Geht es nach dem Hamburger SV, dürfte dieses Trikot gar nicht existieren. Es ist aus der Saison 2017/18 und trägt die Rückennummer 18. Statt eines Spielernamens steht dort das unschöne Wort "Absteiger". Vorne prangen die Unterschriften der HSV-Spieler der Abstiegssaison. Der Fan-Shop des HSV hat die Bestellung mit der Rückennummer und dem Wort Absteiger storniert. Doch ein findiger Hamburger Fußball-Fan hat es geschafft, dieses Trikot doch in den Händen zu halten. Kurz vor dem Hamburger Stadtderby zwischen dem HSV und dem FC St. Pauli will der Mann das einmalige Trikot versteigern - für den guten Zweck. Die eine Hälfte des Erlöses geht an den "Hamburger Weg", eine HSV-nahe Organisation, die andere an die "Kiezhelden", die dem FC St. Pauli nahestehen. Ob der gute Zweck die Verantwortlichen des Hamburger SV versöhnt oder nicht, bleibt abzuwarten.
Nachdem der HSV im vergangenen Jahr aus der Bundesliga abgestiegen war, entwarf ein Fußballfan ein ganz besonderes Erinnerungsstück. Der Verein wollte das offenbar mehrfach verhindern. Pünktlich zum Hamburger Stadtderby soll es nun unter den Hammer kommen.
Wenn's um seinen Bundesligaabstieg geht, versteht der HSV offenbar wenig Spaß. Stefan Meier* musste das am eigenen Leib erfahren.
Als sich der Club aus der Hansestadt trotz seines 2:1-Sieges gegen Mönchengladbach im vergangenen Mai erstmals aus dem Fußball-Oberhaus verabschiedet, sitzt der 33-jährige Gastronom mit Freunden in einer Kneipe.
Für den Fall des HSV-Abstiegs hat er seit Jahren eine kleine, provokante Idee im Kopf: Er will sich ein Trikot des Vereins mit dem Abstiegsjahr und dem Schriftzug "ABSTEIGER" auf dem Rücken beflocken lassen. Dass es so schwierig werden würde, seinen Plan umzusetzen, damit rechnet er nicht.
HSV-Fanshop storniert die Bestellung
Die Bestellung seines persönlichen Andenkens an dieses Stück Bundesliga-Historie im HSV-Fanshop ist schnell erledigt: Ein paar Klicks, 67,50 Euro per Paypal zahlen und ein paar Minuten später flattert die Bestätigung ins E-Mail-Postfach. "Mir war klar, dass sich beim Bedrucken auf jeden Fall ein Mitarbeiter des HSV damit auseinandersetzen muss, ein bisschen geschmunzelt habe ich bei der Vorstellung schon", sagt St.-Pauli-Fan Meier.
Doch aus der (Schaden-)freude wurde erst einmal nichts. Stattdessen muss der 33-Jährige wochenlang warten – um dann auf Nachfrage eine weitere E-Mail des HSV-Fanshops zu bekommen. "Ihre Bestellung wurde wegen unangemessener Beflockung durch uns storniert. Den Kaufbetrag erhalten Sie zeitnah erstattet."
Die Bestellung wurde seitens des HSV-Fanshops storniert
In seinen AGB behält sich der HSV-Fanshop unter anderem vor, "individuell diskriminierende Textinhalte" auf den Trikots abzulehnen. Zudem dürfen die Schriftzüge nicht gegen die guten Sitten verstoßen. Dennoch sagt Meier: "Ich konnte es kaum fassen, dass sich der HSV so humorlos zeigt. Die Enttäuschung war schon ziemlich groß, schließlich sollte das Trikot meine Erinnerung an den Abstieg werden."
Abstiegs-Trikot mit Unterschriften für 250 Euro
Die Absage des Fanshops löst eine Trotzreaktion aus: Dann eben auf anderem Wege! In der Hamburger Innenstadt betreibt HSV-Ausrüster Adidas einen eigenen Laden. Dort erfüllen die Mitarbeiter den Wunsch Meiers und bedrucken ein HSV-Trikot mit dem "verbotenen Schriftzug". Als kleine Stichelei lässt Meier anschließend auch dem HSV ein Foto des Trikots zukommen. "Ich hatte mein eigenes Stück Bundesliga-Geschichte", erzählt Meier. "Damit war die Sache vorbei, dachte ich."
