Kicken für schöne Tore und den guten Zweck: Das ist seit 1977 das Motto der Parlamentsmannschaft von Niedersachsen. Die Fraktionsabgeordneten treffen sich, um Fußball zu spielen. Doch in der aktuellen Legislaturperiode hat der FC Landtag noch kein einziges Spiel bestritten. Der Grund: die AfD.
Nachdem die Rechtspopulisten im vergangenen Jahr in den niedersächsischen Landtag eingezogen waren, fragte sich das Traditions-Team: Wie soll man mit den Abgeordneten der rechten Partei umgehen? Ins Abseits stellen oder mitkicken lassen? Die übrigen vier Fraktionen entschieden, dass jeder Spieler eine Ehrenerklärung unterschreiben muss, bevor er auf den Platz darf. Darin heißt es unter anderem, man dulde keine Diskriminierungen, Belästigungen oder Beleidigungen aufgrund von Geschlecht, ethnischer Herkunft, Hautfarbe, Religion oder sexueller Orientierung und wolle Vielfalt auf und abseits des Platzes achten und fördern.
AfD: Vielfalts-Erklärung nicht unterzeichnet
Die niedersächsische AfD wollte die Vielfalts-Erklärung der Abgeordneten-Mannschaft FC Landtag nicht unterschreiben und darf nun deshalb nicht mitkicken. "Wir wollen eine aus dem Ethik-Kodex des DFB übernommene Ehrenerklärung zu Toleranz nicht unterschreiben", sagte der AfD-Abgeordnete Harm Rykena. NEON fragte bei Herrn Rykena nach, wie seine Partei zum Thema Vielfalt steht.
Herr Rykena, in der Pressemittelung Ihrer Fraktion heißt es: "Für uns ist Vielfalt an sich nicht förderwürdig." Wieso das?
Wir sind der Meinung, dass Vielfalt ein tolles Erlebnis sein kann, aber im Alltag oft eine Belastung darstellt. Deshalb halten wir es nicht für richtig, die Vielfalt dahingehend zu fördern, dass das Zusammenleben in unserem Land dadurch erschwert wird.
Inwiefern erschwert die Vielfalt nach Ihrer Ansicht das Zusammenleben hier in Deutschland?
Nehmen wir einfach mal den Ort, aus dem ich komme. In meiner Gemeinde ist ein Ort besonders vielfältig, was die Herkunft der Menschen angeht. Dieser Ort kostet die Gemeinde die meisten Sozialgelder und verursacht die meisten sozialen Probleme.
Aber liegt das vor allem daran, dass dieser Ort vielfältig ist – oder hat das mehrere Gründe, weil zum Beispiel in diesem Ort größtenteils Menschen aus sozial schwächeren Schichten leben?
In diesem Ort leben inzwischen mehr Migranten als Deutsche. Das hängt mit der Vielfalt der Bevölkerungsstruktur zusammen. In der Folge davon hängt es natürlich an sozialen Punkten. Diese entstehen allerdings durch die höhere Vielfalt.
Mit anderen Worten: Das Problem ist der Multikulturalismus?
Die Bundeskanzlerin Angela Merkel hat doch 2010 auf dem Deutschlandtag der Jungen Union selbst gesagt, dass Multikulti gescheitert ist. Seitdem steht es um Multikulti nicht besser. Es wird uns aber immer wieder erzählt, dass das besonders erfolgsversprechend für Deutschland wäre. Dabei ist Multikulti schon lange gescheitert.
Wenn man sich aber die Globalisierung insgesamt anschaut, hat Multikulturalismus doch auch viel Positives für die Gesellschaft getan?
Völlig richtig, aber an der Stelle sagen wir von der AfD: Wir können Vielfalt da akzeptieren, wo sie uns auch Vorteile bringt. Im Fall des FC Landtages geht es darum, Vielfalt an sich zu fördern, selbst dann, wenn sie keine Vorteile bringt. Das Ergebnis ist ein Zustand, der sehr viel schlechter ist, als das, was man vorher hatte. Uns ist auch klar: Wenn man sich durch ausländische Arbeitskräfte und Unternehmen verbessern kann, ist das völlig in Ordnung, aber das ist keine Eigenschaft der Vielfalt an sich, sondern von hoch qualifizierten Leuten – und das erreicht man nicht automatisch durch die Förderung der Vielfalt.
Aber ist diese Verurteilung des Begriffs Vielfalt nicht schon verkappte Diskriminierung?
