Musikspektakel ESC 2026: Israel bleibt dabei - mehrere Länder boykottieren

Nach monatelangem Streit steht einer Teilnahme Israels am nächsten Eurovision Song Contest (ESC) in Wien nichts im Weg. (Symbolb
Nach monatelangem Streit steht einer Teilnahme Israels am nächsten Eurovision Song Contest (ESC) in Wien nichts im Weg. (Symbolbild) Foto
© Harald Schneider/APA/dpa
Israel darf am Eurovision Song Contest 2026 teilnehmen - aber zu welchem Preis? Unmittelbar nach der wegweisenden Entscheidung der Europäischen Rundfunkunion kündigen mehrere Länder einen Boykott an.

Nach monatelangem Streit um die Teilnahme Israels am Eurovision Song Contest 2026 haben sich die Unterstützer um Deutschland durchgesetzt. Der weltbekannte Musikwettbewerb wird im kommenden Jahr in Wien dennoch anders sein: Die übertragenden Sender mehrerer Länder um die Schwergewichte Spanien und Irland kündigten wegen Israels Vorgehen im Gaza-Krieg einen Boykott an.

Eine Beteiligung Irlands am ESC sei "angesichts des entsetzlichen Verlusts von Menschenleben in Gaza und der humanitären Krise dort" unzumutbar, teilte der Sender RTÉ mit. Der Präsident des spanischen Senders RTVE, José Pablo López, sagte, die Entscheidung zur Teilnahme Israels bestätigte, dass es sich nicht um einen Musikwettbewerb handele, sondern um ein Festival, das von geopolitischen Interessen dominiert werde.

Die Spanier gehören wie Deutschland, Großbritannien, Italien und Frankreich zu den fünf wichtigsten Geldgebern der Veranstaltung, die am 16. Mai 2026 von dem österreichischen Sender ORF organisiert wird. Das Motto des 70. ESC-Finales steht unter dem Motto "United by Music" - vereint durch Musik. Neben Spanien und Irland kündigten aber auch die Niederlande und Slowenien einen Boykott an.

Mehrheit der Teilnehmersender für Teilnahme Israels

Unmittelbar zuvor hatte in Wien die Mehrheit der Mitgliedssender einer Änderung der Abstimmungsregeln zugestimmt, wie die Europäische Rundfunkunion (EBU) mitteilte. Dies bedeute auch, dass alle Länder an dem Musikwettbewerb teilnehmen könnten, die das wünschten.

"Wir freuen uns auf die Teilnahme am ESC 2026 als Fest für Kultur, Vielfalt und Zusammenhalt", hieß es kurz nach der Bekanntgabe vom für Deutschland beim ESC federführenden Südwestrundfunk (SWR). Die ARD habe sich im Rahmen der Abstimmung aus Überzeugung für die Regelungen zum erweiterten Schutz des ESC ausgesprochen. Die Maßnahmen zielten darauf ab, die Transparenz, Neutralität und Fairness in den Abstimmungs- und Organisationsprozessen zu festigen. 

"Die Absagen einzelner EBU-Mitglieder für den ESC 2026 bedauern wir außerordentlich, respektieren aber selbstverständlich die Entscheidungen der jeweiligen Sender", hieß es in der Mitteilung weiter. 

Veranstalter hält ESC für unpolitisch

Die Veranstalter um die EBU in Genf betrachten den ESC als unpolitisches, künstlerisches Ereignis. Da sei "jede Form der Ausgrenzung, jede Form von latentem Antisemitismus und jede Form von Boykott Fehl am Platze", hatte Weimer gesagt. Allerdings hatten längst insbesondere die Spanier und Iren ihre Boykottpläne veröffentlicht. Beim ESC entsenden die öffentlich-rechtlichen Sender eine Musikgruppe, eine Künstlerin oder einen Künstler für ihr Land.

