Im Oktober 2005 lief in Deutschland die letzte Folge der Kult-Serie "Friends". Sie endete – guckt man die Sitcom in der englischen Originalfassung, was man unbedingt tun sollte – mit Chandler Bings ironischer Frage "Where?". Wo sollten die sechs Freunde ein letztes Mal Kaffee trinken gehen, bevor er und Monica aufs Land nach Westchester ziehen würden? Völlig absurd natürlich, schließlich spielte fast jede Folge im Lieblingscoffeeshop von Chandler, Monica, Joey, Phoebe, Ross und Rachel – dem "Central Perk".
"Friends"-Reunion
Ich weiß noch heute, wie mir die Tränen die Wangen runterliefen, als die Kamera durch das lilafarbene, nun leere Apartment von Monica und Chandler schwenkte und anschließend auf den sechs Schlüsseln zur Wohnung verharrte.
Es war, als hätten sich gerade sechs leibhaftige Freunde von mir verabschiedet, nicht bloß Serienfiguren, die ich ja dank meiner DVDs (und heute Netflix) immer wieder zurück in mein Leben holen könnte. Ich habe die Sitcom mittlerweile locker über zwanzig Mal geguckt. Die meisten Szenen kann ich mitsprechen. In fast jeder Lebenssituation fällt mir ein Spruch aus "Friends" ein. Wann immer ich nicht gut drauf bin, weiß ich, dass mich ein bis zwei Folgen sofort aufheitern werden.
Kurz und knapp: Ich mag "Friends" ganz gerne. Wovon ich allerdings überhaupt nichts halte ist eine Reunion der Sitcom. Warum? Nun ja, dafür gibt es mehrere Gründe.
1. Wenn es nicht kaputt ist, repariere es nicht
Zum einen: Wenn es nicht kaputt ist, repariere es nicht! Die zehn Staffeln "Friends", mit denen die Welt gesegnet wurde, sind perfekt. Jede einzelne Staffel hat ihre eigene Storyline und ihre starken Momente. Besonders die Folgen, in denen alle sechs Freunde miteinander agierten, bleiben auf ewig in Erinnerung. Chandler, der beruflich (laut Rachel) als Transponster arbeitet zum Beispiel, oder die legendäre Football-Folge in Staffel Drei.
Es gibt kaum Serien und Sitcoms, die über einen so langen Zeitraum eine so konstante Qualität aufgewiesen haben. Dazu kommt, dass keiner der Hauptdarsteller ersetzt wurde, oder die Show frühzeitig verlassen hat. Das ist beachtlich – und, seien wir ehrlich, kaum zu toppen.
2. Zu viel Vorsicht würde alles kaputt machen
"Friends" und die mangelnde Diversität in der Show wurde in den vergangenen Jahren von vielen Millennials kritisiert. In manchen Punkten haben die Kritiker recht, das kann ich ganz unparteiisch zugeben. ABER: Viele Storylines in "Friends" waren weit fortschrittlicher als es die motzende Meute sieht. Chandler Bing, der mit seiner eigenen Sexualität hadert, weil er seinen Transgender-Vater regelmäßig in Frauenklamotten gesehen hat? Ross Geller, der von seiner ersten Frau Carol für eine andere Frau verlassen wird, die ihre Freundin dann sogar heiratet? All das sind Themen, die in den 90ern durchaus als bahnbrechend bezeichnet werden konnten.
Aber eine weichgespülte, politisch korrekte Version von "Friends" wäre einfach nicht dasselbe.
3. Die "Friends" hätten erwachsene Kinder
Versteht mich bitte nicht falsch, ich mag Kinder. Und ich fand es gut, dass Ross, Rachel, Monica und Chandler allesamt im Laufe der Serie Eltern wurden. Aber eine Neuauflage mit Teenagern, die ihren Eltern – in diesem Fall den sechs besten Freunden – auf die Nerven gehen, möchte ich einfach nicht sehen. Dazu die unausweichlichen Midlife-Crises der sechs Protagonisten? Sorry, aber da kann ich mir auch alte "Desperate Housewives"-Episoden reinziehen.
4. Die Schauspieler sind alt geworden
Genauso wenig wie ich was gegen Kinder habe, stören mich alte Menschen. Wirklich! Aber möchte ich den ergrauten Matt LeBlanc als alternden Frauenhelden Joey sehen? Möchte ich mit ansehen, wie die Darstellerin von Monica, Courtney Cox, mit dem Älterwerden hadert und sich mehr und mehr Botox ins Gesicht spritzt? Will ich gezeigt bekommen, dass Matthew Perry heute rein optisch mit seiner Serienfigur Chandler so viel zu tun hat wie "Friends" mit der "Lindenstraße"? Nein. So sehr ich die Figuren über die Jahrzehnte lieb gewonnen habe, so wenig möchte ich, dass es jetzt eine Oldie-Reunion meiner liebsten TV-Freunde zu sehen gibt.
5. Zu viel Technologie
Warum war "Friends" so besonders? Okay, als ob ich darauf die EINE passende Antwort finden würde. Aber ein Detail der großen Kunst von "Friends" war mit Sicherheit die Kommunikation zwischen den Freunden.
Unvergessen die Szene, in der die hochschwangere Phoebe verzweifelt versuchte, jemanden in London zu erreichen, um davor zu warnen, dass Rachel Ross ihre Liebe gestehen möchte – der kurz davor stand, seine beknackte Freundin Emily zu heiraten. Wie einfach wäre es, das Problem heute zu regeln? Eine kurze WhatsApp an Monica: "Hey Mon, Rachel kommt, um Ross ihre Liebe zu gestehen. Versuch, sie zu stoppen!" Zack, aus, Ende. Mal ehrlich: "Friends" und die Technologie von heute? So ein Mist.
6. "Sex and the City" als Negativbeispiel
Der wohl bekannteste Versuch, eine Kultserie neu aufleben zu lassen, war wohl der erste "Sex and the City"-Film, der 2008 in die Kinos kam und ein großer Erfolg war. Und dann kam der zweite Film – und wurde den sechs großartigen Staffeln der Erfolgsserie vom Vor- bis zum Abspann nicht gerecht. Die geplante "Sex and the City"-Filmtrilogie scheiterte im vergangenen Jahr daran, dass Kim Cattrall nicht dabei sein wollte und sich mit den drei anderen Hauptdarstellerinnen verkrachte. So viel wir wissen, sind die Darsteller aus "Friends" – Aniston, Cox, Lisa Kudrow, LeBlanc, Perry und David Schwimmer – teilweise noch immer befreundet und reden durch die Bank weg gut über einander. Das soll bitte so bleiben.
Als Film, als neue Staffel, als einzelne Folge – bitte, liebe Macher: Rührt meine "Friends" nicht an. Zehn perfekte Staffeln, ein würdiges Ende mit ein und demselben Cast und einer absoluten Nostalgie-Garantie – was kann man sich mehr wünschen?
