Bundeswehrkaserne Coesfeld Misshandlung und Entwürdigung von Rekruten

Im größten Strafprozess in der Geschichte der deutschen Bundeswehr haben ehemaligen Rekruten der Freiherr-von Stein-Kaserne ausgesagt: Die Soldaten wurden vom Kompagniechef und den Ausbildern mit Stromschlägen misshandelt, getreten, geschlagen.

Im Prozess um Misshandlungen bei der Bundeswehr hat ein früherer Rekrut aus der Coesfelder Freiherr-vom-Stein Kaserne einen Teil der Anklagepunkte bestätigt. Der ehemalige Soldat eines Instandsetzungsbataillons hat im Münsteraner Bundeswehrprozess unter anderem von Übergriffen auf Soldaten während einer Geiselnahmeübung berichtet. Er war einer von 82 Rekruten, die am 8. Juni 2004 während eines Feldmarsches überfallen wurden und auf einem Truppenübungsplatz an fingierten Verhören teilnahmen.

Simulierte Geiselnahmen

Auf dem Bauch liegend habe er einmal Widerworte gegeben, berichtete der 22-jährige Zeuge. Daraufhin habe ihm einer der beiden Ausbilder seinen Stiefel unter die Hoden geschoben und die Stiefelspitze angehoben. "Das tat weh", sagte der 22-Jährige vor dem Landgericht Münster. Zwar sei er darauf aufmerksam gemacht worden, dass er die Übung abbrechen könne, doch als Gruppenführer habe er das nicht gewollt. Von anderen Ausbildern sei er mit einer Kübelspritze nass gespritzt worden. Außerdem soll ihm Sand in die Feldbluse gekippt worden sein. Als er Liegestützen gemacht habe, sei ihm der Kopf zu Boden geschlagen worden. Dafür habe sich der Ausbilder entschuldigt. Abgesehen von der Übung habe er seine Ausbilder in Coesfeld als korrekt erlebt, sagte der Zeuge: "Es ging zwar streng zu, aber das war schließlich keine Strickschule."

Der ehemalige Rekrut sagte zudem aus, die Truppe sei über die simulierte Geiselnahme nicht zuvor informiert worden. Ein Zugführer habe nur angekündigt, dass etwas passieren werde, bei dem er schon erwachsene Menschen habe weinen sehen.

Nach seiner Grundausbildung in Coesfeld war er beim Heerestruppenkommando in Koblenz stationiert. Dort hatte sich der 22-Jährige an die Wehrdisziplinarbeauftragte gewandt, nachdem er erfuhr, dass Rekruten während späterer Geiselnahmeübungen mit Stromschlägen traktiert wurden.

Ein zweiter Zeuge sagte, ihm sei bei einer Befragung Wasser mit einem Schlauch in Mund und Hose gespritzt worden. "Ich habe es aber nicht als so schlimm empfunden", sagte der 23-Jährige. Ein weiterer ehemaliger Rekrut beschrieb, wie ihm bei einer Befragung ein Stock in die Hose gesteckt wurde. Für ihn sei das aber nicht schlimm gewesen.

Ausbilder und Kompagniechef müssen sich verantworten

Vor der 8. Großen Strafkammer des Münsteraner Landgerichts müssen sich der Kompaniechef und 14 Ausbilder des Instandsetzungsbataillons Coesfeld verantworten. Ihnen wird Misshandlung und Entwürdigung von 163 Rekruten bei insgesamt vier simulierten Geiselnahmen im Sommer 2004 vorgeworfen. Dabei sollen die Rekruten laut Anklage mit Stromschlägen misshandelt, nass gespritzt, getreten und geschlagen worden sein. Es ist der größte Strafprozess in der Geschichte der Bundeswehr.

AP · DPA
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