Eine junge Frau sitzt mit einem bauchfreien Top und Jeans auf einer weißen Couch. Im Hintergrund glitzern Lichter an einer Wand. Wir landen in der freundlichen, weichen Welt, die viele Beauty-Bloggerinnen auf Youtube erzeugen. Doch Schönheit interessiert Adina in ihren Videos nur am Rande: Sie redet mit heller Stimme und Leichtigkeit über Themen wie Squirten, den Geschmack von Vaginas, Spanking oder die besten Orgasmus-Workouts.
Adina Rivers gehört zu den erfolgreichsten Youtubern, die derzeit über Sex und Beziehungsthemen bloggen. Ihrem englischsprachigen Kanal folgen 900.000 Abonnenten, erreicht haben ihre Videos bereits mehr als 200 Millionen. Eigentlich heißt Adina mit bürgerlichem Namen Verena-Katahrina Rivers, und kommt aus Rostock.
Mit 15 Jahren zieht sie nach Dänemark, um dort eine internationale Schule zu besuchen. Als junge Frau arbeitet sie in Brasilien und Honduras, heute lebt sie auf Bali. Mit ihrem Blog „My tiny secrets“, einem Online Shop und zwei Onlinekursen über Sinnlichkeit und Sex hat die 36-Jährige zusammen mit ihrem Partner Oliver Rivers ihr eigenes Online-Imperium aufgebaut. Wir haben mit ihr über Sex-Techniken und ihren Weg zum Youtube-Guru gesprochen.
NEON: Gibt es eine Sex-Technik, die du jeder Frau empfehlen kannst?
Adina Rivers: Das ist gar nicht so leicht, denn das ist abhängig davon, wo eine Person steht. Für mich persönlich sieht das so aus: Der beste Weg ist, dass ich mich erst mit mir auseinandersetze, bevor ich mich auf meinen Partner beziehe. Das heißt, dass ich mich mit meinem Körper verbinde. Ganz viele Frauen haben keine Verbindung zu ihrem Körper. Da ist so viel Scham. Wir verstecken unsere Brüste, unseren Intimbereich und Po und verlieren dadurch den Kontakt zu ihnen.
Das Beste, durch das ich die Verbindung zu meinem Körper wieder herstelle, ist: Nacktsein. Ich laufe zu Hause gerne nackt rum – und zwar nicht nur in der Dusche, sondern wann immer es möglich ist. Nackt schlafen, vor dem Partner nackt sein – auch wenn sich das erst einmal ungewohnt anfühlt. Und damit meine ich auch, dass ich mich innerlich nackt mache und mich vor meinem Partner verletzlich zeige.
Ich glaube, das kann für viele Frauen sehr heilsam sein: Dass man sich zeigt, wenn man sich unsicher mit dem eigenen Aussehen fühlt. Wenn man die Brüste nicht schön findet, oder den Bauch zu weich. Wenn man das in einer Partnerschaft benennt, kann das sehr verbinden sein.
Wenn wir öfter so nackt miteinander umgehen würden, wären wir als Gesellschaft schon ein Stück weiter.

Kann eine bestimmte Technik deiner Meinung nach überhaupt Sex grundsätzlich beeinflussen?
Gute Frage: Ich bin kein Fan von Sex-Techniken. Es gibt viel, das man über Sex lernen kann. Man kann lernen, wie der weibliche oder männliche Körper beim Sex funktioniert. Aber ich glaube nicht an Techniken. Für mich passt das Wort Technik gar nicht zu Sex. Sex ist etwas Intuitives. Es hat in erster Linie etwas mit uns selbst zu tun. Und es hat nur sehr selten etwas damit zu tun, wie ein anderer Sex mit uns macht. Je besser wir uns kennen, desto besser ist Sex. Denn dann können wir ausdrücken, was uns gefällt.
Wir sind alle anders. In den Retreats, in denen ich war, habe ich die verschiedensten Frauen massiert und Yoni-Massagen (Intimmassagen, Anm. der Red.) gegeben. Jede Frau mag eine andere Berührung. Man denkt man habe alles gelernt. Und dann begegnet man einer Frau, die in der Vergangenheit vergewaltigt wurde. Da hilft keine Technik. Da braucht es eine ganz andere Herangehensweise. Deshalb bin ich kein Fan von Sex-Techniken. Ich finde es spannender zu schauen, wie wir es schaffen, intuitiver zu werden. Und das kann man mit jeder Art von Körperarbeit lernen.
Du erhältst viel Feedback auf deine Videos: Was ist für junge Frauen heute eine der größten Herausforderungen in Bezug auf ihre Sexualität?
Viele haben ein Thema mit ihrem Body Image, also ihrem Selbstbild und Körperbild. In unserer Gesellschaft werden wir ständig mit Plakaten von gephotoshopten Models konfrontiert. Dadurch bekommen viele ein ganz merkwürdiges Bild davon, wie eine Frau auszusehen hat. Und es ist unglaublich, wie sich das auf die Psyche von Frauen auswirkt. Wenn wir kein gutes Selbstbild haben, können wir keinen guten Sex haben. Unser Körper verschließt sich und wir bauen subtile Wände auf. Wir schützen uns, damit uns keiner zu nah kommt und weh tut. Das ist gut, weil wir dadurch weniger Schmerz erfahren. Aber es ist auch nicht gut, weil wir weniger Liebe erfahren und weniger berührt werden können. Und das ist etwas, das mir persönlich sehr wichtig ist: Dass Frauen wieder das Gefühl haben, dass sie so gut sind, wie sie sind.

