Eigentlich sollten die Nasa-Astronauten Suni Williams und Barry Wilmore nur eine Woche an Bord der ISS bleiben. Im schlimmsten Fall werden daraus nun acht Monate. Kann man sich auf ein solches Szenario überhaupt vorbereiten?
Der Flug des "Starliners" war von Anfang an als Testflug angesetzt. Das heißt, es war der erste Flug dieser neuen Raumkapsel mit Besatzung. Deshalb hat man sich schon darauf eingestellt, dass es eventuell technische Schwierigkeiten oder Probleme geben könnte. Die Astronautin und der Astronaut wurden also sehr ausführlich trainiert, sowohl für den Flug mit der Raumkapsel als auch für den Aufenthalt auf der ISS. Beide waren außerdem vorher schon oft im All. Ich bin mir also sicher, dass sie gut auf die neue Situation vorbereitet sind.
Grund für den verlängerten Aufenthalt im All sind technische Probleme. Wie häufig kommt so etwas in der Raumfahrt eigentlich vor?
Das hat schon ein paar Mal gegeben. Der berühmteste Fall dieser Art war der des Astronauten Sergei Krikaljow. Der war gerade auf der Raumstation, als die Sowjetunion zusammengebrochen ist, und konnte deswegen nicht wie geplant zurückgeholt werden. Er hat daraufhin viele Monate auf der Raumstation zugebracht, ohne wirklich darauf vorbereitet gewesen zu sein.

Zeitvertreib auf der Raumfahrtstation ISS
Es klingt sehr herausfordernd, unerwartet so lange Zeit im All zu verbringen. Was macht es mit Astronauten, wenn aus Tagen Monate werden?
Es ist schon fast normal, dass Astronauten in einer Größenordnung von einem Jahr in der Umlaufbahn sind. Das hat es schon etliche Male gegeben. Wenn die Leute in die Raumkapsel steigen, dann sind sie also sicherlich auf solche Situationen eingerichtet.
Was können die Astronauten im All selbst tun, um ihre Situation zu verbessern?
Die beiden gestrandeten Astronauten assistieren natürlich der Bodencrew, die die technischen Informationen der Raumkapsel vorliegen hat. Sie werden sicherlich viel Zeit damit verbringen, Knöpfchen zu drücken und Tests zu machen. Richtig Hand anlegen werden sie allerdings nicht, glaube ich.
Und wie vertreibt man sich den Rest des Tages auf der ISS, wenn die eigentliche Aufgabe erfüllt ist?
Ich habe den Eindruck, dass die sich da ganz gut amüsieren. Sie sind immerhin auf der ISS, haben viel Freizeit und können den Raumflug genießen. Sie können die Erde betrachten – und das machen Astronauten liebend gerne. Also hängen sie lange am Fenster rum, gucken runter und staunen. Natürlich assistieren sie auch den anderen Besatzungsmitgliedern bei ihren Arbeiten, soweit sie das können. Ich stelle es mir insgesamt ehrlich gesagt ganz angenehm vor.
Im Fall der Fälle
Wird die Verpflegung an Bord denn für viele zusätzliche Monate ausreichen?
Es gibt wirklich reichlich Reserven an Bord. Die Standardbesatzung der Raumstation sind sechs Menschen. Zusätzlich zu den beiden sind noch sieben Männer und Frauen auf der Raumstation, es gibt aber regelmäßig Versorgungsflüge mit allem, was man so braucht: Wasser, Essen, Luft und frische Unterwäsche. Der Proviant sollte also kein Thema sein.
Und was, wenn es einen medizinischen Notfall an Bord gibt?
Bei Notfällen müssen alle Astronauten schnell zur Erde zurückkommen, das ist Vorschrift. Es gibt für alle Besatzungsmitglieder, die jetzt an Bord sind, auf den anderen Raumschiffen, die gerade angedockt sind, Rückflugplätze für diesen Fall. Das heißt, bei einem Notfall würde niemand zurückbleiben.