Ein Stern-Bericht über vergewaltigte Frauen in Bosnien, den sie 1992 bei einem Sauna-Besuch zufällig las, brachte den Stein ins Rollen: Wenige Wochen später reiste Monika Hauser in das damalige Kriegsgebiet. 1993 gründete die Ärztin in Zenica das erste Gesundheitszentrum für traumatisierte Frauen; ein Jahr später rief sie die Organisation Medica Mondiale ins Leben, die inzwischen Projekte in mehr als zehn Ländern betreibt.
Für ihr Engagement erhielt die 49-Jährige am Montag den Alternativen Nobelpreis. "Es ist etwas in mir aufgebrochen - und ich bin aufgebrochen. Von einer Woche auf die andere habe ich alles mobilisiert", beschreibt es Hauser in ihrer Biografie "Nicht aufhören anzufangen". Der Zeitpunkt im Herbst 1992 war für den Aufbruch günstig: Hauser hatte damals gerade ihre Assistenzarzt-Stelle im Ruhrgebiet gekündigt, um eine Zeit lang im Ausland zu arbeiten. Auf abenteuerlichen Wegen schlug sich die 1959 in Thal in der Schweiz geborene Ärztin kurz nach Weihnachten 1992 nach Zenica durch, einer Stadt in Mittelbosnien, in der damals viele Flüchtlinge lebten.
"Meine Unbedarftheit hat mich geschützt"
"Meine Unbedarftheit hat mich davor geschützt, Zweifel zu hegen. Hätte ich damals das Wissen gehabt, das ich heute habe - ich wäre da nie allein hingegangen", erklärte sie später. In dem von ihr gegründeten Therapiezentrum in Zenica wurden Frauen medizinisch, aber vor allem auch psychologisch betreut. Etwa 60.000 Bosnierinnen, so schätzt Monika Hauser, fanden die Jahre über hier Hilfe. Inzwischen engagiert sich Hausers Organisation längst nicht mehr nur auf dem Balkan. Es gibt Projekte in Liberia, im Kongo, in Indien oder Indonesien; einer der Schwerpunkte ist Afghanistan. Eine wichtige Rolle bei der Arbeit spielen einheimische Expertinnen und Frauengruppen. Medica Mondiale bietet ihnen Schulungen in Traumaarbeit an, stellt eigene Psychologinnen zur Verfügung. "Wir setzen sehr stark auf Frauenprojekte vor Ort, um nicht immer wieder neue Strukturen aufzubauen", sagte Hauser. Voraussetzung für die Arbeit ist, dass die Grundbedürfnisse der Betroffenen befriedigt sind: "Mit einer Frau, die nichts zu essen hat, kann ich nicht über ihr Trauma sprechen."
Kritik an deutschen Soldaten im Ausland
Auch das Umfeld muss einigermaßen stabil sein. "Im Irak zum Beispiel kann ich keine Traumaarbeit mit Frauen machen", erklärte Hauser. Für die Ärztin ist sexualisierte Kriegsgewalt gegen Frauen keineswegs nur ein Problem anderer Ländern. Scharf kritisierte sie deutsche Soldaten im Auslandseinsatz, die dort Zwangsprostituierte aufsuchten. Das Bundesverteidigungsministerium müsse sich mit der Frage auseinandersetzen: "Was tun unsere Jungs vor Ort?" forderte sie. Mit ihrem Mann, einem Tontechniker des WDR, und dem zwölfjährigen Sohn lebt Hauser in Köln. "Ich habe das Privileg eines europäischen Passes, ich habe eine gute Ausbildung genießen können, ich bin stark", schrieb sie im Vorwort ihrer Biografie. "Ich muss diese Privilegien nutzen, um andere Frauen, die auf der Schattenseite leben, zu unterstützen."