Uhrenmanufaktur "Die Uhr für 5000 Euro, die einen Wert von 50.000 hat" – Was die japanische Uhrenmarke Grand Seiko ausmacht

Grand Seiko Uhrmacher
Für manche Arbeitsschritte müssen die Uhrmacher von Grand Seiko viele Jahre trainieren. Die sogenannte Zaratsu-Polissage kann daher nur in Japan durchgeführt werden. Besonders teure Uhren werden zudem nur von demjenigen gewartet, der sie auch gebaut hat.
© Grand Seiko / PR
Unter Kennern ist Grand Seiko seit Jahren eine feste Größe in der Uhrenwelt – und muss sich vor Platzhirschen wie Rolex und Omega nicht verstecken. Trotzdem ist die Marke vergleichsweise unsichtbar. Frédéric Bondoux, Grand-Seiko-Chef in Europa, verrät im Interview, wie er das ändern will.

Herr Bondoux, gehen wir einmal davon aus, dass viele Menschen, auch diejenigen, die sich für Uhren interessieren, nicht wirklich zwischen Seiko und Grand Seiko differenzieren – außer vielleicht beim Preis. Was unterscheidet die beiden Marken, die sich den Namen teilen?
Frédéric Bondoux: Um es kurz zu machen: Wir haben die gleiche Geschichte, aber nicht das gleiche Schicksal. Grand Seiko wurde 1960 dank Seiko geboren und war bis 2017 noch ein Teil der Seiko-Kollektion. Dann haben sich die Wege getrennt. Seiko bietet ein tolles Preis-Leistungs-Verhältnis, Grand Seiko hingegen legt den Fokus auf hohe Uhrmacherkunst und handwerkliche Exzellenz.

Das war aber doch immer schon der Kerngedanke, oder nicht?
Durchaus. Schon in den Sechzigern galt Grand Seiko als verhältnismäßig teuer und luxuriös, richtete sich also an die Aristokratie und Eliten in Japan. Das hat sich seit 2010, als Grand Seiko sich international aufgestellt hat, nicht geändert. 

Was macht denn in Ihren Augen eine Grand Seiko aus?
Grand Seiko steht vor allem für viel Handarbeit und echte Uhrmacherkunst. Handwerk und Tradition bedeutet den Japanern sehr viel – und Grand Seiko vereint das in seinen Uhren. Seiko hingegen ist ein qualitativ hochwertiges Massenprodukt, wo allerdings keine vergleichbaren Arbeitsstunden pro Uhr anfallen.

Grand Seiko Studio Shizukuishi_2
Das Grand Seiko Studio in Shizukuishi gibt den Blick auf die umliegende Bergwelt frei. Viele Zifferblätter der Marke thematisieren die japanische Natur. Der Ausblick ist also durchaus relevant für die Arbeit.
© Grand Seiko / PR

Wie viele Exemplare stellt Grand Seiko denn jährlich her?
Diese Zahl gebe ich nicht preis, aber es sind nur einige Zehntausend.

Noch vor wenigen Jahren galt Grand Seiko als ultimativer Insidertipp unter Uhrenkennern. Damals hieß es: Mehr Uhr bekommt man für sein Geld nicht. Inzwischen sind die Preise ganz schön gestiegen.
Das stimmt. Ich würde sagen, dass nach Einführung der neuen Uhrwerke auch die Preise gestiegen sind. Die Marke bewegt sich aktuell bei einem Durchschnittspreis von etwa 8000 Euro – das waren mal 5000. Was Grand Seiko diesbezüglich schwer zu schaffen macht, ist der Wechselkurs zwischen Euro und Yen

Lohnt es sich demnach eher, eine Uhr in Japan zu kaufen, sollte man ohnehin dort sein?
Unglücklicherweise stimmt das. Die Listenpreise in Japan sind nicht an den schwachen Yen angepasst und damit kosten die Uhren dort umgerechnet einige Tausend Euro weniger. Das lohnt sich finanziell selbst mit Zollgebühren und Einfuhrumsatzsteuer noch sehr. Unsere Kunden profitieren in Japan von der lokalen Herstellung – andere Uhren, etwa Schweizer Fabrikate, sind in Japan hingegen sehr teuer geworden.

Grand Seiko White Birch
Typisch Grand Seiko: Das Zifferblatt des Modells "SLGA009" ist der Rinde weißer Birke aus den Wäldern von Shinshu nachempfunden, im Innern arbeitet das Spring Drive Kaliber 9RA2. Der Hybrid aus Quartz- und mechanischem Uhrwerk sorgt nicht nur für äußerst präzise Gangwerte, sondern auch eine unterbrechungsfreie Zeigerbewegung.
© Grand Seiko / PR

Wo wir gerade von anderen Marken sprechen: Neben welchen großen Hersteller würden Sie Grand Seikos Qualität stellen – eher Rolex oder schon fast Patek Philippe?
Ich werde keine anderen Marken nennen, aber über Grand Seiko sagt man, dass es die Uhr für 5000 Euro ist, die einen Wert von 50.000 hat. Ich finde, das sagt viel darüber aus, wie unsere Uhren wahrgenommen werden. Das liegt sicher auch daran, dass viele Arbeitsschritte an einer Grand Seiko reine Handarbeit sind, was in der Schweiz doch recht selten geworden ist. Es ist aber keine Marke, mit der man angeben kann, wenn das die Frage war.

