Nie wieder... ... Promotaschen

Von Sebastian Hammelehle
Gestern Hui, heute pfui. Was in den 90ern ultimativ cool war, ist im Zeitalter von iPod und Co. nur noch peinlich: Promotaschen. Wer nicht aufpasst ruiniert sich sein Leben, zumindest aber sein Image in einer Welt, die keinen Platz hat für schlechten Geschmack.

Es wird Zeit, mal wieder eine Grundsatzdebatte zu führen. Und zwar über den Kapitalismus. Hätten sich die Menschen nicht für den Kapitalismus, sondern für einen ganz anderen -ismus entschieden, dann wäre die Post womöglich nie privatisiert worden. Man könnte wahrscheinlich keine Klingeltöne kaufen - aber noch immer in aller Selbstverständlichkeit das Wort Postbeamter benutzen. Und Promotaschen von O2 würde es auch nicht geben.

Die Vergiss-Mein-Nicht-Tasche

Die privaten Mobilfunkbetreiber sind eine Ausgeburt des Kapitalismus. Und Reklame ist es auch. Schon seit Urzeiten soll der Slogan wahr sein, der da sagt: "Wer wirbt, wird nicht vergessen." Nun scheint die Industrie davon auszugehen, dass die Menschheit extrem vergesslich ist: Warum sonst müsste man selbst die Hemdkragen von Sportlern mit Markennamen verzieren? Auf die Idee, solche Hemden zu Werbezwecken auch an die Allgemeinheit auszugeben, ist erstaunlicherweise noch keine Firma gekommen. Hier soll es weiterhin die gute alte Tasche tun. Nicht als simple Plastiktüte zwar, denn die hat in Zeiten von Hartz IV längst den Anstrich allerbitterster sozialer Deklassierung, sondern in Form der für, um das Wort einmal zu benutzen, "hip" gehaltenen DJ-Tasche.

Mit der pflegten in den Dancemusik-begeisterten 90er Jahren die Betriebsnudeln der Popwelt und deren weniger glamouröse Nachahmer ihren Status als Käufer von Vinyl-Maxis zu untermauern. Genau dafür waren die Taschen bemessen: Es passten Schallplatten hinein, ziemlich viele Schallplatten sogar. Und die hielt man damals für cooler als CDs. Gerne waren die Taschen mit den Logos von Plattenlabeln geschmückt - wer das richtige Label auf der Tasche hatte, stand gut da, auch wenn darin gar keine Platten verstaut waren, sondern nur zwei Tetrapackungen H-Milch.

Abstieg in den Durchschnitt

In den heutigen Zeiten des Downloads von Musikstücken haben die großformatigen Tragebehältnisse ihren ursprünglichen Zweck vollends verloren: Ein iPod Nano ließe sich schließlich, wenn es sein muss, in einem ausgerollten Strumpf vor der Witterung schützen. So vollzog sich der leise Abstieg der DJ-Tasche zur Festivaltasche: Auf Filmfestspielen und Entertainment-Messen wurden sie, bedruckt mit dem jeweiligen Logo - etwa der Musikmesse Popkomm - an jeden Besucher ausgegeben. Schließlich zogen andere Branchen nach: Auch die Internetanbieter und später die Mobilfunkbetreiber hatten eigene Taschen als Werbegeschenke. Cool war die Tasche da schon lange nicht mehr, sondern so durchschnittlich, wie ein Rucksack es in den 80ern war. Inzwischen kann man sogar bei der Sparkasse eine Promotasche im DJ-Format bekommen. Gänzlich bizarr erscheinen Großstadtbewohner, die mit einer Tasche in die U-Bahn steigen, auf der "Der Wixxer" geschrieben steht.

So ist die Promo-Tasche heute als vermeintlich jugendliches Accessoire Kennzeichen besonders jener, die auch sonst auf falsch verstandenen Individualismus setzen und dadurch um so spießiger wirken: stiefelförmige Kotletten, Hemden mit unförmigem Krägen, allzu gewollt geschnittene Schuhe (gerne schmal, spitz zulaufend und mit auffälligen Schmucknähten) und komisch geformte Brillen sind leider längst kein Privileg des Schlagersängers Guildo Horn mehr, sondern in ihrer gezähmten Version das Erkennungszeichen für den jüngeren deutschen Mittelstand geworden. Mit gutem Geschmack hat das nichts zu tun - und weltweit sind daran gerade jene als Deutsche zu erkennen, die besonders undeutsch und international zu sein glauben und gerade deshalb eine klassisch-elegante Aktentasche immer ablehnen würden: "Viel zu piefig!"

Der Preis ist das Image

Was aber ist modern an Umhängetaschen, mit denen man aussieht wie einer dieser Kleinwagen, deren Flanken mit Bannern von Optiker-Ketten oder Sonnenbankstudios zugeklebt sind? Es bewahrheitet sich einmal wieder ein Zentralsatz des Kapitalismus-Vordenkers Milton Friedman: "There is no such thing as a free meal" . Auf Deutsch würde er heute wohl sagen: Es gibt nichts umsonst, auch die Promotasche nicht. Sie selbst mag nichts kosten, der Preis des ästhetischen Schadens aber, den sie anrichtet, der ist noch nicht abzusehen.

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