Historikerin im Interview Royal-Expertin Urbach: Die Sympathie für Charles wird nicht anhalten – er lebt zu opulent

Queen Elizabeth II. und ihr Sohn und Thronfolger Charles 2019 bei der Eröffnung des Parlaments
Queen Elizabeth II. und ihr Sohn und Thronfolger Charles 2019 bei der Eröffnung des Parlaments
© Toby Melville – WPA Pool / Getty Images
Bescheidenheit vs. Opulenz, Beliebtheit vs. Kontroverse – der Thronwechsel von Queen Elizabeth II. zu König Charles III. hält gerade alle in Atem. Wie er historisch einzuordnen ist, verrät uns eine Expertin.

London rüstet sich derzeit für das Staatsbegräbnis der am 8. September verstorbenen Queen Elizabeth II. Am Sonntagabend wird der neue König Charles III. Staatschefs und Mitglieder königlicher Familien aus der ganzen Welt zu einem Empfang begrüßen. Es ist das Ende des zweiten elisabethanischen Zeitalters und gleichzeitig der Beginn einer neuen Regentschaft. Über die historische Dimension dieses Thronwechsels sprach der stern mit der renommierten Historikerin Dr. Karina Urbach. Sie ordnet die Geschehnisse des britischen Königshauses in diversen ZDF-Sendungen und -Dokumentationen ein und hat im Mai dieses Jahres die Biografie "Queen Victoria – die unbeugsame Königin" veröffentlicht.

Frau Dr. Urbach, welches Vermächtnis hinterlässt Queen Elizabeth II. Ihrer Meinung nach als Historikerin?

Die Queen hatte – im Gegensatz zu ihrer namensgleichen Vorgängerin – natürlich keine politische Macht mehr. Aber sie konnte indirekten Einfluss nehmen – als erste Diplomatin ihres Landes. Man hat sie 70 Jahre lang auf unzählige Charmeoffensiven geschickt. Und als Oberhaupt des Commonwealth bekam sie noch einmal globale Relevanz. Eine wichtige Idee hinter dem Commonwealth-Konzept war ja, das Unrecht, das im Empire begangen wurde, wiedergutzumachen.

Wird der neue König ähnlich erfolgreich sein?

Meines Erachtens war es ein Fehler, Charles zum Oberhaupt des Commonwealth zu machen. Darauf hat die Queen 2018 bestanden, obwohl es Vorschläge gab, den Posten rotationsmäßig immer wieder neu zu besetzen. Stattdessen wurde er einfach als Erbstück an Charles weitergegeben. Das setzte ein falsches Signal. Und was seine Rolle als Staatsoberhaupt mehrerer Commonwealth-Länder betrifft, sehe ich langfristig viele Probleme: Australien will bestimmt keinen König Charles als Staatsoberhaupt, Kanada wird auch bald wackeln, Barbados hat sich 2021 verabschiedet, Jamaika will ebenfalls gehen. Die Debatte um die koloniale Vergangenheit Großbritanniens hat das natürlich noch verschärft.

Und wie beliebt ist er bei den Briten?

Die ganze Sympathie, die man jetzt sieht, wird nicht lange anhalten. Er ist umstritten in Großbritannien. Der König lebt opulent mit seinen sechs Wohnsitzen und diesen Luxus können viele Briten nur noch schwer nachvollziehen. Uns steht ein harter Winter bevor, die Energiepreise explodieren, die Inflationsrate wächst und Großbritannien steht vor einer Rezession. Es könnte zu sozialen Protesten kommen. Jetzt ist Sparsamkeit für alle angesagt und dafür ist Charles nicht gerade bekannt.

Der Prinz von Wales scheint sehr nach seiner königlichen Großmutter zu kommen, anders als sein Vater – wird William die Monarchie in eine „Blütezeit“ führen können?

Er und Kate sprechen junge Leute an und arbeiten an vielen innovativen Wohltätigkeitsprojekten. Charles braucht dieses Paar dringend an seiner Seite. Es wird auch interessant sein zu sehen, ob er das Königshaus verschlanken und die überflüssigen Mitglieder – die nichts leisten – entfernen kann. Echte Reformen einzuleiten wäre Charles' große Chance. Er besitzt jetzt zum Beispiel die größte private Bildersammlung der Welt. Er könnte aus dem Buckingham Palace einen zweiten Louvre machen und den Bürgern schenken.

Dabei hat König Charles III. immer seinen Schwerpunkt auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit gesetzt – Themen, die seit geraumer Zeit modern sind.

Diesen grünen Anstrich, den er sich gibt, lebt er nur bedingt. Natürlich kosten seine sechs Wohnsitze ein Vermögen und müssen alle beheizt werden. Er hat eine Flut von teuren Autos, die sogar manchmal eingeflogen werden. Als modern würde ich ihn nicht bezeichnen. Er war immer sehr altmodisch, verachtet moderne Architektur und regte an, Poundbury zu bauen, eine Art Retrostadt in Dorset. Er lebt in der Vergangenheit und ist sehr bedacht auf die strikte Einhaltung des Protokolls, Heraldik, auf perfekte Kleidung und Uniformen.

Unter diesem Gesichtspunkt: Haben Sie die Videos gesehen, als Charles bei seiner Proklamation Grimassen schneidend Richtung seiner Bediensteten gestikuliert, um ein Tintenfass zur Seite zu schieben und sich in Nordirland lauthals über einen auslaufenden Füller beschwert?

Ja, das war kein gutes Zeichen. Er steht zwar unter Druck und trauert um seine Mutter, aber das Personal öffentlich zu demütigen, war ungerecht. Er hätte einen Witz aus der Situation machen können. Die Queen oder Prinz Philip hätten das getan.

Schauen wir in die Zukunft: Sie haben die für viele Menschen prekäre wirtschaftliche Lage angesprochen, die sich im Winter zuspitzen könnte. Kann Charles daher überhaupt an eine opulente Krönung denken, wie seine Mutter sie 1953 hatte?

Das war sicherlich seine ursprüngliche Absicht. Aber es wird vermutlich eine heruntergefahrene Krönung. Der Steuerzahler müsste einen großen Teil der Kosten übernehmen. Für die Queen zahlt wirklich jeder gern das teure Staatsbegräbnis. Sie hat hart für dieses Land gearbeitet. Aber in einem Jahr noch mal ein großes royales Ereignis finanzieren? Eine solche Idee werden nur hardcore Royalisten unterstützen.

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