Szenarien So könnte Hessen regiert werden

  • von Sebastian Christ
  • und Hans Peter Schütz
Hessens SPD-Spitzenkandidatin Ypsilanti hat aufgegeben. Und nun? stern.de zeigt zwei mögliche Szenarien, die in den Hinterzimmern diskutiert werden. Erstens: Koch bleibt geschäftsführend im Amt. Zweitens: Die Grünen fallen um, weil die CDU Petra Roth nominiert.

Variante 1: Koch bleibt als geschäftsführender Ministerpräsident im Amt

Von Sebastian Christ

Angenommen, Roland Koch wäre Hausmeister an einer Schule. Dann wäre der Hof wahrscheinlich gründlich gefegt, die Hecken gestutzt und die Wände des Gebäudes strahlten im reinsten Alpinaweiß. Was würde aber wohl passieren, wenn diese Schule einen neuen Direktor bekäme? Einen, der die Wände in Regenbogenfarben streichen lässt, der die Kehrmaschine gegen ein Spielemobil eintauscht und der die gestutzte Hecke in ein Erlebnisbiotop verwandelt? Könnte sich der Hausmeister Roland Koch gegen die Entscheidungen des Direktors wehren? Eben.

Der hessische CDU-Vorsitzende hat einen ganzen Sack voll Probleme, wenn er als "geschäftsführender Ministerpräsident" weiter im Amt bliebe. Dieses Szenario basiert auf einem Konstrukt, das in der hessischen Verfassung verankert ist. Danach bleibt der alte Ministerpräsident im Amt, so lange kein neuer gewählt wird. Das soll Stabilität garantieren, hat aber einen gewaltigen Haken: Der alte Regierungschef muss sich mit den neuen Mehrheitsverhältnissen im Landtag arrangieren. Und in Hessen haben nun einmal die linken Parteien mehr Abgeordnete als CDU und FDP.

Als historisches Vorbild wird dieser Tage immer wieder Holger Börner genannt. In der Tat amtierte der Sozialdemokrat von September 1982 bis Juni 1984 als geschäftsführender Ministerpräsident ohne eigene Mehrheit. Allerdings konnte er bei vielen Projekten auf die Zustimmung der Grünen zählen, mit denen er zusammen eine rechnerische Mehrheit im Parlament hatte. Folgerichtig ließ er sich nach den Neuwahlen ganz offiziell von der Öko-Partei tolerieren und bildete 1985 sogar mit ihnen die erste rot-grüne Koalition auf Länderebene.

Im Jahr 2008 ist alles anders. Roland Koch sieht sich ab April einer linken Mehrheit im Landtag gegenüber, die dazu auch noch über einige inhaltliche Gemeinsamkeiten verfügt. Die klassische Gewaltenteilung könnte in Hessen ihre bundesweit bisher buntesten Blüten treiben. Als Kopf der Exekutivgewalt müsste Koch Gesetze ausführen, die ihm eine "feindlich" gesonnene parlamentarische Mehrheit vorlegt. Ein sehr wahrscheinliches Beispiel: Kurz nach Beginn der Legislaturperiode lässt die Linkspartei über die Abschaffung von Studiengebühren abstimmen. Die SPD ist dafür, die Linke und auch die Grünen – also eine Mehrheit im Landtag. Koch wäre gezwungen, sein eigenes Gebührengesetz zu annullieren. Ähnliches ist denkbar bei Fragen der inneren Sicherheit oder Wirtschaftspolitik.

Da stellt sich doch die Frage: Wie lange würde Roland Koch unter diesen Bedingungen wohl Hausmeister bleiben wollen?

Variante 2: Petra Roth (CDU) führt als Ministerpräsidentin eine Jamaika-Koalition

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Von Hans Peter Schütz

In Berlin wird vieles ventiliert, unter anderem auch dieser Vorgang: Dem Rückzug von Ypsilanti waren überaus dezente Sondierungen vorangegangen - zwischen den hessischen Grünen, der grünen Parteispitze in Berlin, der Wiesbadener CDU sowie dem Kanzleramt. Danach gingen die Grünen vorsichtig auf Distanz zu dem Plan, Ypsilanti mit den Stimmen der Linkspartei durchzusetzen. Aus zwei Gründen: Erstens sei es "sehr riskant" darauf zu vertrauen, dass die SPD-Fraktion tatsächlich vollzählig für Andrea Ypsilanti stimmen würde - eine Befürchtung, die sich just durch den Fall Dagmar Metzger bestätigt hat. Sollte Ypsilanti durchfallen, wären auch die Grünen beschädigt, sie würden als "Komplizen des Wortbruchs" gelten. Zweitens gewann der Gedanke an Boden, dass die Linkspartei möglicherweise nur an einer Falle für die SPD bastle. Sollte Ypsilanti bei der Wahl scheitern, wäre auch SPD-Chef Kurt Beck schwer beschädigt und müsse eventuell zurück treten, was wiederum das Chaos in der SPD verschlimmere und künftige Wahlchancen der Linkspartei verbessere.

Dieses Szenario führte zu der Überlegung, ob eine Jamaika-Koalition von CDU, FDP und Grünen nicht doch vermittelbar sei - vorausgesetzt, Roland Koch stelle sein Amt zur Verfügung. Als Ministerpräsidentin einer solchen Bündnisses wäre die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth denkbar. Sie regiert in Frankfurt seit längerem problemlos mit einer schwarz-grünen Koalition. Sondierungen bei der Berliner Grünen-Führung ergaben, dass dieses Szenario akzeptabel sei. Roland Koch könne bei dieser Variante als Fraktionsvorsitzender der CDU im Landtag fungieren und sei somit weiterhin an der Macht unmittelbar beteiligt. Auch das Kanzleramt, soll hierzu seinen Segen gegeben haben, da eine solche Lösung in Hessen auch die Option auf eine vergleichbare Lösung nach der Bundestagswahl 2009 eröffne.