Kanonen schießen Konfetti in die Luft, als Nicki Minaj mit langsamen Schritten auf die Bühne geht. Ihr Hit "Super Bass" dröhnt aus den Lautsprechern. Die schwarzen Haare ihrer Perücke reichen bis zu den Kniekehlen. Hunderte Zuschauer jubeln ihr zu.
Nein, es ist kein Konzert der Star-Rapperin. Nicki Minaj hält an ihrer Hand Erika Kirk. Die Frau mit dem eisernen Blick ist die Witwe des im September bei einem Attentat getöteten rechten US-Aktivisten Charlie Kirk.
Minaj und Kirk traten nun in Phoenix, Arizona, bei einer Veranstaltung von "Turning Point USA" auf. Das ist quasi die Jugendorganisation der "Make America Great Again"-Bewegung rund um Donald Trump.
Ein christlich-nationalistisches Event mit Überraschungsgast Nicki Minaj – einer in Trinidad und Tobago geborenen und mithilfe einer queeren Fangemeinde zur Rap-Ikone aufgestiegenen Frau.
Dieser Auftritt ist ein Verrat an ihren Unterstützern. Es ist der Tiefpunkt ihrer Karriere. Und der Höhepunkt eines Sinneswandels um 180 Grad.
Vor neun Jahren schoss Nicki Minaj noch gegen Donald Trump
"Island girl, Donald Trump want me go home."
"Insel-Mädchen, Donald Trump will, dass ich nach Hause gehe."
Das rappt Nicki Minaj in ihrem Song "Black Barbies" aus dem Jahr 2016. Eine Anspielung auf Trumps menschenverachtende Abschiebepolitik. Ein politisches Statement mit 73 Beats pro Minute.
2019 sagte Nicki Minaj ein geplantes Konzert in Saudi-Arabien ab – weil das Land gegen Menschenrechte verstößt. In einem Statement sagte sie damals, dass es ihr wichtig sei, "klare Unterstützung für die Rechte von Frauen, der LGBTQ- Community und für die Meinungsfreiheit zu zeigen."
2020 war Minaj Gastjurorin bei der berühmtesten TV-Dragshow der Welt, RuPaul's Drag Race.
Diese Beispiele zeigen: Minaj hat sich lange Zeit für queere Rechte und Sichtbarkeit eingesetzt. Diese Unterstützung ist einleuchtend, schließlich hat Nicki Minaj viele queere Fans. Ihre Solidarität mit jenen, die sie groß und berühmt gemacht haben, erschien plausibel.
Plötzlich zeigt sich Nicki Minaj als Trump-Fan
Nun, sechs Jahre später, sitzt Minaj mit Erika Kirk auf einer Bühne und bezeichnet Trump als "gutaussehenden Typen", der als Vorbild für junge US-Amerikaner dienen solle.
Ein Mann als Vorbild, der an seinem ersten Tag als US-Präsident alle bundesweiten Maßnahmen für "Diversity, Equity, and Inclusion" gestrichen hat?
Ein Mann als Vorbild, der in seiner Rede zur Amtseinführung erklärte, dass in den USA künftig nur noch zwei Geschlechter anerkannt werden sollten?
Nicki Minaj unterstützt also jenen Präsidenten, der queerfeindliche Politik ganz oben auf seine Agenda gepackt hat.
Die Frage nach dem Warum
Was ist passiert? Wie wurde aus der Frau, die sich einst für Minderheiten stark machte, eine Trump-Unterstützerin?
Das weiß wohl nur sie selbst. Auf dem "Turning Point USA"-Event nannte sie ihren Glauben an Gott als antreibende Kraft. "Ich habe vor riesigen Menschenmengen auf der ganzen Welt gespielt, und egal, wie viele Songs ich auf dieser Bühne gespielt habe, es war nie so bedeutungsvoll wie dies. Denn dies ist eine direkte Verbindung zwischen jungen Menschen und Gott", sagte sie im Gespräch mit Erika Kirk.
Auch schon in der Vergangenheit hatte sich Minaj, deren Lieder hauptsächlich von Sex handeln und deren Konzerte von anzüglichen Tanzeinlagen bestimmt werden, als gläubige Christin präsentiert.
"Ich hatte es einfach satt, herumgeschubst zu werden", antwortete Minaj auf die Frage Kirks, warum sie sich dazu entschlossen hat, sich zu politischen Themen zu äußern. Außerdem habe sie gelernt, dass es okay ist, wenn man seine Meinung ändert.
Stimmt. Menschenverachtende Politik ist aber keine Meinung.
Es geht hier nicht um einen politischen Fehltritt. Ihr Auftritt ist wie eine Abrissbirne für die Identität vieler ihrer Fans. Was soll ein schwuler Jugendlicher jetzt denken, dessen Idol den queerfeindlichen Trump feiert?
Dass sich Nicki Minaj auf dieser rechten Bühne bewegt, ist ein Schlag ins Gesicht für ihre treue Basis.
Nicki Minaj, die im nächsten Jahr ein neues Album veröffentlichen will, muss sich bewusst sein: Zerstört sie ihr eigenes Fundament, geht sie mit den Trümmern selbst unter.