Lebensmittelhygiene Kontrolleure bemängeln ein Viertel aller Betriebe

Jeder vierte untersuchte Lebensmittelbetrieb verstößt gegen geltende Vorschriften. Besonders häufig beanstandet: Nahrungsergänzungsmittel zum Abnehmen.

Sind die Falten trotz Anti-Aging-Mittel nach einem halben Jahr tiefer als je zuvor? Oder schmeckt die Seezunge im Restaurant so gar nicht nach Seezunge? Dann liegt das vielleicht daran, dass das Anti-Aging -Nachrungsergänzungsmittel gar kein Anti-Aging-Mittel ist. Und die teure Seezunge ist in Wirklichkeit ein billigerer Ersatzfisch.

Nicht alle Lebensmittel, die in deutschen Betrieben angeboten werden, sind in Ordnung. Knapp ein Viertel der rund 550.000 Betriebe, die Lebensmittelkontrolleure in Deutschland untersucht haben, verstoßen gegen geltende Vorschriften. Das ist das Ergebnis des aktuellen Jahresbericht des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Grund der Beanstandungen war meist mangelnde Betriebshygiene. Diese sei bei 53 Prozent der Firmen beanstandet worden.

Bei knapp einem Viertel wurden die Regelungen zur Hygiene gerügt. Bei einem knappen weiteren Fünftel gab es Probleme mit Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln.

Spezialnahrung für Sportler und zum Abnehmen beanstandet

Besonders häufig habe es Beanstandungen bei "Lebensmitteln für besondere Ernährungsformen", also zum Beispiel Spezialnahrung für Sportler oder zum Abnehmen, gegeben (22 Prozent). Auch alkoholische Getränke wurden oft beanstandet (19 Prozent der Proben). Zuckerwaren und Fleisch, Wild und Geflügel (je 17 Prozent) waren ebenfalls häufig nicht einwandfrei. Bei knapp 51 Prozent der Proben wurden Kennzeichnung und Aufmachung gerügt, bei fast 18 Prozent gab es mikrobiologische Verunreinigungen.

In der überwiegenden Mehrheit seien Lebensmittel in Deutschland sicher, betonte das BVL dennoch. Doch es gebe auch mögliche Gesundheitsgefahren. So sollten Sprossen und Keime weiterhin verstärkt kontrolliert werden, so BVL-Präsident Helmut Tschiersky-Schöneburg in Bezug auf den EHEC-Ausbruch im Frühjahr 2011.

Schwindel im Restaurant und bei Nahrungsergänzungsmitteln aus Onlineshops

Nicht gesundheitsgefährdend, aber für Verbraucher ärgerlich ist es, wenn im Restaurant geschwindelt wird: So zeigte eine Sonder-Testreihe in der Gastronomie, dass in einem Drittel der 210 servierten "Seezungengerichte" nicht die Spur einer Seezunge nachzuweisen war. Bei den noch teureren Seezungenfilets war sogar die Hälfte ein - vermutlich billigeres - Fake. "Aus vorherigen Untersuchungen in Hamburg wissen wir, dass es bei den Jakobsmuscheln genauso ist. Meist sind das billigere Kammmuscheln", sagte Volker Kregel vom Hamburger Landesamt für Verbraucherschutz.

Auch den Internethandel nahmen sich die Kontrolleure stichprobenartig vor und suchten nach 71 gesundheitlich bedenklichen Stoffen. In 562 Online-Shops wurden sie fündig. Ergebnis: Lieber Hände weg von Nahrungsergänzungsmitteln zu Potenzsteigerung, Anti-Aging und Co. "Oft wird das Blaue vom Himmel versprochen, tatsächlich enthalten viele Mittel gesundheitsschädliche Substanzen", sagte Georg Schreiber vom BVL. 40 Prozent der reinen Online-Händler entziehen sich darüber hinaus sowieso jeglicher Kontrolle, weil sie gar nicht registriert sind.

Deutlich häufiger als im Vorjahr wurden Kontaktmaterialien für Lebensmittel kritisiert: Hier sind es etwa billiges Plastikgeschirr oder Kochlöffel, aus denen Weichmacher austreten, aber auch Recycling-Papier zum Einpacken. Dies werde aus Zeitungen gewonnen, deren Mineralölanteil dann auf die Lebensmittel übergehe. "Recyclingpapier als Verpackung funktioniert zurzeit nur mit einer undurchlässigen Zwischenschicht", betonte Schreiber.

Foodwatch fordern Bundesländer auf, Kontrollergenisse zu veröffentlichen

Die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisierte, die Beanstandungsquoten der Lebensmittelkontrolleure lägen "Jahr für Jahr im selben, unnötig hohen Bereich". Es würden zwar "in großer Zahl" Hygienemängel entdeckt. Diese würden aber nicht abgestellt, solange die Ergebnisse der Kontrollen den Verbrauchern vorenthalten würden. Die Organisation forderte die Bundesländer daher auf, "sofort" mit einer Veröffentlichung der Kontrollergebnisse zu beginnen. Die Länder könnten hierzu Gesetze erlassen. Diese könnten etwa auch die Einführung von Hygiene-Ampeln für Gaststätten vorsehen.

Würden die Kontrollergebnisse - ergänzt um eine Hygienekennzeichnung in den Ampelfarben - in den Eingangsbereichen von Betrieben ausgehängt, hätten die Kunden "die Möglichkeit, Schmuddelbetriebe zu erkennen", erklärte der Vize-Geschäftsführer von Foodwatch, Matthias Wolfschmidt. Gäbe es solche Informationsmöglichkeiten für Verbraucher, würden sich "schon in wenigen Jahren die hygienischen Zustände verbessert haben" und die Beanstandungsquoten der Kontrolleure sinken.

DPA
pas/DPA/AFP

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