Nur noch zehn ordentliche Mitglieder der Pariser Kammer der Couturiers zeigten bei den gerade beschlossenen Haute-Couture-Schauen ihre Kollektionen für Frühjahr und Sommer 2007. Damit sich für die vielen Journalisten und wenigen Kundinnen die Reise dennoch lohnt, bemüht sich die Kammer von Saison zu Saison intensiver um ein ordentliches Rahmenprogramm: Präsentationen von "geladenen" Jungdesignern, Boutique-Eröffnungen, Ausstellungen und aufwändige Diners hielten den Modetross trotz schwindender Couture-Häuser also auf Trab. Das lenkt aber trotzdem nicht davon ab, dass auch die letzten Überlebenden im Moment nicht so recht zu wissen scheinen, wo's denn nun wirklich hingehen soll mit dem I-Tüpfelchen der Luxusmode.
Natürlich: Für das Haus Christian Dior plünderte Designer John Galliano in gewohnter Manier seine Stofflager und begeisterte das erlesene, von bisher um die Tausend auf nun 300 Gäste geschrumpfte Publikum - auch das ein neuer Trend! - mit einer wahrhaft fantastischen Kollektion im XXL-Format: aufwändigste Roben im Geisha-Stil, spektakuläre Kopfbedeckungen und ein Make-up, welches allein schon einen halben Tag Arbeit erfordert, versetzten noch den letzten Modehaudegen in Verzückung, denn: so soll sie sein, die Haute Couture, die bis ins kleinste Detail perfektionierte Auslese höchster Schneiderkunst. Nicht umsonst darf sich nur Couturier nennen, wer in seinem Atelier mindestens 25 angestellte Näherinnen beschäftigt. Bei Dior sind es inzwischen über hundert.
Zwei Fragen blieben offen
Eine ordentliche Prise Glamour haftete auch der Show des Libanesen Elie Saab an: Bei den Januarschauen blickt traditionell Hollywood scharf nach Paris, es gilt die passende Robe "für Oscar" zu finden. Saab, der seinen Durchbruch mit Halle Berry's Robe für die Academy Awards hatte, vergisst das nie und bietet insofern stets eine Fülle funkelnder, glitzernder Abendkleider mit Steinchen und wenig Stoff am Rücken.
Insgesamt aber blieben bei den Schauen zwei Fragen offen, bei den einen: Wann soll ich das tragen? Und bei den anderen: Wo ist hier der Unterschied zur Prêt-à-Porter, also zu der Mode, die dann nicht ab zehntausend Euro aufwärts zu haben ist, sondern "schon" ab tausend?
Aus allernächster Nähe
Karl Lagerfelds Chanel-Kollektion beispielsweise war vom ersten bis zum letzten Outfit herrliche Couture-Arbeit, aber nur aus allernächster Nähe besehen. Von etwas weiter weg werden die ultrakurzen Minikleider verwechselbar mit der ebenfalls sehr schönen Kollektion von der Stange. Selbst eine Viktoria Beckham mag sich da im Publikum gefragt haben, ob's diesmal nicht vielleicht ein Kleid aus der Boutique auch tut.
Was wäre denn eine zeitgemäße Haute-Couture-Kollektion? Die von Riccardo Tisci für Givenchy wahrscheinlich auch nicht: die poetische, sehr sentimentale Kollektion aus bodenlangen Roben mit meterlangen Schleppen ist selbst "für Oscar" einen Tick zu theatralisch. Was tun mit einem Kleid, das nur auf die Opernbühne passt? Dasselbe gilt auch für die teilweise großartigen Kreationen von Christian Lacroix, denen es weder an Fantasie noch an Volumen mangelte…
Armanis Argumente
Nun kommt den französischen Couturiers einer zu Hilfe, der sich am liebsten auf einer kargen Vulkaninsel names Pantelleria aufhält: Giorgio Armani, der King des Ready-to-Wear, zeigte mit seiner Megashow am Mittwochabend den Pariser Kollegen, wie man Haute Couture ins dritte Jahrtausend übersetzt: Seine fünfte, Armani Privé genannte Couture-Kollektion strotzte vor modernem Luxus auf dem Punkt.
Messerscharfe Kostüme aus veredelten Männerstoffen ohne einen einzigen Knopf, sondern mit opulenten Strassbroschen als Verschluss, Maharadscha-artige Seidenbeinkleider mit absichtlichen Falten unter üppig bestickten Minikleidern, figurbetonte Hosenanzüge und leichte Abendkleider mit eingearbeiteten Schmuckstücken sind Armanis Argumente, warum es sich für die wohlhabende Kundin von heute eben doch noch lohnt, und warum es immer noch ein großer Unterscheid ist, sich für Couture oder für Prêt-à-Porter zu entscheiden. Und das nicht nur am Abend, sogar auch am Tag.