Nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich glaube, ich habe Sie bisher falsch eingeschätzt.
Ist das ein Kompliment? (lacht) Ich kann Ihnen nicht verdenken, wenn Sie mir mit einem etwas entrückten Bild meiner selbst begegnen. Das, was Sie mitbekommen haben, war ja nur, was geschrieben wurde. Dabei habe ich gar keine Interviews gegeben. Aber reden wir doch einfach mal.
Haben Sie das Gefühl, sich gerade freizuschwimmen - als Jury-Mitglied bei "X-Factor", mit dem neuen Album, privat?
Ich habe mich entschieden, "X-Factor" zu machen, weil ich dort mit meiner Kernkompetenz arbeiten kann. Über Gesang weiß ich Bescheid, da habe ich viel Erfahrung, und es macht mir Spaß. Ich bin da einfach so, wie ich bin. Ich kann mir diese Entwicklung neuer Künstler sogar als zweiten Berufszweig vorstellen. Es ist so viel dankbarer, meine Erfahrungen weiterzugeben, als immer dagegen anrudern zu müssen, was irgendwer über mich denkt. Ich habe nun mal das Los gezogen, dass über jeden Pups und jeden Klecks in meinem Leben geschrieben wird. Aber ich habe weder die Energie, noch die Zeit, noch das Interesse, da hinterherzulaufen und zu sagen "So war's aber nicht".
Warum haben Sie es dann gemacht?
Es ist unter Druck entstanden und zudem in einer Phase, in der ich selbst nicht mehr wusste, wie ich jetzt eigentlich klingen möchte. Ich habe meine Stimme gegeben, aber mein Herz war nicht so richtig dabei. Das war 2008, eine Zeit, in der wirklich sehr viel passiert ist in meinem Leben.
Wie finden Sie denn Pinks Ansatz, die mit "Fun House" ein ganzes Album über ihre Trennung gemacht hat?
Toll finde ich das. Und wenn ich die Zeit gehabt hätte, hätte ich das auch gern gemacht. "Real Love" ist keine Verarbeitung meiner Scheidung, aber es spiegelt natürlich schon die Post-Trennungsphase wider. "Back From Your Love" habe ich zum Beispiel ganz am Anfang aufgenommen. Wenn ich es höre, weiß ich genau, wie traurig und verzweifelt ich damals war. Dagegen steht "Real Love", der letzte Song des Albums. Da habe ich bei der Aufnahme die ganze Zeit gegrinst und gedacht: Wow, wie kommt es, dass ich jetzt so einen Song aus vollem Herzen singen kann? Das Album dokumentiert tatsächlich musikalisch eine Entwicklung. Ich bin jetzt Sarah Connor 2.0, habe mein Leben neu sortiert, habe mit vielen Dingen abgeschlossen, aber viele Dinge auch wieder neu zugelassen. Liebe war etwas, das ich mir eine zeitlang abgesprochen habe in meinem Leben. Ich dachte, das wird nicht mehr passieren. Es geht nur noch um meine Kinder und mich. Unseren kleinen Kreis des Vertrauens.
Und beim letzten Album waren Sie noch nicht so weit?
Bei "Sexy as Hell" war ich noch nicht mal getrennt. Ich wusste nicht, was passieren wird. Ich glaube heute, dass es ein großer Fehler war, diese zweite Show ("Sarah& Marc crazy in Love", Anm.Red.) zu machen. Das bereue ich zutiefst. Marc und ich hätten dieses Jahr lieber nutzen sollen, um uns um uns zu kümmern. Aber Marc wollte es machen, und ich dachte: Okay, wenn er das jetzt gern möchte, dann muss ich das auch machen. Es war nicht gut, aber es ist halt passiert.
Ist es nicht ein verrückter Gedanke, dass Sie einen Teil Ihres Lebens an die Öffentlichkeit abgegeben haben?
Ich habe wirklich sehr viel Distanz. Ich habe ein geradezu erschreckend normales Leben mit ganz normalen Tagesabläufen. Es wundert mich immer wieder, wenn es mir abgesprochen wird. Die Leute sind überrascht, wenn sie hören, dass ich meine Wäsche selbst wasche, dass ich selbst den Vogelkäfig sauber mache. Viele kleine Dinge, die dich spüren lassen, dass du ein normaler Teil der Gesellschaft bist...
Fühlen Sie sich als normaler Teil der Gesellschaft?
Ich bin Elternsprecherin im Kindergarten (lacht)
Lesen Sie im zweiten Teil, warum Sarah Connor sich als Versagerin gefühlt hat.
Die anderen Eltern reagieren nicht komisch auf Sie?
