würde seine Klientin eine Abtreibung in Betracht ziehen. Natürlich war das alles Lüge, die ganze Geschichte inszeniert, aber es hat mich wirklich in den Wahnsinn getrieben.
Sie wirken wie ein Gehetzter. Können Sie Ihren Erfolg genießen?
Ich lerne das langsam. Ich habe zwei Monate eine Therapie gemacht, weil ich irgendwann das Gefühl hatte, ich werde verrückt. Ich konnte nicht mehr schlafen, in meinem Kopf herrschte Chaos. Alles wurde zu viel.
Hat Ihnen die Therapie geholfen?
Nicht wirklich. Am Ende schieben sie doch nur alles auf deine verkorkste Kindheit. Darauf habe ich überhaupt keinen Bock.
Geht es Ihnen denn jetzt besser?
Ja. Seit ein paar Monaten habe ich jetzt eine feste Freundin, mit der ich wirklich glücklich bin. Gerade haben wir uns zwei Labrador- Welpen gekauft. Die beruhigen mich sehr. Manchmal gehe ich nachts mit ihnen spazieren, wenn kein Mensch auf der Straße ist. Das ist wunderschön. Ich liebe Stille.
Solche Sätze hörte man bislang selten von Ihnen. Haben Sie die Nase voll davon, den Proleten-Rapper zu geben?
Nein. Ich bin, wie ich bin. Außerdem werde ich gut dafür bezahlt. Ich bin jetzt Millionär. Habe eine Immobilienfirma mit Freunden gegründet, ein schönes schnelles Auto und eine 600-Quadratmeter-Villa in Dahlem.
Klingt ganz schön spießig für einen Gangsta- Rapper.
Das ist mir egal.
Stimmt es eigentlich, dass Sie jeden Ihrer Mitarbeiter rauswerfen, der auf Ihren Konzerten Drogen oder Alkohol konsumiert?
Ich mag es einfach nicht, wenn Leute die Kontrolle über sich verlieren. Bei mir im Backstage-Bereich gibt es keinen Tropfen Alkohol. Und wer kifft, der bekommt Ärger. Ich kann es mir einfach nicht mehr leisten, dass die Polizei mich mit Drogen hochnimmt.
Jetzt spricht der Geschäftsmann Bushido.
Ich bin ein Künstler, der auch ein guter Geschäftsmann ist.
Sie verfolgen wie kaum ein anderer Musiker Leute, die Ihre Songs im Internet downloaden, und verklagen jeden, der Ihren Namen auf eine Jeans kritzelt.
Im Monat schicke ich zwischen 800 und 5000 Mahnbescheide an Leute, die meine Urheberrechte verletzen. Ein Freund von mir hat eine Software programmiert, die mir alle illegalen Downloader im Internet recherchiert.
Sie haben genug Geld. Was soll der Verfolgungswahn?
Ganz einfach: Ich lasse mich nicht gerne bestehlen. Keine Ahnung, wie lange ich das noch machen kann. Kennen Sie alte erfolgreiche Rapper? Ich nicht.
Sie wollen so viel Geld wie möglich kassieren.
Nein. Darum geht es nicht. Geld ist nicht alles. Wenn man aber sein Leben hergibt, muss der Preis stimmen. So funktioniert das Geschäft.