Dieses Jahr ist dumm gelaufen. Ich mein, mit dem Karneval. Also, dass ich nicht nach Köln fahren kann. Weil ich mir den Spass zu spät organisiert habe. Die Freunde sind schon alle weg, seit Mitte der Woche, die Kinder abgegeben bei den Eltern, und melden sich vom Alter Markt oder aus dem Haus Müller, halten ihr Handy ins Bier, brüllen Kölle Alaaf ins Telefon und geben selig die Zahl der getrunkenen Kölsch durch, mindestens 30 in 14 Stunden, herrlisch dat. Und nicht mal viel Wasser getrinken zwischendurch, und gleich geht es weiter.
Das sind Meldungen vom anderen Ende der Welt. 15 Grad, Sonnenschein, alle jeck. Und ich, nicht am Rosenmontag geboren, aber am Rhein groß geworden, kurz hinter Köln, Karneval im Blut, hocke in Hamburg und hör mir das Spektakel aus der Ferne an. Kollegen, zufällig vorm Dom unterwegs, beruflich quasi, melden sich überschwänglich, Uli, prima hier, dein Karneval, ob ich nicht doch noch kommen wolle, sie seien gestern Abend versackt und beinahe abgeschleppt worden, das stimme ja alles, im rheinischen Karneval bliebe keiner lange allein und so.
Man kann auch mit Alkohol lustig sein
Heftiges Heimweh trieb mich sofort aus dem Büro und in die nächste Kölschkneipe um die Ecke, danke Globalisierung. Schnell zwei Kölsch im Stehen, alleine, so wird das auch später sein im Altersheim, dachte ich. Gleich danach bin ich im Kostümgeschäft um die Ecke in einen Radioreporter gelaufen, der wissen wollte, wie man denn als Hamburger Karneval feiern könnte oder Fasching oder wie die das hier nennen. Und ob man sich dann eine Pappnase aufsetzen würde. Du liebe Güte, Heimweh habe ich, trötete ich in sein Mikrofon. Dass man auch mit Alkohol lustig sein könne. Und der arme Mann, winterfest verpackt, verstand nicht. "Fahnen Fleck" hieß der Laden, ein viel versprechender Name, aber da drinnen gibt's nicht mal Wasser.
Leute, ich will kein Mitleid, ich wusste vorher, wie es mir jetzt geht. Das kann keiner erklären, der dabeigewesen ist, wie man im Rheinland sagt. Natürlich weiss ich, ich hab was falsch gemacht dieses Jahr, aber diesmal fällt Köln aus, fragt mich nicht, warum. Aber wenn man so durch Hamburg läuft, das Kölsch und die Lieder der vergangenen Jahre im Kopf, so leise vor sich hinschunkelt und die alten Lieder pfeift und dann all die Menschen sieht in ihren schwarzen Mänteln, hochgeschminkt und unverkleidet, lustig von innen, dann - Hallo Hamburg, tut mir leid! - kommt man sich vor wie auf einem Zentralfriedhof.
Und was hab ich noch gemacht, nach den zwei Kölsch im Stehen? Ich bin schnell in einen Buchladen gerannt. Und hab mir was zum Ablenken gesucht. Einen Roman. Wie der heisst? "Stille".
In diesem Sinne: Dreimal Kölle Alaaf. Oder wie man hier sagt: Da nicht für.