Am Anfang gab es so ein bisschen Berührungsangst, aber dann merken die ganz schnell, dass ich auch nur eine verpeilte Mami bin, die morgens manchmal zu spät kommt. Eigentlich bin ich total langweilig! (lacht) Aber dann schlage ich die Zeitung auf und sehe: Oh wow, das ist gerade mal wieder in meinem Leben passiert. "Magerwahn" habe ich zuletzt gelesen. Und ich denke abends, dass ich nicht so viel Pizza essen sollte. (lacht) Aber das Verrückteste ist, dass es tatsächlich Leute gibt, die das alles glauben. Und ich dachte immer, das glaubt eh keine Sau. Wenn die wüssten, was wirklich meine Macken sind...
Was sind denn Ihre Macken?
Ich bin ein totaler Routinemensch. Wenn es nicht so läuft wie immer, komme ich ins Schwimmen. Das ist kein Zwang, aber in letzter Zeit, da ich wieder mehr zu sehen bin, muss mein Zeitmanagement echt stimmen. Von 9 bis 14:30 Uhr können sie mich vollballern. Um 15 Uhr muss ich meine Kids abholen. Und wenn jetzt jemand kommt und sagt, es verschiebt sich, dann sage ich: Ist mir egal, ob die Welt untergeht: Es geht nicht.
Waren diese zwei Jahre außerhalb des Rampenlichts so etwas wie eine Erdung?
Ich musste mich auf jeden Fall zum ersten Mal mit mir selbst auseinandersetzen.
Und mochten Sie sich?
Nein. Ich habe mir nichts mehr gegönnt, ich habe mich innerlich bestraft. Ich habe mich für eine Versagerin gehalten, die es nicht hinkriegt, ihre Ehe zu retten, die mit dem Vater ihrer Kinder nicht die Beziehung führen kann, die sie eigentlich führen wollte. Meine Kinder waren in der Zeit diejenigen, die mir das ehrlichste Feedback gegeben haben. Die mir das Gefühl gegeben haben: Du kannst Dich jetzt nicht einfach hinsetzen und sagen "Alles ist Mist" und dich verschanzen. Für die musste ich meine Haltung bewahren und ansagen, wohin die Reise geht. Es war ein interessanter Weg dorthin zurück, mich selbst wieder zu mögen, mir einzugestehen: Okay, vielleicht bin ich doch liebenswert. Vielleicht ist da doch jemand der mich mag. (grinst)
Wer hat außer den Kindern geholfen?
Gespräche mit Freundinnen und vor allem mit meinem Vater. Wir haben rumphilosophiert, gefragt, warum wir überhaupt hier sind. Ich bin mal weggekommen von mir selbst und habe das große Ganze gesehen, habe gelernt, die Einsamkeit als Teil dieser Phase anzunehmen. Das sind Schmerzen, und die müssen jetzt einfach passieren. Und dadurch spüre ich mich auch selber wieder. Ich habe mir Zeit gegeben, um zu gucken, wo es jetzt hingehen soll. Ich habe darüber nachgedacht auszuwandern. Ich habe überlegt, aus dem Musikgeschäft auszusteigen. In meinem Kopf war ich ganz woanders. Aber da draußen liefen die Geschichten immer weiter.
Haben Sie das Gefühl, etwas verpasst zu haben auf Grund der Karriere?
Nee, ich glaube ich habe sehr viel erlebt (lacht) Aber ich denke schon: Hm, das habe ich jetzt ein Drittel meines Lebens gemacht. Was mache ich denn die nächsten zehn Jahre? Wie nutze ich jetzt meine Zeit, damit ich richtig Spaß habe? Mein Lebensglück steht und fällt nicht mehr mit den Launen des Musikgeschäfts. Ich befreie mich gerade von den Erwartungen an Status und den materiellen Dingen, die scheinbar so wichtig sind, und komme zurück zu den Werten.
Aber Moment mal: Viele junge Leute, die in Castingshows gehen, erhoffen sich doch von null auf hundert Status und Anerkennung.
Ich hoffe nicht, dass das so ist. So wähle ich meine Kandidaten auch nicht aus. Darum geht es nicht für einen Künstler. Die dürfen sich nicht blenden lassen. Das ist wie mit meiner Schwester, die echt singen kann und gern was damit machen würde. Aber ich habe ihr gesagt: Hey, mach erstmal was Anständiges (lacht)
Sarah Connor
Jörg Carstensen/ DPA Sarah Connor aus Delmenhorst gehört mit mehr als 15 Millionen international verkauften Alben zu den erfolgreichsten deutschen Popstars. Bekannt wurde jedoch nicht nur ihre Soulstimme, sondern auch ihre Person - vor allem durch die Ehe mit dem US-Sänger Marc Terenzi und zwei Realityshows namens "Sarah&Marc in Love" und "Sarah&Marc crazy in Love". Das Paar trennte sich Ende 2008. Seit August 2010 sitzt Connor in der Jury der Castingshow "X-Factor", und mit "Real Love" ist gerade ihr achtes Album erschienen.