"Ist Grand Seiko vielleicht nicht sichtbar genug?"

Fast – die kommt nämlich eigentlich erst jetzt. Wie würden Sie jemanden von einer Grand Seiko überzeugen, der sich in einer Boutique eigentlich eher für Rolex oder Omega interessiert, weil es eben auch die Geschichten sind, die man kauft?
Dieser Kunde wird eine Rolex oder eine Omega kaufen, weil das vorher schon feststand. Grand Seiko richtet sich an Kunden, die offen für etwas anderes sind oder sich der japanischen Kultur verbunden fühlen. Was Technik und Qualität angeht, sind wir auf dem gleichen oder einem besseren Level, aber das Marketing der Schweizer ist wesentlich lauter.

Ist Grand Seiko vielleicht nicht sichtbar genug?
Wir arbeiten hart daran. Daher setzen wir künftig auf unsere eigenen Geschäfte oder Konzessionäre, die vergleichbare Marken führen. In Seiko-Boutiquen wird man Grand Seiko immer seltener antreffen.

Frédéric Bondoux
Frédéric Bondoux leitet das Europa-Geschäft von Grand Seiko seit vier Jahren. Zuvor arbeitete er bei Longines und Omega. Seine wichtigste Aufgabe: Grand Seiko sichtbarer machen.
© Grand Seiko / PR

Obwohl ja das Kronjuwel, das Spring-Drive-Uhrwerk, eigentlich eine Seiko-Erfindung ist und ich immer dachte, sowas hält die Häuser zusammen.
Seiko hat früh entschieden, dass das Spring-Drive-Werk den hochpreisigen Uhren vorbehalten bleibt. Das ändert sich auch nicht mehr. Die einmalige Verbindung zwischen den Vorteilen einer Quartz-Uhr mit der Faszination eines mechanischen Werks macht uns zu dem, was wir sind. In Europa machen Spring-Drive-Uhren etwas mehr als die Hälfte aller Verkäufe aus. Und das, obwohl wir auch wirklich tolle Quartzwerke und rein mechanische Uhren anbieten.

Nun hat Quartz in Deutschland ohnehin einen schweren Stand.
Das ist wohl wahr. Der Marktanteil unserer Quartz-Uhren in Europa liegt bei etwa 10 Prozent. Die restlichen 40 Prozent entfallen dann auf die mechanischen Uhren. In Japan sieht das sehr anders aus.

Dort mag man den als billig verschrienen Quartz?
Was den Marktanteil betrifft, liegen wir damit in der Heimat bei bis zu 25 Prozent. Dort versteht man eher, dass es auch bei batteriebetriebenen Uhren riesige Qualitätsunterschiede gibt – Quartz ist nicht gleich Quartz.

Was macht den Unterschied denn aus? Die Knopfzelle wird es nicht sein.
Es ist wie bei mechanischen Uhrwerken auch. Die Anzahl und Qualität der Teile variiert, das wirkt sich wiederum auf die Genauigkeit und Haltbarkeit der Uhren aus. Ein hochwertiges Quartz-Uhrwerk kann sogar sehr schön sein – das ist auch der Grund, weshalb wir selbst bei diesen Kalibern Glasböden einsetzen.

Wie gestaltet sich bei Ihrer Marke das Thema Wartung?
Das kommt drauf an. Vieles decken wir mit unserem Servicecenter in Rotterdam ab. Doch gerade wenn es um das Thema Polierung der Uhr geht, was bei uns als Zaratsu-Polissage bekannt ist, muss die Uhr nach Japan. Das können nur ganz wenige Uhrmacher, die dafür jahrelang trainiert haben. Bei den ganz hochwertigen Uhren geht das sogar so weit, dass wir nur den Uhrmacher an die Revision lassen, der sie ursprünglich gemacht hat. 

Dauert der Service dann nicht Jahre?
Bei einer normalen Einsendung für Japan reden wir von drei bis vier Monaten. So lange dauert die Revision bei manchen Schweizern auch – und das ohne den Transport nach Japan. 

Wie oft muss ich meine Grand Seiko zur Revision bringen?
Nur, wenn sie defekt ist. Ich habe da keinen festen Richtwert. Das muss am Ende jeder selbst wissen. Solange die Uhr läuft, kann man auch 15 Jahre und länger auf jeglichen Kontakt zu uns verzichten. Manche schicken ihre Uhren regelmäßig alle fünf bis acht Jahre ein.

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