Internationale Möbelmesse Ein Rundgang durch Design und Kitsch

Möbel, die wirkten wie Rockstars am Ende einer einjährigen Welttournee, teure Designer-Stücke und ein Hauch von Kitsch. stern.de präsentiert die neuesten Trends der Kölner Möbelmesse.

Möbel sind zum Wohnen da. Was aber genau tut man eigentlich, wenn man wohnt? Am Esstisch isst man. Im Bett schläft man. Ein Regal füllt oder leert man und lässt es ansonsten in Ruhe. Und auf dem Sofa? Lassen sich die Dinge verrichten, die nur noch wenig mit Tagespflichten zu tun haben. Kein Zwang mehr, nur noch fallen lassen. Man sollte nur aufpassen, dass man nicht zu tief fällt, und schon befinden wir uns mitten in einem Hauptthema der Internationalen Möbelmesse in Köln. Jeder Aussteller, der etwas Neues zu bieten hat (und das sind nun wirklich nicht alle, wie wir in dem Kapitel "Die Italiener" sehen werden), ließ seine Designer austoben lassen am guten alten Sofa.

Die Sofas

Am Stand von Walter Knoll werden nicht nur Rekordergebnisse (57 Millionen Euro Umsatz in 2006) präsentiert, sondern auch wandelbare Sofas. So wird die Couch zum Repräsentiermöbel Der Wohnstube. Wenn die Gäste dann weg sind und noch etwas Zeit zum Wohnen bleibt, kann man die beiden Sofaschenkel zusammenschieben, auf dass sich mitten im Raum eine Liegeinsel bildet, in der einen die Rückenlehnen umgeben, als befinde man sich in einem Laufstall. Wer wohnen will, muss demnach vorher aktiv werden: Eine herrliche Vorstellung, wie in den Bürgerzimmern des Landes Paare gemeinsam Sofaschenkel schieben.

Ähnlich wandelbar zeigen sich die neuen Sofas von Thonet. Der Unterschied: Beim Modell S 5000 schiebt man nicht, man steckt. Der britische Gestalter James Irvine, ein lustiger Kauz, der schon einen Drucker für Olivetti entwickelt hat und einen Stadtbus für Mercedes Benz, hat dem Klassiker auf Stahlrohrkufen einen Bastelsatz mitgegeben: Die Polsterelemente lassen sich umstecken zu Arm- oder Rückenlehnen, je nach bevorzugter Sitzhaltung. Bevor man sich also auf das S 5000 fallen lässt, sollte man genau hinschauen, an welcher Stelle die Polster gerade befestigt sind.

Kommen wir nun zum wohl größten neuen Sofa in Köln. Es ist gleich an mehreren Orten ausgestellt: Auf dem Messestand von Cor. Und in einem renommierten Möbelladen am Kölner Ring. Dummerweise kam es wohl am Vorabend der Messeeröffnung zu einer Straßenprügelei, bei der ein Schaufenster zu Bruch ging, weshalb das Sofa "Lava", so sein Name, in den ersten Tagen hinter einer großen Pappwand verschwand, die über das Loch im Glas geklebt wurde. Aber auch so lässt sich erkennen und feststellen: "Lava", gestaltet von dem Designerpaar "Studio Vertijet" aus Halle an der Saale, hat so gar nichts zu tun mit den eckigen Klassikern dieses Genres: Man sucht vergeblich nach einem rechten Winkel – die Fläche hebt und senkt sich. Das Sofa wirkt, als sei es in die Welt hineingeflossen, nicht hineingezimmert. Es lässt sich durch Nebenelemente so verändern, dass eine neue Form des dynamischen Sitzens (eine Funktion, die bislang eher den sehr unbequemenen Sitzmöbeln zugefallen war) erreicht wird: Jeden Tag eine neue Position. Paare, die sich gerade zerstritten haben, können das Sofa so konfigurieren, dass die Enden schließlich so weit voneinander entfernt sind, dass sich man fast aus den Augen verliert. Auch das ist Wohnqualität.

An vielen Messeständen, so auch bei Elmar Flötotto und Rolf Benz, wird den Interessierten ständig etwas vorgeklappt oder umgeschoben: Man möchte wirklich kein Möbelvorführer sein in diesen Tagen. Vor allem auch deshalb nicht, weil man sich dann solche Worte wie Sitzfalten (in Deutschland ein Reklamationsgrund, vor allem bei den Frauen), Formstrick (hilft gegen Sitzfalten), Sitztiefe (will man nun sitzen oder liegen?) und Kontrastnaht (gelber Stich auf blauem Leder) merken müsste. Bei so viel Wandelbarkeit wünscht man den Möbelkunden eine gefestigte Vorstellungskraft. Oder einen guten Einrichter, an den man diese Kraft outsourcen kann.

Kindermöbel

Vor ein paar Jahren kamen die Macher einer Frauenzeitschrift auf die Idee, ihr Heft in zwei Größen am Kiosk auszulegen: Einmal in Normalformat und einmal in Pocketgröße, damit das Heft in die Damentasche passe. So ähnlich denken nun auch die Möbelhersteller: Sie schrumpfen ihre Klassiker, auf dass sie nun auch ins Kinderzimmer passen. Die Firma Vitra hat im Weihnachtsgeschäft einen durchschlagenden Erfolg mit der Miniversion des Panton-Chairs gehabt, mehrere zehntausend Stück sollen ausgeliefert worden sein. Die Firma Fritz Hansen stellte zeitgleich einen Mini-Jacobsen in die Geschäfte. Und in Köln geht es munter weiter mit der Schrumpfung: Thonet bietet kleine Freischwinger an; Ligne Roset kleine Knautschstühle. Der Preisabstand zu den großen Originalen ist eher gering. Von daher sind diese Möbel ernsthaft nur solchen Käufern zu empfehlen, die ihren Kindern als Tretauto einen Porsche in den Garten stellen, damit sie den gleichen Wagentyp fahren wie Papa.

Schränke

Apropos teure Autos: Was man bislang aus Nobelwagen kannte, hat nun Einzug bei Schlafzimmerschränken gehalten – die Sonderausstattung. Die Kunden seien halt anspruchsvoller geworden, heißt es bei Interlübke, und dann bekommt man Schränke gezeigt mit eingebauter Entlüftung (spart das Raushängen des Anzugs auf den Balkon) oder Beduftung (auf Wunsch auch mit dem Lieblingsparfüm). Die Türen klappen nicht mehr einfach auf, sie schwingen. Im Inneren sind Schminkspiegel eingebaut oder Schmuckschubladen und Gürtelhalter. Das deutsche Ingenieurwesen: Auch vor dem Kleiderschrank macht es nicht halt. Die Messegäste aus Asien mussten am ersten Ausstellungstag freundlich, aber bestimmt darauf hingewiesen werden, dass sie sich mit ihren Digitalkameras nicht allzu sehr den Exponaten nähern sollten. Akute Kopiergefahr.

Die Italiener

Waren auch da. Mit Möbeln, die wirkten wie Rockstars am Ende einer einjährigen Welttournee. Bei Zanotta sind auf den gestapelten Glastischen einige Spuren dieser Welttournee zu sehen: Hier hat man wohl das Staubwischen vergessen. Das Neue kommt erst im April nach Mailand. Von dort dann mehr.

Lesen Sie auch bei unserem Partner zuhausewohnen.de:"Thonet Designerklassiker"

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