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Jüngster CDU-Abgeordneter Sagen Sie mal, Herr Amthor, wie viele geflüchtete Menschen kennen Sie privat?

Philipp Amthor
Jung, politisch, konservativ: Philipp Amthor ist der zweitjüngste Bundestagsabgeordnete
Philipp Amthor ist mit 25 das jüngste CDU-Mitglied im Bundestag – und der zweitjüngste Bundestagsabgeordnete. Ein Gespräch über Flüchtlinge, Heldenmut und Harry Potter.
Von Katharina Weiß

Die Konservativen in der Krise: Die letzten Tage waren bestimmt von einem Streit der alten Unionsriege. Was sagt aber Philipp Amthor, mit 25 der jüngste CDU-Abgeordnete, zur Lage im Asylstreit?

NEON trifft Amthor in seinem Arbeitszimmer in Berlin. Würde ihn ein Klassenkamerad aus Abiturzeiten besuchen, könnte der sich beim Anblick von Amthors Büro wohl kaum ein "Fett, Alter" verkneifen. Ein riesiges Fenster erhellt den Raum, der mit zwei Bildschirmen und im wahrsten Wortsinn staatstragenden Wälzern dekoriert ist. Das Beste aber: Bevor man in Amthors Arbeitszimmer kommt, empfangen einen zunächst sein Büroleiter und eine Mitarbeiterin.

Philipp Amthor im Berghain? Die Vorstellung ist beinahe grotesk

Während andere mit 25 als Praktikanten noch Kopien und Kaffee für den Chef anfertigen müssen, hat Amthor zwei Menschen – denen er altershierarchisch eigentlich unterlegen sein müsste – die dies für ihn tun. Zwischen dem Abitur und dem Einzug in den Bundestag per Direktmandat 2017, lag für den Sohn einer alleinerziehenden Callcenter-Mitarbeiterin nur das Jura-Studium in Greifswald.

Amthor ist vom Scheitel bis zur Sohle ein Dandy, der mit seiner politischen Haltung eher Applaus von gesetzteren Mitbürgern als von seiner eigenen Altersgruppe erhält. Sich vorzustellen, dass sich der 25-Jährige auch mal mit Twentysomething-Themen wie Tinder oder Techno rumschlagen muss, ist beinahe grotesk. Der CDU-Innenexperte demonstriert die Würde des Amtes mit einer beachtlichen Konsequenz – und positioniert sich immer wieder betont konservativ in Politikfragen.

Herr Amthor, wie viele geflüchtete Menschen haben Sie eigentlich in Ihrem Freundeskreis?

Erst gestern habe ich eine Migrationsklasse aus meinem Wahlkreis hier im Deutschen Bundestag empfangen. Natürlich sind es dramatische Schicksale, wenn mir da von der Flucht übers Mittelmeer berichtet wird. Aber das verleitet mich dann doch nicht dazu, zu sagen, dass sich deshalb noch viele weitere auf diese dramatische Reise begeben sollen.

Im klassischen Feierabend-Freundeskreis gibt es also keinen geflüchteten Menschen, den man vielleicht bei einem Event kennengelernt hat und mit dem man privat zusammensitzt?

Ist das bei Ihnen so?

Ja, durchaus.

Ehrlich? Ok. Vielleicht habe ich zu wenig Feierabend.

Die Begrenzung der Zuwanderung ist aber ein zentrales Thema für Sie.

Begrenzung und Steuerung der Migration fordern den Staat als solchen heraus. Im Fokus steht die illegale Migration. Es wird nicht klar getrennt, zwischen legaler und illegaler Migration …

… weil es keine legalen Möglichkeiten gibt.

Doch, gibt es. Zum Beispiel ist im EU-Türkei-Aktionsplan über Resettlement eine Möglichkeit der legalen Zuwanderung verankert, und wir diskutieren auch über ein Fachkräftezuwanderungsgesetz. Völlig klar ist aber, dass wir in Deutschland momentan 10.000 Ausreisepflichtige ohne Aufenthaltsrecht haben, die wir nicht ausgewiesen bekommen zu vielen Teilen – und das löst bei den Leuten zurecht Verunsicherung und Empörung aus. All diese Exzessfälle – der Mord in Kandel oder an Susanna F. in Wiesbaden – sind natürlich nicht verallgemeinerbar. Zu sagen 'Alle Flüchtlinge sind kriminell' ist natürlich Quatsch. Aber es gibt eben Schattenseiten der Migration. Wir müssen als Staat beweisen, dass wir auch Antworten darauf kennen.

Haben Sie den Eindruck, dass der gesellschaftliche Frieden angeknackst ist?

Ja, ich habe den Eindruck, dass das Vertrauen in den Rechtsstaat stark angeknackst ist. Die Leute befürchten, der Rechtsstaat verkommt vom starken Tiger zur Schmusekatze. Das ist ein Problem: Recht muss hart und konsequent durchgesetzt werden – sonst verlieren die Bürger das Vertrauen in den Rechtsstaat. Ich habe mich deshalb dafür entschieden, Innenpolitik zu machen, weil ich es für wichtig erachte, dafür zu kämpfen, dass unser Staat seine Bevölkerung schützt und sein Recht durchsetzt, um das Vertrauen zu erhalten.

