Starker Trieb und tödliche Gefahr Warum Sex für Katzen der reinste Stress ist

Eine schwarze Katze
Soll ich meine Katze oder meinen Kater kastrieren? Die Antwort von Tierschützern lautet eindeutig: ja
© Karina Hessland / Imago Images
Paarungen bei Katzen muten brutal an. Tatsächlich bedeutet der Geschlechtstrieb für die Tiere großen Stress – und birgt tödliche Risiken.

Wer einmal Zeuge einer Katzenpaarung war, den beschleicht ein mulmiges Gefühl. Es sieht brutal aus, wenn der Kater die Katze nach unten drückt und sie befruchtet. Menschen auf dem Land haben den Akt vielleicht schon einmal gesehen.

Man könnte meinen, solche Katzenpaarungen gäbe es hierzulande nur noch auf dem Dorf. Dort, wo etwa die Bauersfamilie ihre Katzen nicht kastriert, weil die Tiere schließlich Mäuse und Ratten fangen sollen und es nicht stört, wenn sie sich vermehren.

Weit gefehlt. Nach übereinstimmenden Berichten von Tierheimen und Tierschutzorganisationen streift inzwischen eine große Zahl von Streunerkatzen durch Städte und Metropolregionen in Deutschland. Wie viele es genau sind, ist unbekannt. Denn die verwilderten Hauskatzen leben demnach meist im Verborgenen, auf Industriebrachen, Firmengeländen oder unter Brücken. Es könnten an die zwei Millionen sein, schätzt beispielsweise der Deutsche Tierschutzbund.

Eine Katze und ein Kater paaren sich
Wenn ein Kater und eine Katze paarungsbereit sind, befinden sich die Tiere im Ausnahmezustand und haben nur noch die Fortpflanzung im Sinn

Es sind ehemalige Haustiere, die ausgesetzt wurden oder Nachkommen von unkastrierten Hauskatzen, heißt es in Berichten dazu.

Warum Menschen ihre Katzen nicht kastrieren lassen, kann mehrere Gründe haben. Manche möchten, dass ihre Katze zumindest einmal im Leben Nachwuchs bekommt, der später dann in liebevolle Hände vermittelt wird. Danach wird das Tier kastriert. Anderen erscheint der Eingriff bei der Tierärztin oder beim Tierarzt zu teuer. Und manche Katzenhalter sind der Auffassung, man dürfe den Tieren nicht "den Spaß verderben".

Mit der "Spaß"-Theorie räumen Vertreter von Tierheimen und Tierschutzverbänden allerdings in mehreren Interviews und Presseartikeln deutlich auf. Für weibliche Katzen und für Kater bedeute die Fortpflanzung Stress und Gefahren, die auch tödlich enden können, warnen sie und raten zur Kastration.

Geschlechtsreif im Alter von weniger als einem Jahr

Wird eine Katze mit etwa fünf bis acht Monaten das erste Mal geschlechtsreif, gerät sie in eine Art hormonellen Ausnahmezustand. Sie schreit und jammert, um einen Kater anzulocken, versprüht Urin und rollt sich auf dem Boden. Deshalb heißt diese Phase auch Rolligkeit. In dieser Zeit ist ihr gesamtes Verhalten nur auf den Geschlechtstrieb fixiert. Manche Tiere nehmen in dieser Zeit deutlich an Gewicht ab.

Rollig wird die Katze zwei bis drei Mal im Jahr – das bedeutet, dass sie auch so oft Junge bekommen kann. Pro Wurf sind es im Schnitt drei bis vier Kätzchen. Nach einer Grafik der Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" ist es möglich, dass aus einem einzigen Katzenpaar nach fünf Jahren bis zu 12.680 Nachkommen entstehen können. Das bedeutet auch jede Menge potenzielles Elend: Manche frei lebenden Katzen sind so krank und schwach, dass sie ihren Nachwuchs nicht versorgen können.

Wilde Katzen sterben früh an Krankheiten und Mangelernährung

"Katzen haben eine extrem hohe Vermehrungsrate", sagt Dalia Zohni, Fachreferentin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund, im Gespräch mit dem stern. "Fortpflanzeng dient nur der Arterhaltung bei Katzen. Das ist kein Spaß für sie." Im Falle von Streunerkatzen sterben viele Kätzchen in den ersten Monaten ihres Lebens, sagt Zohni. Gründe seien Krankheiten und Unterernährung.

Der Tierschutzbund setzt sich für flächendeckende Kastrations- und Kennzeichnungspflichten für Hauskatzen in Deutschland ein. Denn das Elend, das unkastrierte Katzen produzieren, ist extrem, wie auch immer wieder Berichte auf den Webseiten von Tierschutzvereinen in ganz Deutschland zeigen, die versuchen, mit Kastrations- und Fütterungsaktionen den Tieren zu helfen. Als Haustiere vermitteln lassen sich viele dieser verwilderten Tiere nicht.

Der Drang, Nachkommen zu zeugen ist so stark, dass Kater große Strecken wandern, um eine Partnerin zu finden. Die Gefahr, auf einer solchen Wanderung überfahren zu werden oder nach einem Kampf zu sterben, sind groß. Tierbesitzern sei oft gar nicht klar, wie sehr sie ihren Katzen schaden, wenn sie sie nicht kastrieren lassen, heißt es beispielsweise in einem Bericht des Hamburger Tierschutzvereins.

Lange Wanderungen auf der Suche nach einem Partner-Tier

Eine Helferin bei einer Futterstelle für Streuner in Hamburg drückte es vor einiger Zeit recht drastisch aus: "Der Paarungsdrang ist ein stressverursachender, unangenehmer Teil ihres Lebens", sagte sie über die paarungsbereiten und draußen umherstreifenden Tiere. Es sei mit Tierliebe nicht vereinbar, die eigene Katze oder den Kater ständig den Gefahren von unvorsichtig weitläufigen Partner-Suchaktionen auszusetzen. Man nehme in Kauf, dass Katzen bei Revierkämpfen getötet oder verletzt werden oder sich mit tödlichen Krankheiten infizieren.

Liebe unter Katzen gleicht also weniger einer Romanze – es ist mehr ein Drang, möglichst viele Nachkommen zu zeugen. Ein großer psychischer und physischer Stress für Elterntiere und ihre Nachkommen. Und im schlimmsten Fall kann daraus großes Elend entstehen.

Sehen Sie in der Fotostrecke: Wenn ein Tier in Not ist, hilft die Feuerwehr – egal ob Hund Katze oder Eichhörnchen. Doch manchmal kann solch ein Einsatz Hunderte Euro kosten, wie diese Beispiele zeigen.

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