Dachte er. Im September sitzt der Gastronom in einem Veranstaltungszentrum im Hamburger Stadtteil St. Pauli auf einer Charitygala. Versteigert wird auch ein Original-HSV-Trikot mit den Unterschriften der Spieler aus der Abstiegssaison. "Als ich das Trikot im Eingangsbereich sah, dachte ich nur: Das ist es! Jetzt muss ich zuschlagen."
Dieses HSV-Trikot soll für den guten Zweck versteigert werden
250 Euro bietet Meier – und er bekommt den Zuschlag. "Es ist zwar absurd, so viel Geld für ein Trikot auszugeben, aber immerhin konnte ich meinen Plan perfektionieren." Die letzten Zweifel räumt er aus; der HSV bestätigt per E-Mail die Echtheit der Unterschriften.
Mit seinem neuen Trikot stattet Meier dem Adidas-Geschäft in der Hamburger Innenstadt den nächsten Besuch ab, muss es aber gleich wieder mit nach Hause nehmen. "Der Verkäufer sagte, dass keine Trikots mehr mit dem 'ABSTEIGER'-Schriftzug bedruckt werden dürfen." Eine mögliche Erklärung: "Ich habe den Eindruck, dass sich der HSV bei seinem Ausrüster beschwert hat, nachdem ich ihm das Foto von meinem ersten Trikot zugeschickt habe."
Adidas verbietet – ähnlich wie der HSV-Fanshop – in seinen Bedingungen das Bedrucken von Trikots mit "unanständigen und unangemessenen Worten". Unter anderem sollen so rassistische, aber auch beleidigende Schriftzüge auf den Trikots verhindert werden. Gilt das auch für das Wort "ABSTEIGER"? Unternehmenssprecher Oliver Brüggen erklärt dazu auf stern-Anfrage: "Im Zuge unserer engen, vertrauensvollen Partnerschaft mit Vereinen, Verbänden und Spielern behalten wir uns bei der Individualisierung von Produkten eine Freigabe vor."
"Dass dem HSV das Ganze offenbar so unangenehm ist, hat meinen Jagdtrieb endgültig geweckt," sagt Meier. Er macht sich auf die Suche nach anderen Geschäften, die die Original-Schriftart des HSV anbieten und landet bei einem Sportartikelhändler in Oberfranken.
Versteigerung für den guten Zweck
Meiers Glück: Dort kann er die Buchstaben auch ohne Trikot bestellen und behilft sich mit einem Trick: Er wolle sich die "18" und den Nachnamen "BEIERSTAG" auf das Trikot drucken, erzählt er den Mitarbeitern des Sportgeschäfts.
Als die neun schwarzen Buchstaben und die "18" bei ihm ankommen, greift Meier zur Schere und schneidet die Buchstaben auseinander. In einem T-Shirt-Laden in seiner Nachbarschaft presst er sie in neuer Reihenfolge dann auf das HSV-Trikot. Es entsteht das Trikot, das es eigentlich nicht geben darf. Mit "18" und "ABSTEIGER" in der Original-HSV-Schriftart auf dem Rücken – und mit den Unterschriften der Spieler aus der Abstiegssaison. Projekt geglückt.
Unikat: ein HSV-Trikot aus der Abstiegssaison, Größe S, mit den Unterschriften der Spieler, der Rückennummer 18 und dem Schriftzug "ABSTEIGER"
Pünktlich zum Stadtderby zwischen dem FC St. Pauli und dem HSV am 10. März versteigert er das Unikat jetzt bei Ebay, mit klarem Ziel: "The sky is the limit, aber ein hoher vierstelliger Betrag wäre schon ein toller Erfolg."
Den Erlös will der Gastronom spenden: Zur einen Hälfte an den "Hamburger Weg", das Jugend- und Sozialprojekt des HSV, zur anderen Hälfte an die "Kiezhelden" – das Pendant des FC St. Pauli. "Eigentlich kann dann auch der HSV nichts mehr gegen das Trikot haben", meint der 33-Jährige.