Ralf Schumacher Warum Sportler mit dem Coming-out noch immer warten

Ralf Schumacher
Ralf Schumacher hat sich auf Instagram erstmals mit seinem Lebensgefährten gezeigt
© Eibner / Imago Images
Ralf Schumachers Coming-out hat viele Menschen überrascht. Denn selbst in unserer aufgeklärten Zeit ist es üblich, dass Sportler ihre Homosexualität eher geheim halten. Dafür gibt es Gründe.

Am Sonntag veröffentlichte Ralf Schumacher ein Foto von sich und seinem Freund Etienne, schrieb dazu: "Das Schönste im Leben ist wenn man den richtigen Partner an seiner Seite hat mit dem man alles teilen kann." Es ist das erste Mal, dass Schumacher die Liebe zu einem Mann öffentlich macht. Die einzig bislang dokumentierte Beziehung des ehemaligen Formel-1-Rennfahrers war die Ehe mit Ex-Frau Cora. 

Coming Out von Ralf Schumacher zeigt Problematik im Profisport

Aber nicht nur das: Schumachers Bekenntnis folgt 17 Jahre nach dem Ende seiner Formel 1-Karriere. Wie viele Profisportler hielt er seine Sexualität unter Verschluss. Das hat gleich mehrere Gründe, wie Psychologin Ulrike Schneider-Schmid dem stern erklärt. "Wir brauchen ein breiteres Bild von 'Männlichkeit' im Sport. Dieses ist sehr klassisch definiert, alles was davon abrückt und einen Hauch ins Weibliche geht, gilt als schwach", so Schneider-Schmid. 

"Man denke nur an die Diskussionen um die pinken Fußballtrikots der Nationalmannschaft. 'Schwul' oder 'gay' als abwertender Begriff ist am Fußballplatz und den Sporthallen der Welt immer noch sehr präsent. Man macht sich durch ein Coming-out angreifbar", erläutert sie. 

Der Profisport sei außerdem die Berufsstätte. Genau wie in Bürojobs haben viele Betroffene Angst vor den Reaktionen ihrer Mitarbeitenden, so Schneider-Schmid. "Viele haben Sorge vor negativen Kommentaren, vor allem in der Umkleidekabine, und antizipieren da das Schlimmste – dabei sind die tatsächlichen Reaktionen oft viel milder und positiver als gedacht", so die Psychologin. 

Die Reaktionen von Fans und Kollegen sind aber nur ein Teilaspekt, der aktive Sportler vom Coming-out abhält. Es gibt auch finanzielle Gründe. "Generell sind Profisportler immer auch Werbefiguren, was für sie eine Belastung darstellen kann. Es gibt viele Sportler, die sehr genau überlegen, was sie von sich preisgeben und was dies mit ihrem Marktwert machen würde. Sie zensieren sich", so Schneider-Schmid. Mit teilweise fatalen Folgen. "Einen wichtigen Teil des eigenen Lebens geheim halten zu müssen, löst ein chronisch erhöhtes Stresslevel aus. Dies kann sehr negative Auswirkungen auf den Menschen haben und Erkrankungen hervorrufen. Schwule und bisexuelle Männer haben ein deutlich erhöhtes Suizidrisiko." 

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Sportler können zu Vorbildern werden

Dabei könnten Sportler, die während ihrer aktiven Zeit ein Coming-out haben, zu Vorbildern werden. "Was man als normal präsentiert bekommt, wird man als normal annehmen. Wenn man einen erfolgreichen Rennfahrer sieht, der mit seinem Mann zur Siegerehrung kommt, und niemand kommentiert das extra, wird das ein Teil der eigenen Normalität", so Schneider-Schmid. Dennoch darf es für aktive Sportler und all jene, die ihre Karriere bereits hinter sich gelassen haben, keinen Zwang geben. Immerhin müsse man die eigene Sexualität nicht teilen, sagt Schneider-Schmid. "Nicht jeder möchte von der Gesellschaft als Vorbild gefeiert und die sexuelle Orientierung als einen für alle bekannten und definierenden Faktor seiner Person sehen."

Die durchweg positiven Reaktionen auf das Coming-out von Ralf Schumacher sieht sie als wichtiges Signal. Sie könnten anderen Betroffenen Mut machen, sich ebenfalls für den Gang in die Öffentlichkeit zu entscheiden – immer vorausgesetzt, dass sie das überhaupt wünschen. 

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