In der vergangenen Woche war die Welt fasziniert und begeistert vom ersten Foto eines schwarzen Lochs – und von Katie Boumann. Die 29-jährige Wissenschaftlerin war Teil des Forscher-Teams rund um das Projekt und trug mit dem von ihr entwickelten Algorithmus dazu bei, dass das Foto überhaupt möglich wurde. Doch so überschwänglich, wie sich das Netz auf die junge Wissenschaftlerin und ihren Erfolg stürzte, so aggressiv wird sie nun angefeindet.
Denn Bouman bricht mit einem Klischee in der Wissenschaft: Sie ist eine junge, erfolgreiche Frau im IT-Bereich, in dem meist Männer die Hauptrollen spielen. Am vergangenen Mittwoch postete die junge Doktorin auf ihrem Facebook-Account ein Bild von sich, das ihre offensichtliche Freude über den Erfolg des Projekts zeigt. "Schaue gerade ungläubig, wie das erste Bild entsteht, das ich von einem schwarzen Bild gemacht habe", schrieb sie dazu. Eigentlich ein ganz gewöhnlicher Post einer jungen Frau, die die wissenschaftliche Karriereleiter hochklettert und ihre Freude mit Freunden und anderen Wissenschaftlern teilen will.
Nutzer und Medien waren begeistert – so sehr, dass es schnell klang, als sei Bouman allein für das Foto verantwortlich oder würde das Forscherteam anleiten. Selbst die Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez gratulierte der jungen Wissenschaftlerin bei Twitter. Eine mediale Inszenierung, für die Bouman gar nichts konnte – aber die heftigen Auswirkungen davon zu spüren bekam.
Denn bei Twitter und Reddit suchten User nach einem Gegenpol zu der jungen, erfolgreichen Forscherin – und stürzten sich auf ihren Kollegen Andrew Chael. So wurde behauptet, der junge Forscher hätte 95 Prozent des Codes geschrieben, für den seine Kollegin nun den Ruhm ernten würde. Auf Wikipedia forderte sogar jemand die Löschung des Eintrags über Bouman, da sie keine herausragende Rolle bei der Erstellung des Fotos gespielt habe. Die Idee der Hater: Die Leistung von Katie Bouman sei gar nicht so groß, sondern eine Inszenierung der gesteuerten, liberalen Medien, bei denen eine erfolgreiche Frau perfekt ins Weltbild passt.
Wie widersinnig die ganze Aktion ist, scheint dabei völlig egal. So hatte Katie Bouman nur wenige Stunden nach ihrem ersten Post ein Foto ihres Teams geteilt, um klarzustellen, dass nicht ein Algorithmus oder eine Person das Foto möglich gemacht habe, sondern ein großes Team."Es war mir eine Ehre und ich bin so dankbar, die Möglichkeit gehabt zu haben, mit euch allen zu arbeiten", schrieb sie dazu. Und auch ihre Kollege Andrew Chael reagierte auf seinen ungewollten Ruhm: Er postete ein Foto von sich und Katie und sprach sich gegen die "furchtbare und sexistische Kampagne gegen meine Kollegin und Freundin Katie Bouman" aus. "Ich freue mich natürlich über alle Glückwünsche für ein Projekt, an dem ich sehr hart gearbeitet habe", schreibt er auf Twitter. "Aber wenn ihr mir gratuliert, weil ihr sexistische Vorurteile gegen Katie habt, dann verschwindet und denkt mal über die Standpunkte in eurem Leben nach." In einem Gespräch mit der "Washington Post" stellte er zudem klar, dass sein Anteil an der Arbeit genauso groß gewesen sei, wie der von Bouman.
Was Katie Boumann gerade erlebt, ist ein Phänomen, das viele erfolgreiche Frauen im Netz erleben. Statt Inhalten wird zum Beispiel ihr Aussehen bewertet oder es werden ihre Leistungen in Abrede gestellt. Für ihren Kollegen Andrew ist klar: "Diesen Leuten passt es nicht, dass eine Frau nun mit diesem Erfolg in der Geschichte verbunden wird", sagte er. Mit ihrem Hass würden sie nur versuchen, ihr Weltbild geradezurücken. Er selbst finde es zudem paradox, dass die Hater gerade ihn ausgewählt haben: Chael bekennt sich offen dazu, schwul zu sein und setzt sich für LGTB-Rechte ein.
Doch er hofft, dass Katies Erfolg langfristig Früchte trägt: Besonders Radio-Astronomie sei immer noch sehr von Männern geprägt, sagte er der "Washington Post". Er hofft nun, dass der Erfolg seiner Kollegin auch andere Frauen inspiriert, in der Wissenschaft zu arbeiten und alle dazu anregt, diese Entwicklung als Fortschritt und nicht als Angriff auf das andere Weltbild zu sehen.
