
(Symbolbild)
3. Mottoparty, Hanoi Club, München
Typischer Satz: "Und was willst du sein?"
Typischer Drink: Erdbeerlimes (bei der Schlager-Motto-Party)
Dresscode: It depends
Um halb zwei in der Nacht tanze ich mit einem Mädchen, das sich aufführt, als trainierte sie für das Casting eines Hip-Hop-Videos. Sie stützt ihre Hände gegen einen großen Spiegel, geht ins Hohlkreuz, schwenkt die Hüften nach links und rechts und drückt ihren Hintern gegen meinen, nun ja, Bauch. An sich tue ich so etwas nicht. Ein kleines Stück Plastik macht es möglich, und nein, es ist nicht meine Kreditkarte.
Im Spiegel sehe ich das hübsche Gesicht des Pornomädchens und dahinter mich. Ich trage eine weiße Eishockeymaske, genau wie der Killer Jason aus dem Horrorfilm "Freitag der 13.". Meine Tanzpartnerin hat am engen Top surreale Stacheln und Stofffetzen angebracht, die sie aussehen lassen, als wäre sie eine fleischfressende Pflanze. "Friday 13th, Best of Horror" lautet das Motto der Party im Hanoi Club in München. Best of Horror - lass dein inneres Monster frei, soll das wohl heißen, darum geht es ja bei Partys.
Die Eishockeymaske habe ich mir am Nachmittag im Kostümladen gekauft und es mir damit einfach gemacht. Mein Freund Jakob hat sich mehr Mühe gegeben und den Kleiderschrank seiner Medizinerfrau geplündert. Mit OP-Kittel, Einwegskalpell, Blutspritzern und dunklen Augenringen hat er sich in den "verrückten Doktor " verwandelt. In der U-Bahn auf dem Weg zur Party erntet Jakob beunruhigte Blicke der Passanten: Die OP ist wohl nicht so gut gelaufen? Im Club aber wird er vom Freak zum Star.
Mottoparty ist Kurzzeitkarneval und temporäres Tollhaus. Eine Art postmoderne Variante der antiken Saturnalien, bei denen Sklaven und Herrscher die Rollen tauschten, oder des venezianischen Karnevals, bei dem im 16. und 17. Jahrhundert Bürger, Bauern und Fürsten aus ganz Europa Masken aufzogen und im Gewühl der Menge ihre Standesidentität abstreiften.
Der Thrill der Verwandlung vom Alltags-Ich in ein Party-Ich wirkt auch in der Gegenwart. Anonymität fördert Ausgelassenheit. Unter meiner Maske schäme ich mich für nichts. In einem venezianischen Liedchen aus dem 16. Jahrhundert hieß es recht deutlich: "Der Karneval macht mich potent." Die Mottoparty ist ein Konzept mit integriertem Eisbrecher: Unangenehme Stille und peinlich berührtes Schweigen muss man nicht fürchten, kann immer sagen: "Das ist aber ein tolles Kostüm!" Oder: "Und was bitte willst du darstellen?"
Und das Beste ist: Weil man aussieht wie der letzte Idiot, kann man auf einer Mottoparty nach einer kurzen Hitflaute oder einem Müdigkeitsanfall nicht einfach der albernen Versuchung nachgeben zu schauen, "was in dem nächsten Laden so los ist". Feste sind immer nur dann gut, wenn man auf alle Optionen verzichtet und den Exzess hier und jetzt sucht. Die Mottoparty ist ein Käfig mit Diskokugel.
3. Mottoparty, Hanoi Club, München
Typischer Satz: "Und was willst du sein?"
Typischer Drink: Erdbeerlimes (bei der Schlager-Motto-Party)
Dresscode: It depends
Um halb zwei in der Nacht tanze ich mit einem Mädchen, das sich aufführt, als trainierte sie für das Casting eines Hip-Hop-Videos. Sie stützt ihre Hände gegen einen großen Spiegel, geht ins Hohlkreuz, schwenkt die Hüften nach links und rechts und drückt ihren Hintern gegen meinen, nun ja, Bauch. An sich tue ich so etwas nicht. Ein kleines Stück Plastik macht es möglich, und nein, es ist nicht meine Kreditkarte.
Im Spiegel sehe ich das hübsche Gesicht des Pornomädchens und dahinter mich. Ich trage eine weiße Eishockeymaske, genau wie der Killer Jason aus dem Horrorfilm "Freitag der 13.". Meine Tanzpartnerin hat am engen Top surreale Stacheln und Stofffetzen angebracht, die sie aussehen lassen, als wäre sie eine fleischfressende Pflanze. "Friday 13th, Best of Horror" lautet das Motto der Party im Hanoi Club in München. Best of Horror - lass dein inneres Monster frei, soll das wohl heißen, darum geht es ja bei Partys.
Die Eishockeymaske habe ich mir am Nachmittag im Kostümladen gekauft und es mir damit einfach gemacht. Mein Freund Jakob hat sich mehr Mühe gegeben und den Kleiderschrank seiner Medizinerfrau geplündert. Mit OP-Kittel, Einwegskalpell, Blutspritzern und dunklen Augenringen hat er sich in den "verrückten Doktor " verwandelt. In der U-Bahn auf dem Weg zur Party erntet Jakob beunruhigte Blicke der Passanten: Die OP ist wohl nicht so gut gelaufen? Im Club aber wird er vom Freak zum Star.
Mottoparty ist Kurzzeitkarneval und temporäres Tollhaus. Eine Art postmoderne Variante der antiken Saturnalien, bei denen Sklaven und Herrscher die Rollen tauschten, oder des venezianischen Karnevals, bei dem im 16. und 17. Jahrhundert Bürger, Bauern und Fürsten aus ganz Europa Masken aufzogen und im Gewühl der Menge ihre Standesidentität abstreiften.
Der Thrill der Verwandlung vom Alltags-Ich in ein Party-Ich wirkt auch in der Gegenwart. Anonymität fördert Ausgelassenheit. Unter meiner Maske schäme ich mich für nichts. In einem venezianischen Liedchen aus dem 16. Jahrhundert hieß es recht deutlich: "Der Karneval macht mich potent." Die Mottoparty ist ein Konzept mit integriertem Eisbrecher: Unangenehme Stille und peinlich berührtes Schweigen muss man nicht fürchten, kann immer sagen: "Das ist aber ein tolles Kostüm!" Oder: "Und was bitte willst du darstellen?"
Und das Beste ist: Weil man aussieht wie der letzte Idiot, kann man auf einer Mottoparty nach einer kurzen Hitflaute oder einem Müdigkeitsanfall nicht einfach der albernen Versuchung nachgeben zu schauen, "was in dem nächsten Laden so los ist". Feste sind immer nur dann gut, wenn man auf alle Optionen verzichtet und den Exzess hier und jetzt sucht. Die Mottoparty ist ein Käfig mit Diskokugel.
© istock Editorial / Getty Images