Ein immer wieder vorgebrachtes Argument der Kritiker ist der Vergleich zu Russland. Nach dem Einmarsch in die Ukraine ist das Land vom Eurovision Song Contest in Turin 2022 ausgeschlossen und seither nicht mehr zurück in den Kreis der Teilnehmerländer aufgenommen worden. "Wir dürfen keine doppelten Standards in der Kultur zulassen", hatte zum Beispiel zuvor Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez mit Blick auf Israel und Russland gesagt.

Israel begrüßt Entscheidung

In Israel begrüßte Staatspräsident Izchak Herzog die Entscheidung für eine Teilnahme Israels ausdrücklich. "Israel verdient es, auf allen Bühnen der Welt vertreten zu sein", schrieb Herzog auf der Plattform X. "Ich freue mich, dass Israel wieder am Eurovision Song Contest teilnehmen wird."

Israels Staatspräsident bedankte sich zudem bei Israels Freunden, die sich für das Recht des Landes starkgemacht hätten, weiter bei dem Wettbewerb dabei sein zu können. "Diese Entscheidung zeigt Solidarität, Verbundenheit und Zusammenarbeit", schrieb Herzog. Der israelische Außenminister Gideon Saar sagte am Abend, er schäme sich für die Länder, die sich dazu entschlossen hätten, den Musikwettbewerb wegen der Teilnahme Israels zu boykottieren.

Seit Beginn des Gaza-Krieges 2023 überschattet der Nahost-Konflikt den erklärt unpolitisch konzipierten ESC. Sowohl beim Wettbewerb in Malmö 2024 als auch in Basel 2025 gab es israelkritische Demonstrationen auf den Straßen und vereinzelt auch Pfiffe und Buhrufe im Saal gegen Israels Acts. Auslöser des Gaza-Kriegs war das Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023. Seit dem 10. Oktober gilt eine Waffenruhe zwischen Israel und der Terrororganisation.

Harmonieoffensive von EBU und ORF blieb erfolglos

Die EBU und auch der ORF als Gastgeber hatten in den vergangenen Wochen zahlreiche Gespräche geführt, um Boykotte zu verhindern. Eine der Kernbotschaften war, dass das größte Musikspektakel der Welt eine Veranstaltung von öffentlich-rechtlichen Sendern sei und nichts mit Politik zu tun haben sollte.

Welche Auswirkungen die Boykottankündigungen der Länder auf den Wettbewerb haben werden, ist noch ungewiss. Die Zahl der Teilnehmerländer variiert beim ESC jedes Jahr. Allerdings tobt die Debatte um Israels Teilnahme in mehreren Ländern. 

Der Eurovision Song Contest hat sich seit den Anfängen 1956 zu einem der kostspieligsten Live-Events Europas entwickelt. Neben den Ausrichtern vor Ort übernehmen die fünf größten ESC-Nationen einen Löwenanteil der Kosten. Deren Acts sind seit vielen Jahren jedes Mal automatisch für das Finale gesetzt.

Weitere Regeländerung nach 2025

Die EBU hatte zudem die Regeln für die Abstimmungen geändert. Das Publikum hat nun weniger Gewicht, die Rolle der Jury in den beiden Halbfinals und dem Finale wurde gestärkt. Das war eine Reaktion auf das Ergebnis des ESC 2025 in Basel. Dort hatte die israelische Sängerin Yuval Raphael durch extrem viele Stimmen aus dem Publikum Platz zwei belegt.

Der ORF hoffte zuletzt auf einen Rekord bei den teilnehmenden Sendern im kommenden Jahr. Er sei sehr optimistisch, dass das erreicht werde, sagt ORF-Intendant Roland Weißmann vor der Boykott-Entscheidung der Gegner. Laut EBU werden Länder wie Bulgarien, Rumänien und Moldau wieder dabei sein.

Nach dem Sieg des Countertenors JJ mit seinem Song "Wasted Love" in Basel fällt Österreich 2026 die Rolle des Gastgebers zu. 2025 verfolgten die Veranstaltung rund 170 Millionen Menschen am TV, außerdem wurden mehr als zwei Milliarden Social-Media-Kontakte gezählt.

dpa

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