Was sind heute die Möglichkeiten und Chancen für junge Frauen?
Wir leben in der besten Zeit für Selbstentfaltung. Wir können uns auf so vielen Medien und Kanälen zeigen und entwickeln. Wenn wir mutig genug sind. Ich habe selbst in meiner Schulzeit die Erfahrung gemacht, dass ich ausgegrenzt wurde. Deshalb war ich lange ein sehr unsicherer Mensch. Es war für mich am Anfang schwer, mich in meinen Videos in den Mittelpunkt zu stellen. Aber je öfter ich es gemacht habe, umso selbstsicherer bin ich geworden. Wir können sehr viel erreichen, wenn wir mutig sind. Natürlich kann man es nicht vermeiden, auch negatives Feedback zu bekommen, wenn man an die Massen tritt.
Im Internet triffst du sicher auch auf einige Bullys: Wie gehst du damit um?
Ich bin ein sehr emotionaler Mensch, und will das auch sein. Ich glaube, dass es ein wichtiger Teil davon ist, wie ich mich als Frau gut spüre. Es gibt andere Frauen, die sagen, dass sie das einfach ausblenden. Ich weine lieber, wenn mich ein fieser Kommentar traurig macht. Ich lasse den Schmerz zu, selbst wenn er nur sehr klein ist. Über die vergangenen Jahre habe ich sehr viel mehr positives Feedback bekommen, als negatives. Viele liebevolle Worte, ich habe eine tolle Community. Aber du kannst hundert positive Kommentare bekommen, der eine fiese tut dann doch irgendwie weh.
Wieso hast du angefangen über Sex auf Youtube zu reden?
Ich habe in meiner eigenen Beziehung nach mehr gesucht. Ich wollte herausfinden, was ich noch empfinden kann. Sex hat mich total fasziniert. Ganz am Anfang als ich mit meinem Partner Oliver auf Bali angekommen bin, haben wir zuerst angefangen, ein Produkt online zu verkaufen: Einen Heilstab für den Intimbereich für Frauen, der hier in Indonesien verbreitet ist. Dadurch habe ich dann viele Fragen von Frauen über ihre Vagina erhalten. Und dann habe ich angefangen, mehr über das Thema herauszufinden. So hat es sich Schritt für Schritt weiterentwickelt, und persönlich interessiert hat es mich ja auch.
Wie hat das deine Sicht auf das Thema Sex in den vergangenen Jahren verändert?
Nach all den Kursen, die ich besucht habe und all den Büchern, die ich gelesen habe, denke ich, dass die beste Form von Sex intuitiver Sex ist. Es geht nicht um eine bestimmte Technik, oder eine bestimmte Atemform. Natürlich kann man mit bestimmten Atemtechniken oder tantrischen Elementen bestimmte Formen von sexuellen Zuständen hervorrufen. Aber wenn man nur das allein praktiziert, fühlt es sich leer an. Für mich liegt die Erfüllung nicht darin, multiple Orgasmen zu erreichen. Die tiefe Verbindung zu mir selbst, ist viel erfüllender.
Du lebst auf Bali, und hast seit deinem 15. Lebensjahr in vielen Ländern der Welt gewohnt. Darunter Dänemark und Brasilien. Wie ist deine Beziehung zu Deutschland heute?
Je länger ich auf Bali lebe, desto häufiger denke ich an Deutschland. Ich wollte als junge Frau schnell aus Deutschland weg. Es war mir in dem Dorf in Mecklenburg-Vorpommern, in dem ich gelebt habe, zu klein und zu eng. Auch die Gedanken der Menschen schienen mir dort klein und eng. Ich bin in der Schule wie eine Außenseiterin behandelt worden. Aber in der letzten Zeit habe ich immer öfter das Gefühl, dass ich wieder zurück möchte. Ich weiß, dass auch viele Menschen in Deutschland meine Videos sehen, obwohl sie auf Englisch sind. Wir planen gerade die Onlineprogramme, die ich anbiete, auf Deutsch zu übersetzen. Und vielleicht ist es ja bald an der Zeit, dass ich wieder häufiger da bin.
Podcast: Achtsame Berührung - so geht's
Wie geht das eigentlich: gutes Berühren? In unserem neuen Podcast der #sexbewusst-Reihe könnt ihr das selbst ausprobieren. Sexualberaterin Susanna-Sitari Rescio lädt euch ein, verschiedene Qualitäten von Berührung an euch selbst auszuprobieren.
Welche Berührungen sind angenehm? Welche Körperbereiche lösen welche Empfindungen aus? Wie zart kann eine Berührung sein? In dieser 20-minütigen Übung könnt ihr euch auf die Suche begeben. Viel Spaß dabei!
Alle Podcasts der NEON-Reihe #sexbewusst mit Übungen und Meditationen findet ihr hier.