Nein, das glaube ich nicht. Wir verurteilen ja den Begriff Vielfalt nicht. Wir verurteilen die Förderung von Vielfalt. Vielfalt an sich können wir akzeptieren. Vielfalt kann eine Bereicherung bedeuten – wenn man Glück hat. Aber in jedem Fall ist sie zunächst einmal eine Belastung. Ich behaupte, in einem Großteil der Fälle bleibt es bei einer Belastung.
AfD-Politiker Rykena: "Wir sollten Vielfalt nicht noch weiter fördern"
Sie sprechen von einer Belastung. Auf der anderen Seite beschweren sich viele Menschen mit Migrationshintergrund über Alltagsrassismus. Und tatsächlich haben Bewerber mit türkischem Namen schlechtere Chancen, einen Job zu bekommen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Forschungsbereichs des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR). Liegt es also nicht an einer falschen Integrationspolitik?
Ich merke, dass andere Länder genau die gleichen Probleme haben. Dementsprechend scheint es mir kein deutsches Problem zu sein. Außerdem hat Herr Sarrazin sehr viele Studien und Zahlen in seinen Büchern präsentiert. Da finden Sie zum Beispiel auch, dass die türkischen Bewerber nicht gleich qualifiziert sind. Eine Folge davon ist, dass sie deshalb von Firmen abgelehnt werden. Hier wird Ursache und Wirkung verwechselt.
Was würde die AfD deshalb verändern wollen?
Wir sollten zunächst einmal die Vielfalt nicht noch weiter fördern. Deutschland hat nämlich ohnehin schon große Probleme mit der jetzigen, bestehenden Vielfalt – und das weiter zu fördern, würde die Probleme nur verstärken. Das wiederum führt zu noch mehr Unfrieden in der Gesellschaft.
Sie sagen, dass die weitere Förderung von Vielfalt das Problem ist. Aber werden Sie mal konkret: Was wollen Sie dagegen unternehmen?
Ganz klar: Den Zuzug von weiteren kulturfremden Menschen erst einmal unterbinden, um dann im nächsten Schritt diejenigen, die schon hier leben, in die Gesellschaft zu integrieren. Das meinen wir, wenn wir davon sprechen, die Vielfalt einzuschränken. Denn ein integrierter Mensch fügt sich eben in die bestehende Gesellschaft ein.
Macht es sich Ihre Partei nicht zu einfach, komplexe Themen monokausal auf Migration zu beschränken?
Wir beschränken uns nicht nur auf ein Thema. Aber bei ganz vielen Punkten – ob Bildungspolitik, Kriminalität oder den Mietpreisen – hängen die Probleme mit der zu starken Zunahme von Vielfalt zusammen. Wir erkennen die Ursache für Probleme wie beispielsweise beim Thema der Mietpreise: Durch den Zuzug von vielen Migranten kommt es zu einer erhöhten Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt. Das führt wiederum zu höheren Preisen bei zu wenig Wohnungen. Nun sprechen wir aber diese Problematik an – und sie wird von vielen als Tabu betrachtet.
Sie sprechen Ihren Fachbereich Bildungspolitik an. Mögen Sie da vielleicht einmal konkreter werden, inwiefern Vielfalt hier ein Problem darstellt?
Ich lasse einmal die Diplomaten-Schulen weg. Das ist eine ausgesuchte Klientel. Grundsätzlich lässt sich sagen: Je vielfältiger eine Schule ist, desto größer sind die Probleme, was das Unterrichtsniveau betrifft. Wenn man sich dann vor allem die Problemschulen anschaut, die sich gerade dadurch auszeichnen, dass sie einen unglaublich hohen Migrantenanteil haben, liegt das Problem doch auf der Hand. Aber der breiten Gesellschaft wird immer verkauft, dass viele Kulturen ein Gewinn für die Schulen sind. Es ist aber eine Belastung.
Nun ist es aber auch oft so, dass an Brennpunktschulen die Schüler aus sozial schwachen Familien kommen. Und eine Studie des Stifterverbands und der Unternehmensberatung McKinsey hat gezeigt, dass von 100 Kindern, deren Eltern nicht studiert haben, nur jedes fünfte später studiert. Bildung hängt also noch immer stark von der sozialen Herkunft ab.
Aber gerade deshalb sollten wir es doch nicht fördern, dass noch mehr Menschen aus bildungsfernen Schichten an unsere Schulen und in unser Sozialsystem kommen. Und genau deshalb habe ich diese Vereinbarung des FC Landtages nicht unterschrieben. Wir brauchen keine weitere Förderung dieser Art von Vielfalt.
