Nach dem Scheitern eines Forschungsprojekts zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche hat Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) die Kirche aufgefordert, sich einer Aufarbeitung des Skandals durch Experten zu öffnen. "Es ist ein notwendiger und überfälliger Schritt, dass sich die katholische Kirche öffnet und erstmals kirchenfremden Fachleuten Zugang zu den Kirchenarchiven ermöglicht", sagte die Ministerin der "Süddeutschen Zeitung". Die "dramatischen Erschütterungen" dürften nicht "in einer halbherzigen Aufarbeitung versickern".
Die Deutsche Bischofskonferenz hatte zuvor den Vertrag mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) zur Aufarbeitung des Missbrauchsskandals "aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung" gekündigt. Der Missbrauchsbeauftragte der Kirche, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, begründete diesen Schritt damit, dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem KFN-Direktor Christian Pfeiffer und den Bischöfen "zerrüttet" sei.
Pfeiffer wiederum warf den Bischöfen vor, sie hätten die Arbeit der Forscher kontrollieren wollen. So hätten Doktorarbeiten oder Habilitationen zur Genehmigung vorgelegt werden sollen, sagte der Forscher im ZDF-"Morgenmagazin". Diese hätten dann nicht veröffentlicht werden dürfen, wenn die Kirche "aus wichtigem Grund" dagegen gewesen wäre. Offenkundig hätten einige in der Kirche nicht gewollt, dass die Dinge aufgedeckt würden.
Leutheusser-Schnarrenberger forderte den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, auf, sich rasch zu den Vorwürfen zu äußern. "Der Vorwurf, Zensur und Kontrollwünsche behinderten eine unabhängige Aufarbeitung, sollte durch den Vorsitzenden der Bischofskonferenz schnell aus der Welt geschafft werden", sagte die Ministerin. Sie verteidigte zugleich das von Pfeiffer geleitete Forschungsinstitut. Dieses sei eine der ersten Adressen, um "eine unabhängige wissenschaftliche Aufarbeitung" vorzunehmen, sagte sie der "SZ".