Finden Sie, dass die Bevölkerung die Union und vor allem Angela Merkel zurecht für Pannen und Veräumnisse in der Asylpolitik abstraft?

Erstmal ganz wichtig: Angel Merkel wurde nicht abgestraft, sondern wiedergewählt. Mich stört diese zunehmende Personalisierung in der Politik. Man kann ja in der Sache streiten – aber jetzt diese krude Idee zu vertreten, Angela Merkel sei Schuld an allem, ist doch sehr absurd. Die Frau reibt sich auf. Sie steht, genauso wenig wie ich oder andere, morgens nicht mit dem Vorsatz auf, die Bürger zu ärgern. Wir alle wollen Erfolge für Deutschland erzielen. Im Rückblick muss man festhalten: Begrenzung ist natürlich nicht alles, Humanität gehört genauso dazu. Das sind zwei Seiten einer Medaille.

Ulrike B., Leiterin der Außenstelle des Bremer Bamf, soll zwischen 2013 und 2016  in 1200 Fällen unrechtmäßig Asyl gewährt haben. Über ihre Motive wurde viel spekuliert, manche unterstellen ihr puren Heldenmut: Ist es nicht die Pflicht eines jeden moralischen Menschen, seinem Nächsten zur Freiheit zu verhelfen?

Nee, überhaupt nicht. Das Entscheidende ist: In unserem modernen Verfassungsstaat steht am Ende nicht nur Moral, sondern Recht. Und dieses Recht ist ja nicht in Unmoral geronnen. Klar kann man über Gesetze immer wieder diskutieren. Aber es geht nicht, dass der Einzelne sagt: Ich habe moralischen Heldenmut und setzte mich über eine freiheitliche demokratische Rechtsordnung hinweg. So ist kein Staat zu machen! Ein schlimmes Beispiel ist die Diskussion um das Schiff 'Lifeline'. Man muss dann immer vom Ende her denken und sich fragen: Wozu führt das?

Erst heute habe ich Videobeitrag gesehen, in dem Kapitän des Schiffes zu Wort kam. Eindringlich beschreibt er, wie sich ein Geflüchteter an seinem Bein festklammert und droht, sich von Bord zu stürzen, wenn er ihn an Libyen ausliefert. Es fällt schwer, dem Mann seine Entscheidung abzusprechen, so emotional wie das ist.

Natürlich ist das unfassbar schwer. Angela Merkel kam 2015 mit dem tränenüberströmten Flüchtlingsmädchen Reem zusammen, das mit ihrer Familie das Land verlassen sollte. Das zerreißt einem natürlich das Herz, das ist doch klar. Das ist nie schön. Aber unter dem Strich muss man sich eben fragen: Wozu führt das? Merkel hat in der Situation nicht die Büchse der Pandora geöffnet, sondern gesagt: So funktioniert ein Rechtsstaat. Was sie richtig gemacht hat. Es wäre falsch gewesen zu sagen: Nein, weil dein Schicksal mir persönlich so leid tut, kannst du bleiben.

Seit Ihrem Einzug ins Parlament gibt es quasi wöchentlich eine neue Krisenlage: Die monatelangen Koalitionsverhandlungen, die Bamf-Affäre und nun der Asylstreit. Hätten Sie sich manchmal gewünscht, in glorreicheren Tagen Bundestagsabgeordneter zu werden?

Ich habe immer gesagt, dass ich mir eine spannende politische Zeit wünsche – die habe ich jetzt bekommen. Ein Bundestagsmandat ist kein Wellnessurlaub. Das sind historische Stunden, in denen ich mich bewege – und deshalb habe ich mich auch so stark eingebracht. Hätten wir die Einheit von CDU und CSU nicht gewahrt, hätte ich mich ungerne in ein paar Jahren fragen lassen wollen: Was hast du damals eigentlich gemacht?

Hat es Sie eigentlich gestört, dass der AfD-Abgeordnete Albrecht Glaser Sie im Bundestag kürzlich mit "Verehrter Herr Kollege Harry Potter" ansprach?

Ich glaube, man kann mit Harry Potter nicht diffamiert werden. Daher erlaubte ich mir auch die Bemerkung: "Herr Kollege, Harry Potter ist sehr beliebt!"

Können Sie denn mit "Harry Potter" etwas anfangen?

Die Bücher habe ich natürlich auch gerne gelesen, die letzten Teile dann zuerst auf Englisch, um nicht abwarten zu müssen, bis sie auf Deutsch rauskamen. Ich habe bei vielen Figuren etwas von mir wiedergefunden. Manchmal neige ich vielleicht auch zur Besserwisserei von Hermine Granger.

Jüngster CDU-Abgeordneter: Sagen Sie mal, Herr Amthor, wie viele geflüchtete Menschen kennen Sie privat?

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