Der 28-jährige Marvin aus dem nordrhein-westfälischen Bottrop kennt sich mit Technik aus: Wer "ItsMarvin" auf Youtube folgt, kann ihm beim Umrüsten von Krankenwagen und dem Aufmotsen eines alten Streifenwagen für eine Filmproduktion zuschauen. Sein Equipment kauft der junge Mann, wie er in seinen Video selbst sagt "bei ebay Kleinanzeigen". Doch das wurde ihm möglicherweise zum Verhängnis, denn der Youtuber ist seit einigen Monaten Teil von Ermittlungen der Polizei und der Staatsanwaltschaft Hamburg. Es geht um gestohlene Funkgeräte im Wert von mehreren tausend Euro.
Und wie es sich für einen Youtuber gehört, veröffentlichte Marvin dazu am vergangenen Sonntag ein Video für seine über 390.000 Follower. Den Clip mit dem Titel "Polizei Hamburg vermisst Funkgeräte – Hausdurchsuchung" haben seitdem schon über 350.000 User gesehen, es finden sich über 1500 Kommentare. In knapp zwölf Minuten erzählt der 28-Jährige seine Version einer Geschichte, die im Februar dieses Jahres bekannt geworden war: Wie die "Hamburger Morgenpost", "Spiegel Online" oder auch das "Hamburger Abendblatt" berichteten, waren mehrere Funkgeräte aus Polizeiwachen in Hamburg entwendet und online zum Verkauf angeboten worden.
Geräte mit Zugang zum Polizeifunk
Die Krux bei der Geschichte war jedoch nicht nur der Diebstahl: Mit den Geräten wurden offenbar auch die dazugehörigen Karten des Bundesministeriums für Sicherheits- und Informationstechnik (BSI) gestohlen, die darin verbaut sind. Die Karten ermöglichen es dem Benutzer, Zugang zu sogenannten geschützten Informationsbereichen zu bekommen und zum Beispiel Polizeifunk abzuhören. Die Staatsanwaltschaft verdächtigte damals zwei Beamten und mehrere Komplizen. In manchen Berichten hieß es zudem, dass auch ein bekannter Youtube-Star in die Sache verwickelt gewesen sei, es habe Hausdurchsuchungen und Festnahmen gegeben.
Und genau dieser Youtuber, bei dem es sich offensichtlich wirklich um "ItsMarvin" handelte, macht die Geschichte jetzt erneut öffentlich. Sein Vorwurf: Die Ermittler hätten seine Privaträume durchsucht und bei ihm Funkgeräte des gleichen Modells gefunden, dass in Hamburg gestohlen worden war. Doch obwohl er diese legal erworben habe, hätten die "zwei netten Beamten" ihm sein rechtmäßiges Eigentum abgenommen und er habe es bisher nicht wiedergesehen. Der "Zeit" sagte Marvin, dass es sich insgesamt um vier Geräte im Gesamtwert von 2.800 Euro handele. Die Staatsanwaltschaft Hamburg bestätigte auf Nachfrage von NEON, dass wegen des Verdachtes auf Hehlerei gegen den Youtuber ermittelt wird; im Zuge dessen sei es auch zu Durchsuchungen gekommen. Die sichergestellten Funkgeräte würden zurzeit ausgewertet.
"Ich glaube, die haben noch gar keinen Überblick"
Doch Marvin kritisiert in seinem Video nicht nur den Umgang der Staatsanwaltschaft mit seinem angeblich rechtmäßigen Eigentum, sondern auch die Ermittlungsarbeit der Polizei. Denn nach Aussagen des Youtubers beruhe die ganze Ermittlung gegen ihn auf einem Irrtum: Einige der verschwundenen Funkgeräte seien nämlich im Internet zum Kauf angeboten worden. Auf dem Portal "ebay Kleinanzeigen" sei die Polizei dann auf einen Nutzer namens "Marvin aus Gladbeck" aufmerksam geworden, der Funkgeräte "mit mehreren Funktionen" zum Kauf angeboten habe. Die Ermittler hätten "ItsMarvin" hinter dem Account vermutet und schließlich seine Privaträume durchsucht. "Ich finde die ganze Sache eigentlich lustig", teilt der 28-Jährige seinen Followern im Video mit. Doch er wolle nun endlich seine Geräte wiederhaben um weiterarbeiten zu können und sei "einfach gefrustet von der Polizeiarbeit.“ Er vermutet außerdem, dass die Polizei gar keinen Überblick habe, wie viele Geräte eigentlich verschwunden seien.
Auch wenn die BSI-Karten gesperrt werden können, sobald sie sich außerhalb des Zugriffsbereiches der Polizei befinden, wie die Polizei Hamburg auf Nachfrage mitteilte, ist die gesamte Geschichte für Polizei und Staatsanwaltschaft durchaus unangenehm. War im Februar noch die Rede von neun verschwundenen Geräten, spricht die Polizei nach Stand Ende Mai von 20 Geräten, die gestohlen oder sonst abhanden gekommen seien. Bei einem Bestand von insgesamt 4.600 Handfunkgeräten eine beachtliche Anzahl. Wie viele der Geräte bisher wieder aufgetaucht sind, will die Polizei aufgrund von ermittlungstechnischen Gründen aktuell nicht bekannt geben. Und auch zur Frage, welches Risiko von den entwendeten Geräten ausgeht, wollten sich weder Staatsanwaltschaft noch Polizei äußern.