Die elfjährige Priyanshi Somani darf sich beste Kopfrechnerin der Welt nennen. Bei der Weltmeisterschaft in dieser Disziplin Anfang der Woche in Magdeburg war sie vor allem im Wurzelziehen ihren Konkurrenten überlegen. Die junge Inderin gehörte aber auch in den Disziplinen Addieren und Multiplizieren zu den Besten und errang so den Gesamtsieg: Priyanshi strahlte übers ganze Gesicht.
Die jüngste Teilnehmerin der nunmehr vierten Weltmeisterschaften entdeckte ihre Leidenschaft für Zahlen bereits früh. "Als ich in die Schule gekommen bin, machte mir das Rechnen Spaß." Ihr großer Bruder ergänzt: "Sie war so schnell, das war einfach unglaublich." Priyanshi hat sich intensiv auf ihre erste WM vorbereitet. Unterstützt wurde sie dabei von ihrer ganzen Familie, die die Zeit stoppt oder die Ergebnisse nachrechnet. "Mit dem Computer", verrät der Bruder. "So gut wie Priyanshi sind wir alle nicht."
Um den Pokal in Magdeburg entgegenzunehmen, musste Priyanshi die Quadratwurzeln aus zehn sechsstelligen Zahlen im Kopf errechnen. Als Hilfsmittel erlaubt waren nur Papier und Stift, aber notiert werden durfte nur das Ergebnis. Das richtige Ergebnis hatte die Collegeschülerin nach nur 411 Sekunden heraus.
Beim Multiplizieren mussten achtstellige Zahlen malgenommen werden, beim Addieren wurden zehn zehnstellige Zahlen in Windeseile zusammengerechnet. Die Weltmeisterschaft im Kopfrechnen wurde zum vierten Mal ausgetragen. Ins Leben gerufen hat sie Ralf Laue von der Universität Leipzig. "Ich habe einfach gesehen, dass es viele Leute gibt, die das gut können, und dachte mir, man müsse sie einfach zusammenbringen", erzählt der Mathematiker.
Das Zusammentreffen ist denn auch das wichtigste Anliegen der Meisterschaften. Der Kampf um Sieg und Platz ist gar nicht so wichtig. "Wenn wir uns sehen, geht es natürlich zuallererst um Zahlen", gesteht Robin Wersig. "Wir verraten uns gegenseitig, wie man noch schneller rechnen kann. Die meisten jedenfalls geben ihre Tricks weiter." Der Erzieher aus Finsterwalde wurde Vizeweltmeister im Kalenderrechnen. Dabei ordnete er 47 Daten in nur einer Minute die richtigen Wochentage zu.
Wersig entdeckte seine Liebe zu den Zahlen erst spät. "Auf dem Gymnasium habe ich in Mathematik eine 5 im Leistungskurs und eine 6 im Grundkurs gehabt", schmunzelt er. "Ich habe die Schule abgebrochen und später das Fachabitur nachgeholt, da hatte ich dann eine 1 in Mathematik." Zu trainieren begann er erst, als er von der Weltmeisterschaft im Kopfrechnen erfuhr.
"Der Erfolg ist nicht in erster Linie Talent, sondern vor allem Disziplin. Man muss sich auch dann zwingen, wenn man mal keine Lust hat." Das allerdings kommt bei dem 27-jährigen nicht allzu oft vor. "Ich lasse mir immer den Sonntag als rechenfreien Tag, weil das Gehirn auch mal eine Pause braucht. Aber Sonntagabend freue ich mich dann schon auf die Aufgaben am Montag", gesteht Wersig. "Mir fehlt dann etwas."
Stefan Lehmann aus Chemnitz war der zweite Deutsche im Feld der Rechenkünstler. Er war inzwischen zum dritten Mal dabei. "Zahlen haben mich bereits im Alter von fünf Jahren fasziniert, und in der Schule war ich schneller als alle anderen", gesteht der Bürokaufmann, der im Vorfeld von Wettkämpfen pro Woche drei bis vier Stunden trainiert. "Aber auch beim Einkaufen rechne ich immer mit, das ist gutes Training. Ich addiere oder rechne aus, wie viel Wechselgeld ich an der Kasse bekomme."
Proben ihres Könnens gaben die Rechengenies vor der Siegerehrung bei einem öffentlichen Showrechnen. Bei den Zuschauern sorgte das für Verblüffung. So trat der Peruaner Arturo Mendoza Huertas gegen einen Besucher mit Taschenrechner an. Während sein Konkurrent die fünf zweistelligen Zahlen bereits eintippte, als ein anderer Besucher sie an eine Tafel schrieb, stand Mendoza Huertas mit dem Rücken zu ihnen. Nach einem kurzen Blick hatte er das Ergebnis ausgerechnet. So schnell hatte der Gegner aus dem Publikum die Zahlen noch nicht einmal in den Rechner eingetippt.
Die besten Kopfrechner der Welt fahren nun zur Olympiade nach Antalya. Die vier Sieger in den Einzeldisziplinen bekommen die Reise als Preis gesponsert. An der Weltmeisterschaft in Magdeburg nahmen 33 Rechenkünstler aus 13 Ländern teil, etwas weniger als ursprünglich angemeldet. Sie waren zwischen 11 und 61 Jahre alt.