Der Durchgang durchs Brandenburger Tor ist versperrt, Unter den Linden patrouillieren Uniformierte, vor der naheliegenden russischen Botschaft leuchtet ein überdimensionaler roter Ball. Nein, Berlin wurde nicht von Kommunisten eingenommen, die Hauptstadt befindet sich fest in der Hand der Mode. Models, Designer, Journalisten, Promis und Politiker haben sich versammelt zur Berliner "Fashion Week", zur ersten deutschen Modewoche, auf der internationale Designer in elf Schauen ihre Kollektionen präsentieren. Symbolträchtig führt der 50 Meter lange Laufsteg durchs Berliner Wahrzeichen, wohl abgeschirmt und überdacht von hunderten Quadratmetern Zelten und Containern. Die Schaulustigen können nur die Schönheiten des roten Teppichs, nicht aber die des Catwalks bewundern - Zutritt nur mit persönlicher Einladung.
"Diese Bilder werden um die Welt gehen", hatte Berlins Regierender Bürgermeister und aktiver Förderer der Kreativen Klaus Wowereit am Nachmittag prophezeit. Eva Padberg, ostdeutsches Vorzeigemodel, und Michael Michalsky, aufsteigender Designer, standen Wowereit bei der offiziellen Eröffnungszeremonie zur Seite. Leider gerieten diese ersten Fotos alle andere als glamourös, was nicht zuletzt am traurigen Berliner Regenwetter lag. Bei so trüben Aussichten muss der Glanz eben woanders herkommen, idealerweise beigesteuert von internationaler Prominenz. Andie MacDowell und Heidi Klum, Boris Becker und Lewis Hamilton sollen auf der Gästeliste der Berliner Fashion Week stehen und den Ruf als Modestadt in die weltweiten Gazetten tragen.
Ein Herz für Berlin
Denn seit Berlin seine angesagte Modemesse "Bread & Butter" an Barcelona verloren hatte, fehlte es den kreativen Schneidern an einer deutschen Plattform. Es brauchte schon einen finanzkräftigen Veranstalter wie die Agentur IMG, die bereits die Modewochen in New York und Los Angeles organisiert, um die Hauptstadt aus ihrem Dornröschenschlaf zu wecken. 2,5 Millionen Euro lässt sich die US-Vermarktungsagentur den Versuch kosten, Berlin auf den Bildschirm der Modewelt zu bringen. Und die Konkurrenz scheint übermächtig: Mit Paris, Mailand und London hat Europa bereits drei renommierte Modewochen, die mindestens zweimal im Jahr internationale Designer und Einkäufer anlocken. Da braucht es schon etwas Überzeugungskraft, um große Namen weg von Seine, Lambro und Themse an die Spree zu ködern - auch ein Schuss Patriotismus kann nicht schaden.
Bei den bekanntesten deutschen Designern hat es nicht gewirkt: Weder Karl Lagerfeld, noch Wolfgang Joop zeigen ihre Kollektionen in Berlin. Stattdessen darf das geladene Publikum Kleider von Sisi Wasabi, Strenesse, Puma und Michael Michalsky bewundern, gestalterische Höhepunkte werden von Vivianne Westwood erwartet, die ihre Zweitlinie Anglomania präsentiert. Die Ehre der Eröffnungsshow jedoch wurde einer deutschen Marke zuteil: Hugo Boss. Und das süddeutsche Unternehmen nutzte die Gelegenheit um auf der Straße Unter den Linden seine Duftmarken in Form von roten Punkten zu setzen: Promoter in roten Overalls mischten sich unter die Touristen; von weither leuchtete der rote Markenpunkt aus dem Innenhof der russischen Botschaft, wo die After-Show-Party stattfinden sollte.
Rote Armee als Eskorte
Doch zunächst durften die Gäste eine Modenschau erleben, deren Promi-Dichte größer war als erwartet. Neben Klaus Wowereit waren Jan-Josef Liefers, Veruschka von Lehndorff und auch das hochschwangere Model Franziska Knuppe gekommen. Für den nötigen Glamour sorgten die Überraschungsgäste aus Hollywood: Mischa Barton, Christina Ricci und Rupert Everett. Berlins Gerüchteküche hatte in den letzten Tagen bereits eifrig über ihr Erscheinen diskutiert. Auf dem roten Teppich vor den weißen Showzelten ließen sich die US-Gäste allerdings nicht blicken. Sie huschten fern des Blitzlichtgewitters durch einen Hintereingang zu ihren Plätzen in der ersten Reihe. Von dort aus, nur wenige Meter von den Säulen des Brandenburger Tors entfernt, verfolgten sie, wie Models in weißen, luftigen Kleidern über den Laufsteg schritten.
Den Höhepunkt der Hugo-Show bildete das Ende. Nach dem Motto "East meets West" gruppierten sich nach dem Abgang der letzten Models etwa 100 Statisten in Zweierreihen auf dem Catwalk. Es waren die Overall-Träger, bewaffnet mit pinkfarbenen Leuchtstäben. Wie eine rote Armee begleitete der Tross die über 800 Gäste zur anschließenden Aftershowparty in der Russischen Botschaft. Für die nächsten Tage hat die Mode das Regiment in der Hauptstadt übernommen.