Bis zum Mittag wurden landesweit 94 Menschen festgenommen. In ganz Frankreich sollte es etwa 260 Protestkundgebungen geben. Sicherheitskräfte rechneten insgesamt mit bis zu 900.000 Teilnehmern. In Paris begann der Demonstrationszug am Nachmittag am Bastille-Platz.
"Wir haben eine klare Botschaft für die Regierung von (Premierminister) Sébastien Lecornu: Wir wollen einen Haushalt, der für steuerliche, soziale und ökologische Gerechtigkeit steht", sagte CFDT-Gewerkschaftschefin Marylise Léon, die an der Pariser Demonstration teilnahm.
Um eine Eskalation zu verhindern, waren etwa 80.000 Polizisten im Einsatz, ausgestattet mit Wasserwerfern und zahlreichen Drohnen. Sicherheitskräfte rechneten damit, dass sich mehrere hundert Randalierer unter die Demonstranten mischen könnten.
Streiks mehrerer Berufsgruppen legten zudem Teile des öffentlichen Lebens lahm. Nach Angaben des Bildungsministeriums legten etwa 17 Prozent der Lehrkräfte die Arbeit nieder, die Lehrer-Gewerkschaft sprach von 45 Prozent. Knapp zwei Dutzend Gymnasien wurden durch protestierende Schülerinnen und Schüler blockiert. Die Pariser Universität Tolbiac wurde nach ersten Ausschreitungen im Zuge der Proteste geschlossen.
Auch der französische Bahnverkehr war von den Streiks betroffen: Etwa die Hälfte aller Regionalzüge fiel am Donnerstag aus. In Paris fuhren die meisten U-Bahnlinien nur stundenweise während des Berufsverkehrs. "Der Verkehr ist gestört, aber nicht komplett blockiert", sagte Verkehrsminister Philippe Tabarot. Im nordfranzösischen Lille blockierten Demonstranten zeitweise ein Bus-Depot.
"Wir wollen der Regierung zeigen, dass wir die Nase voll haben, jede Menge Steuern zu zahlen", sagte ein Fahrer der Müllabfuhr, Samuel Gaillard. "Ich war schon bei den Gelbwesten dabei, seitdem hat sich die Lage nur verschlimmert", sagte der 64 Jahre alte Bruno Cavelier aus Lyon bezogen auf die Gelbwesten-Protestbewegung, die 2019 zu massiven Ausschreitungen geführt hatte.
Der Pariser Polizeipräfekt hatte Ladeninhaber aufgerufen, ihre Geschäfte zu schließen. Die Regierung riet Beschäftigten, wenn möglich im Home Office zu bleiben. Innenminister Bruno Retailleau zeigte sich am späten Vormittag bereits optimistisch: Die Proteste seien "weniger schlimm als erwartet", erklärte er.
Auslöser der Proteste, zu denen die Gewerkschaften aufgerufen hatten, waren die Sparpläne des inzwischen gestürzten Premierministers François Bayrou. Er hatte 44 Milliarden Euro einsparen wollen, unter anderem durch das Streichen von zwei Feiertagen. Darüber hinaus wächst bei vielen Franzosen die Wut auf Präsident Emmanuel Macron, der in den Umfragen auf einen Tiefpunkt abgerutscht ist.
Bayrous Nachfolger Lecornu, der noch keine neue Regierung ernannt hat, berät derzeit mit Vertretern der Parteien, um einen Haushaltskompromiss für das hoch verschuldete Land zu finden. Der geplanten Streichung von Feiertagen hat er bereits eine Absage erteilt. Er kündigte gewisse Einschränkungen bei Privilegien für ehemalige Premierminister an.
Lecornu war am Mittwoch mit Vertretern der linksgrünen und der rechtspopulistischen Opposition zusammengetroffen. Bislang zeichnet sich in den Verhandlungen kein Kompromiss ab. Mit der Vorstellung einer neuen Regierung wird nicht vor Ende kommender Woche gerechnet, nach der Rückkehr Macrons von der Generaldebatte der Vereinten Nationen in New York.
Die Beteiligung an den Protesten war am Donnerstag deutlich größer als an einem Protesttag in der vergangenen Woche, zu dem sehr verschiedene Gruppen in Onlinediensten aufgerufen hatten. Im Reigerungslager bestehen Befürchtungen, dass die Proteste sich zu einer länger anhaltenden Bewegung ausweiten - die sich vor allem gegen Macron richtet.
Frankreich ist derzeit mit etwa 114 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes (BPI) verschuldet, das Defizit lag im vergangenen Jahr bei 5,8 Prozent des BPI. Die Rating-Agentur Fitch hatte Frankreichs Bonität deswegen in der vergangenen Woche herunter gestuft.