Parkour Himmelsstürmer

Von Christine Mortag
Sie scheuen weder Hürde noch Höhe: Vier Parkour-Springer zeigen beim Hindernislauf durch Paris die aktuelle sportliche Männermode.

Da, dieser mannshohe Zaun vor der Pariser Kirche Sacré-Coeur. Jeder andere würde außen herum gehen - Forrest nimmt den direkten Weg. Er konzentriert sich und springt aus dem Stand zwei Meter über das Hindernis hinüber. Forrest ("mein Künstlername") und seine Kollegen Stephane, Laurent und Williams Belle klettern wie Spiderman senkrecht an Häuserwänden hoch, hechten akrobatisch über Autos und Bushaltestellen. Sie springen über Geländer, Bänke, Mauern, von Dach zu Dach, mehr als vier Meter weit. Manchmal auch fünf oder zehn Meter in die Tiefe - im freien Fall.

Die vier sind Traceure, und das, was sie tun, heißt Parkour, die spektakulärste Art des Hindernislaufs. Ziel des Extremsports ist es, auf kürzestem Weg von A nach B zu gelangen und dabei alles, was einem an natürlichen und architektonischen Hürden in die Quere kommt, zu überwinden.

Das kann man so schwachsinnig wie S-Bahn-Surfen finden, doch für die Aktiven, von denen es auch bei uns etwa 2000 gibt, ist Parkour eine Philosophie. Und die lautet: Respekt zu haben vor der Gefahr und sich selbst. David Belle dagegen nennt es die effektivste Art, sich in der Großstadt fortzubewegen. Der Franzose hatte die Sportart Ende der 80er Jahre in den Betonwüsten der Pariser Vororte erfunden. Noch immer gilt der 34-Jährige als Guru des Parkour. Williams ist sein Cousin und kommt wie seine Kollegen aus den Banlieues von Paris. Früher waren sie Straßenkids ohne vollständige Schulausbildung, heute leben sie ganz gut vom Springen und Klettern, arbeiten als Parkour-Trainer, werden für Werbeaufnahmen oder Stunts beim Film gebucht.

Der britische Fotograf Andy Day näherte sich dem Sport von der intellektuellen Seite. Für seine Examensarbeit recherchierte der ehemalige Literaturstudent in der Parkour-Szene, machte Fotos und stellte sie ins Netz. Die Nachfrage war enorm. Heute, knapp fünf Jahre später, ist Day einer der gefragtesten Parkour-Fotografen. Auch wenn er nicht jedes Bild zeigt: das von Forrest zum Beispiel. Am Pont Neuf wollte er die Treppe überspringen. Nichts Dolles, höchstens drei Meter. Doch Forrest verfehlte die andere Seite, schleuderte mit Wucht gegen die Wand und hatte danach ein blutiges Kinn, ein Loch in der Lippe und drei Zähne weniger. Forrest ärgerte sich, ausgerechnet bei so einem Weicheier-Sprung versagt zu haben. Seine Freundin ärgerte sich noch mehr. Die beiden wollten zwei Wochen später heiraten.

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