Der frühere Postbeamte war jahrelang der erfolgreichste Kabarettist der deutschsprachigen Schweiz. Mit seinen Programmen, alle im Fernsehen ausgestrahlt, tourte er auch durch ganz Deutschland STERN: Sie kommen gerade aus New York zurück, wo Sie seit 1993 gelebt haben. Was assoziieren Amis beim Stichwort Schweiz außer Nazigold, Rotes Kreuz und Käse?
EMIL: Nicht mal über Nazigold wissen viele Bescheid. Wenn sie in der Schweiz im Urlaub waren, kennen sie die Landschaft, die Berge, und sie wissen, daß wir tolle Uhren machen. Der Käse kommt später.
STERN: Emil, den 'berühmtesten Schweizer seit Wilhelm Tell', kennen die nicht?
EMIL: Neeeiiiin.
STERN: Sind Sie deshalb dorthin geflohen?
EMIL: In der Schweiz hatte ich 100000 Eltern, und Eltern wollen immer wissen, was man macht und ob man's richtig macht. Ich mußte mich einfach losreißen und untertauchen.
STERN: Wie lebt es sich als Nobody in New York?
EMIL: Wunderbar, ich konnte mich frei bewegen, ins Museum und ins Kino gehen. Wenn ich hier im Theater bin, starren mich die Leute an, dort konnte ich sie ungestört beobachten, wie sie am Broadway mit ihren Limos vorfahren.
STERN: Waren Sie auch im legendären 'Studio 54'?
EMIL: Klar, aber als ich drin war, merkte ich, daß es keine Disco mehr ist, sondern ein Striplokal...
STERN: ...und haben auf dem Absatz kehrtgemacht?
EMIL: Wieso denn? Die amerikanischen Frauen, die diesen Beruf ausüben, sind wirklich schöne Frauen, hä! Und sie können singen, tanzen, schauspielern - phänomenal. Ich war auch im 'Limelight', dieser ehemaligen Kirche, in der getanzt wurde. Für mich als ehemaligen Ministranten war das schon verrückt.
STERN: Wenn's so schön war, warum sind Sie dann zurückgekommen?
EMIL: Kaum war ich dort, wollte das Fernsehen eine Sendung über mich machen, Zeitungen wollten Kolumnen, eine Galerie bat mich für eine Ausstellung mit Promi-Fürzen um einen Beitrag, den ich in ein Fläschchen füllen sollte. Am Schluß war's so wie damals in der Schweiz, da konnte ich auch wieder heimgehen.
STERN: Demnach ist Ihr Plan, sich völlig abzumelden, gescheitert.
EMIL: Nein, es war trotzdem wahnsinnig toll. New York ist eine einmalige Stadt. Außerdem habe ich meine Partnerin Niccel dort kennengelernt. Wir hatten schon seit Jahren Briefkontakt, aber erst als sie mich in New York besuchte, hat's richtig gefunkt.
STERN: 1987 war Ihr letzter 'Emil'-Auftritt. Hat man versucht, Sie noch mal auf die Bühne zu locken?
EMIL: Bis heute. Bei der Hebammen-Vereinigung sollte ich auftreten und in Firmen. Auch die Schweizer Post lud mich zu ihrem Jubiläum ein, die dachten, da kann er als ehemaliger Postler nicht nein sagen.
STERN: Gibt es einen Betrag, bei dem Sie schwach werden?
EMIL: Nein, nein, nein. Ich habe auch viel Werbung geschrieben, zum Beispiel den Melitta-Mann. Da wurden fast Millionenbeträge offeriert, damit ich mein Gesicht zeige. Aber ich habe immer widerstanden.
STERN: Warum eigentlich?
EMIL: Ich habe den Emil 20 Jahre gemacht. Wenn ich es heute wieder täte, würde ich nicht mehr den gleichen Charakter spielen, und das möchten die Leute nicht, die wollen den alten Emil. Ich genieße jetzt die Freiheit, andere Dinge zu tun.
STERN: Was denn?
EMIL: Zu leben, unsere Wohnung am Genfer See zu nutzen, in die wir bald ziehen, der Kreativität freien Lauf zu lassen. Konkretes kann ich noch nicht sagen, irgendwas wird uns packen.
STERN: Gerade ist Ihr Buch 'Wahre Lügengeschichten' erschienen. Wieviel von dem, was Sie uns jetzt erzählt haben, ist wahr?
EMIL: Ich bin kein Lügner: 110 Prozent.