Berührungsängste zur rechtsextremen Wählerschaft kann sich François Hollande nicht leisten: "Ich muss sie überzeugen, dass es die Linke ist, die sich für sie einsetzt." Der Sozialist ist auf Stimmen vom rechten Rand angewiesen, wenn er am 6. Mai zum Präsidenten Frankreichs gewählt werden will. Im Wahlkampf-Team der Sozialisten wurde daher unter Hochdruck an einer Strategie gearbeitet, um mehr als 20 Prozent der Wähler der Rechtsextremen Marine Le Pen zurück ins linke Lager zu holen. Hollande will sich allerdings nicht bei den Rechten anbiedern.
Hollande kündigte in einem großen Interview für die linke Zeitung "Libération" an, dass er zunächst einmal "nicht den Fehler machen" werde, die eigene, linke Klientel "zu vergessen". Nach einer simplen Rechnung reichen das linke Lager mit insgesamt rund 44 Prozent in der ersten Wahlrunde plus etwa drei Prozent Hollande-Befürwortern aus dem Zentrum aber noch nicht aus, um in der Stichwahl gegen Präsident Nicolas Sarkozy über 50 Prozent zu kommen.
Die Le-Pen-Wähler wiederum spalten sich in der zweiten Wahlrunde traditionell auf: Ein Teil sind überzeugte Rechtsextreme, die bei der Stichwahl entweder gar nicht wählen gehen oder für den konservativen Präsidenten stimmen. Doch ein Teil "kommt von der Linken", ist "gegen Privilegien, gegen die Finanzglobalisierung, gegen ein versagendes Europa", analysierte Hollande. Sie treibe "soziale Wut" an.
Um diese Wähler zurückzugewinnen, plädieren die sozialistischen Wahlkampfstrategen für einen "industriellen Patriotismus", der schon in Hollandes Programm angelegt sei. Der Meinungsforschungsexperte der Partei, François Kalfon, nannte das im Magazin "Express" auch "die Identität Frankreichs innerhalb Europas neu definieren". Den strikten Sparkurs in Europa will Hollande ohnehin durch Programme für Wachstum und Arbeit ergänzen.
Im Klartext geht es für die Sozialisten darum, den Franzosen mit schlechter Ausbildung, niedriger Bezahlung oder gefährdeten Jobs wieder Hoffnung zu geben. Denn genau diese Bevölkerungsschicht wählte besonders stark Le Pen, die insgesamt 18 Prozent erreichen konnte. Die drei Hauptgruppen der Le-Pen-Wähler seien "kleine Händler und Selbstständige, dann Arbeiter, und schließlich Frauen aus dem Proletariat des Dienstleistungssektors wie die Kassiererin im Supermarkt", analysiert Rechtsextremismus-Expertin Nonna Mayer.
Die nordostfranzösische Kleinstadt Hirson ist solch eine Le-Pen-Hochburg: Fast 25 Prozent der rund 10.000 Einwohner stimmten in der ersten Wahlrunde für die Rechtsextreme. Viele Industriearbeitsplätze gingen in den vergangenen Jahren verloren, Einwohner wanderten ab. Hollande besuchte dort eine Firma und verkündete, er wolle "Hoffnung" schaffen statt "Angst"-Reden zu halten.
Die Sozialisten schickten zudem "zwei Karawanen" ihrer Jugendorganisation MJS aufs Land, darunter in das südfranzösische Département Gard, wo Le Pen mit 25,51 Prozent in der ersten Runde sogar auf dem ersten Platz gelandet war. Rund um "Berufsschulen und Fußballstadien" sollte mit jungen Leuten gesprochen werden. Denn bei den Wählern zwischen 18 und 24 Jahren lag der Anteil für Le Pen ebenfalls überdurchschnittlich hoch, genauso wie auf dem Land.
Heikel wird das Werben um Le-Pen-Wähler für die Sozialisten jedoch bei Themen wie der Einwanderung. Ein großer Teil dieser Wähler sei "ausländerfeindlich", stellte Parteisprecher Benoît Hamon trocken fest. Viele Franzosen wollten eben "beschützt" werden, war er sich sicher und lag damit ausnahmsweise auf einer Linie mit Sarkozy, der massiv um die rechten Wähler buhlt.
Hollande will zwar gegen "illegale Einwanderung" vorgehen. Von seinem Wahlprogramm will er aber keinen Zentimeter abrücken. Der Sozialist stellte klar: Das Ausländerwahlrecht bei Kommunalwahlen wird im Falle seiner Wahl eingeführt.