Frau Keller, können Sie noch Mozart hören?
Kann man von Mozart je genug bekommen? Na ja, die "Königin der Nacht" habe ich mittlerweile über. Aber ich leide noch nicht an einer Überdosis "Don Giovanni". Ich höre die Musik jedes Mal anders.
Sie haben im vergangenen Jahr mit großem Erfolg an der New Yorker Met den "Don Giovanni" inszeniert. An welcher Oper arbeiten Sie derzeit?
Es stehen wieder interessante Projekte an, aber ich möchte dazu noch nichts sagen.
Wie kamen Sie überhaupt an die Met?
Musik war für mich wichtig, seit ich mit sieben Jahren eine Ballettausbildung anfing. Als ich in den 80er Jahren in Salzburg die Buhlschaft im "Jedermann" spielte, fragte mich der Dirigent Seiji Osawa, ob ich nicht eine Rolle in Arthur Honeggers Oratorium "Johanna auf dem Scheiterhaufen" übernehmen wollte. Danach kam ein Regieangebot aus Straßburg. Ich glaubte, das nicht zu können, und lehnte ab. Doch Rudolf Berger, damals Operndirektor in Straßburg, blieb hartnäckig und bot mir sechs Jahre später an, Francis Poulencs "Dialog der Carmeliterinnen" zu inszenieren. Die Oper wurde ein großer Publikums- und Kritikererfolg. Danach kamen viele Angebote, die ich alle ablehnte.
Aber dann kam Plácido Domingo.
Ja. Es war kurz nach den Anschlägen des 11. September 2001. Er fragte, ob ich in Washington die Regie zu Donizettis "Lucia di Lammermoor" führen wollte. Ich sagte zu; nach der Katastrophe wollte ich weg von New York. Aber dann bot mir Met-Chef Joseph Volpe den "Don Giovanni" an. Natürlich war es ein großes Risiko, die Regie zu übernehmen. Ich dachte oft, dass alles schief gehen würde. Aber es ging nicht schief, und das hat mich sehr glücklich gemacht.
Zur Person
Marthe Keller, 60, begann mit sieben Jahren eine Ballettausbildung; die Tanzkarriere musste sie wegen eines Skiunfalls aufgeben. Nach dem Schauspielunterricht folgten Theater-Engagements in Berlin, Paris, Salzburg. Ab 1966 erste Filmrollen, Mitte der 70er ging sie nach Hollywood. Marthe Keller spielte in rund 60 internationalen TV- und Kinofilmen. Sie lebt abwechselnd in New York und Paris. Vater ihres Sohnes Alexander ist Regisseur Philippe de Broca.
Sie wollten nie Schauspielerin werden. Dafür haben Sie es weit gebracht!
Man bringt es doch nicht immer weit, nur weil man etwas will! Bei mir war alles Zufall. Ich wollte eigentlich Tänzerin werden, doch nach einem Skiunfall mit 16 Jahren platzte der Traum. Also ging ich im Basler Stadttheater einfach ein Stockwerk höher, wo die Schauspieler waren, sprach vor und bekam ein Stipendium nach München für die Schauspielschule. In meiner ersten Rolle in Heidelberg hagelte es für mich nur Verrisse, ich wurde gefeuert. Nachdem ich mich erfolglos bei Provinztheatern beworben hatte, fuhr ich als Anhalterin nach Berlin und rief auf gut Glück beim Schiller-Theater an. Dort bat man mich vorzusprechen, und ich wurde sofort engagiert.
Sie haben später mit Regisseuren wie Billy Wilder, John Schlesinger, Claude Lelouch und Sydney Pollack gedreht. Hatten Sie einen Favoriten?
John Schlesinger habe ich geliebt; ein sehr begabter und guter Mann. Ich hatte das Glück, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die talentiert und menschlich wunderbar waren. Zu meinen Filmpartnern gehörten Größen wie Marlon Brando, Dustin Hoffman, John Gielgud oder Laurence Olivier. Ich hatte wohl mehr Glück als Verstand.
Mit Ihrem Filmpartner Al Pacino waren Sie sogar liiert. Haben Sie noch Kontakt zu ihm?
Wir haben sieben Jahre zusammengelebt. Wir sehen uns regelmäßig, telefonieren täglich. Als wir zusammen waren, war es ein Albtraum. Doch heute sind wir die besten Freunde.