Bei einem Bauern", erklärte einst der Staatsmann Justus Möser, "muss die Notdurft der Zierde vorgehen." Bei einem Designer gilt in der Regel das Gegenteil: Er bastelt und bosselt unter dem Diktat der Schönheit.
Und deshalb finden
sich nicht nur unter den neuesten Produkten der Designwelt, sondern auch schon unter den Klassikern kolossale Staubfänger: Der "Wire Chair" von Charles und Ray Eames zum Beispiel oder die Hängeleuchten von Poul Hennigsen; Frank Gehrys "Cross Check"-Stuhl, ein Flechtwerk von Latten aus Ahornholz, sogar der Eiffelturm - sie alle überzeugen durch ihr Aussehen, aber in ihren Nischen, Winkeln, Ecken sammeln sie Fussel, Flusen, Krümel, Schmutz.
Jede Oberfläche habe Lust auf Staub, schreibt der Literaturnobelpreisträger Joseph Brodsky. In vorindustriellen Gesellschaften war dies ein leicht zu vernachlässigendes Problem: Was der Mensch besaß, das passte meist in eine Kiste. Erst seit wir voll möbliert und der Dekoration verfallen sind, ist das Putzen eine notwendige Aktivität geworden. Die Frage nach dem Staub stellt sich den Verantwortlichen trotzdem nicht. Aber so ist es eben: Maurer fegen keinen Mörtel weg, Klempner trocknen keine Pfützen, Designer scheren sich nicht um den Putzfaktor ihrer Werke. Wer tut es dann an ihrer Stelle?
Entertainer Harald Schmidt meint: "Weltfrauentag - das hieß früher Frühjahrsputz." Tatsächlich war die Hausfrauenehe bis zur Familienreform von 1977 gesetzlich verankert: Männer übernahmen den Erhalt der Familie, Frauen waren für Kinder zuständig, für den Haushalt - und seine Sauberhaltung.
Wesentliches hat sich daran bis heute nicht geändert. Nach wie vor fühlen sich 80 Prozent der deutschen Frauen für den Haushalt verantwortlich, bei den Männern sind es dagegen nicht einmal 50 Prozent. Sieben von zehn Frauen greifen mindestens einmal in der Woche zum Staubsauger, drei sogar fast täglich. Männer liegen lieber gemütlich auf de m Kanapee, als unter ihm nach Wollmäusen und Lurch zu jagen. Folglich ist das dringlichste Problem staubfangender Wohnaccessoires wohl gar nicht ihr Design, sondern die Männerwelt. Bereits aus der Frühzeit des Hausputzes ist der einleuchtende Ratschlag einer amerikanischen Hausfrau überliefert: "Wenn man einen gründlichen Hausputz vorhat", forderte sie im Jahre 1787, "ist das erste zu entfernende dreckige Ding der eigene Ehemann."
Dirk van Versendaal