Was macht eigentlich... ...Holger Börner?

Als Hessens Regierungschef läutete der SPD-Politiker die erste rot-grüne Koalition ein. Für viele war er aber "der mit der Dachlatte".

Wie denken Sie heute über das berühmte Foto von vor 20 Jahren?

Jetzt kann ich darüber lachen. Aber damals war ich schockiert, dass ein Minister in Turnschuhen und Jeans zur Vereidigung kommt. Wahrscheinlich brauchte Herr Fischer den Auftritt zur Imagepflege wie Indianer die Kriegsbemalung. Heute trägt er viel teurere Anzüge als ich: er von Armani, ich von Peek & Cloppenburg.

Fischers Turnschuhe stehen im Museum. Was ist aus Ihrem Anzug geworden?

Ich glaube, der ging in die Altkleidersammlung. Mir passt er ja nicht mehr, ich habe 70 Pfund abgenommen.

Wie geht es Ihnen denn gesundheitlich?

Ich sehe jedes neue Jahr als Geschenk. 2003, acht Wochen nach meinem Rücktritt als Präsident der Friedrich-Ebert-Stiftung, wurde bei mir Krebs diagnostiziert. Zumindest mein Diabetes ist durch den Krebs verschwunden.

Ihr größter Fehler?

Dass ich Kanzler Helmut Schmidt beim Nato-Doppelbeschluss nicht unterstützt habe. Das bedauere ich zutiefst. Aber zum Ausbau des Frankfurter Flughafens stehe ich noch immer. Was habe ich dafür alles einstecken müssen! Bei Demonstrationen herrschten ja bürgerkriegsähnliche Zustände.

Sie haben gesagt, dass man so etwas auf dem Bau mit der Dachlatte erledigt hätte.

Das ist eine journalistische Verdrehung! Ich saß mit einem Journalisten im Auto, wir wurden von Demonstranten belagert, die Polizei konnte mich kaum schützen. Da habe ich gesagt: "Heute muss ich für den öffentlichen Frieden eintreten. Aber vor 40 Jahren auf dem Bau hätte ich einen Angriff auf meine Person mit der Dachlatte beantwortet."

Mal ehrlich: Am liebsten würden Sie doch auch Oskar Lafontaine eins überbraten?

Ich bin tief enttäuscht von ihm. Er ist ein Deserteur. Gut, dass Willy den PDS-Oskar nicht mehr erlebt hat. Willy war ein väterlicher Freund, und seine Frau Rut habe ich verehrt. Eigentlich war Willy zu weich fürs harte Politikgeschäft, ähnlich wie Björn Engholm.

Der auch nicht zu Ihren Freunden zählte.

Hätte ich so gut ausgesehen wie Engholm, hätte ich in Hessen 70 Prozent geholt.

Was hat Sie damals am meisten bewegt?

Der Mord 1981 an meinem Stellvertreter und Freund Heinz-Herbert Karry. Ich bin überzeugt, dass die Täter, die nie ermittelt wurden, aus dem militanten Umfeld der Startbahn West kamen. Ich habe den gleichen Drohbrief erhalten wie er. Aber ich habe mich immer selbst geschützt.

Zur Person

Holger Börner, geboren im Februar 1931, wuchs in einer sozialdemokratischen Familie auf. Nach der Schule Lehre als Betonfacharbeiter; er wurde Hilfspolier und Betriebsratsvorsitzender einer Kasseler Baufirma. 1948 Eintritt in die SPD. Karriere in der Kommunal-, später Bundespolitik. Ab 1972 SPD-Bundesgeschäftsführer. 1985 zurrte er als Hessens Ministerpräsident das erste rot-grüne Landesbündnis fest. Bruch der Koalition und Rücktritt 1987 im Streit um die Atomanlage Hanau.

Wie denn?

Ich bin nie zwei Tage hintereinander denselben Weg gefahren. Ich hatte zwar keine Begleitfahrzeuge und Bodyguards, aber ich habe immer eine Waffe bei mir getragen und Schießtraining genommen. Bevor RAF-Terroristen mich erschossen hätten, hätte ich selber zwei umgelegt.

Das klingt martialisch.

Diese ständige Bedrohung konnte einen fast zermürben. Nach der Beerdigung von Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto saß ich mit Hanns Martin Schleyer in meinem Auto. Er schaute mich an und sagte: "Und wer wird der Nächste sein?" Kurz danach wurde er entführt und ermordet.

Was halten Sie von der Großen Koalition?

Sie ist eine Notwendigkeit. Da werden keine Froschschenkel verspeist, sondern Kröten geschluckt. Angela Merkel habe ich unterschätzt, sie ist eine kluge Frau.

elchen Rat würden Sie ihr geben?

Alle Kraft daran zu setzen, Arbeitsplätze zu schaffen. Ich weiß, wovon ich spreche: Mein ältester Sohn ist Insolvenzverwalter. Er hat Vollbeschäftigung.

Interview: André Groenewoud

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