Eine unscheinbare Kiste ist oft der Start für eine gute Geschichte. So auch in einem aktuellen Fall, den der Uhren-Blog "Fratello Watches" kürzlich veröffentlicht hat. Denn diesmal gehörte die Kiste, in der sich eine alte Rolex befand, offenbar einem australischen Soldaten. Entdeckt hat sie demnach ein 20-Jähriger Geschichtsstudent namens Oliver beim Stöbern auf der Kleinanzeigen-Plattform Gumtree.
"Kaputte Rolex" gehörte offenbar einer "Rat of Tobruk"
Viele Anhaltspunkte, was er da kauft, hatte Oliver nicht. In der Anzeige habe es nur geheißen "kaputte Rolex", dazu gab es zwei schlechte Fotos einer sehr alten Uhr. "Ich dachte, ich gehe das Risiko ein und lasse es mir schicken", erklärt er den Spontankauf gegenüber "Fratello Watches". Denn auch wenn die Qualität der Bilder schlecht war, ahnte Oliver anhand der spärlichen Informationen, dass die Uhr einem Soldaten der sogenannten "Rats of Tobruk" gehört haben könnte – und damit im Zweiten Weltkrieg zum Einsatz kam.
Tatsächlich stellte sich raus, dass die Uhr einem gewissen Eric Prince gehörte – das steht zumindest auf dem Gehäuseboden der alten Rolex. Prince war nachweislich an der Belagerung von Tobruk beteiligt. Er war Teil des 2/3rd Anti-Panzer-Regiments der australischen Armee und damit tatsächlich ein Teil der "Rats of Tobruk", deren Namen sich ursprünglich der irisch-US-amerikanische Propaganda-Rundfunksprecher William Joyce alias "Lord Haw-Haw" als abwertende Bezeichnung für die Feinde des Dritten Reiches ausgedacht hatte. "Rats" deshalb, weil sich die belagerten Soldaten in Tobruk ein Netz von unterirdischen Stellungen eingerichtet hatten und daher geringschätzig mit den Nagern verglichen wurden.
Die Australier reklamierten den Namen allerdings für sich und entwarfen ihre inoffizielle Medaille mit dem Bild einer Wüstenratte. Ein Mosaik im Queen's Park im australischen Mackay zeigt das Emblem noch heute. Das Motto lautete "No surrender" ("keine Kapitulation"). Für die "Ratten von Tobruk" gibt es in ganz Australien zahlreiche Gedenkstätten.
Die Belagerung von Tobruk gilt als einer der wichtigsten Einsätze für die australische Armee im Zweiten Weltkrieg und hatte ernste Auswirkungen für die Nazis unter Generalfeldmarschall Erwin Rommel, dem "Wüstenfuchs". Durch die erfolgreiche Verteidigung der Stadt konnten die Alliierten den Achsenmächten empfindliche Panzerverluste zufügen und denen schnellen Vorstoß Rommels nach Ägypten verhindern.
Auf der Wikipedia-Seite der Einheit von Eric Prince soll man den jungen Soldaten sogar sehen können, ist sich Oliver sicher. Das Foto, auch ein Teil dieser Galerie, zeigt ihn mit einer Uhr am Handgelenk. Der heutige Besitzer ist sich sicher: Das muss die alte Rolex sein, die kurz nach seiner Ernennung in den Besitz des Sergeants kam. Ob er sie gekauft hat oder ob es ein Geschenk war, lässt sich heute leider nicht mehr sagen.
Im Laufe des Zweiten Weltkriegs erhielt Prince insgesamt neun Medaillen, geht aus Dokumenten des australischen Nationalarchivs hervor. Für Oliver ist er damit "ein australischer Held", dessen Uhr offenbar viel erlebt hat.
Rolex im Zweiten Weltkrieg
Die Rolex selbst gehört derweil eher nicht zu den gesuchten Klassikern, die immer wieder Rekordpreise bei Auktionen holen. Das sind meist Uhren ab 1950, also "Submariner", "GMT-Master" oder die 1963 erstmals vorgestellte "Daytona". Die Rolex von Eric Prince gehört noch zu den eher unbekannteren Modellen der Anfangszeit. Es handelt es sich um ein Modell mit Handaufzug, auch fehlt der Schriftzug "Oyster" auf dem Zifferblatt, der den wasserdichten Modellen vorbehalten ist, die Rolex zur weltweiten Bekanntheit verhalfen.
Immerhin: Die Uhr ist für das, was sie erlebt hat, in einem tadellosen Zustand. Da es sich bei dem Rolex-Prima-Werk mit 15 Rubinen um ein einfaches Modell handelt, dürfte auch die Instandhaltung kein Problem sein.
Rolex ist bekannt dafür, im Zweiten Weltkrieg eine beliebte Uhrenmarke gewesen zu sein. Es heißt, insgesamt habe die Manufaktur über 3000 Zeitmesser an die Alliierten geliefert. Die modernsten Modelle waren damals schon wasser- und staubdicht und durch ihre leicht radioaktiven Zeiger auch bei Dunkelheit ablesbar. Auch der Kundenservice spielte tatsächlich eine Rolle, denn Firmengründer Hans Wilsdorf hatte sich für britische Soldaten eine Besonderheit ausgedacht. Als bekannt wurde, dass die Deutschen den Kriegsgefangenen ihre Uhren stahlen, ordnete er an, dass man eine Rolex erst dann bezahlen müsse, wenn man damit aus dem Krieg auch wieder zurückkommt. Ging sie verloren, nahm das Unternehmen den Verlust in Kauf.
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