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Dioxinverseuchtes Tierfutter Vertrauen ist weg, Kontrolle wäre gut

Es war nur Zufall, dass das mit Dioxin verseuchte Futter entdeckt wurde. Ein wirksames Kontrollsystem existiert nicht in Deutschland - den Essenspanschern sind Tür und Tor geöffnet.
Von Swantje Dake

Vertrauen ist gut, Kontrolle besser. Das Vertrauen in unser Essen ist durch den jüngsten Dioxin-Skandal erneut erschüttert. Das Vertrauen in die Kontrollen wird ebenfalls auf die Probe gestellt. Der aktuelle Fall - dioxinverseuchte Mischfettsäure im Futter - wurde nicht von einem der staatlichen Futtermittelkontrolleure entdeckt. Sondern es war der Fettlieferant selbst, der das Gift entdeckt hat. Alle drei Monate zieht die Firma Harles und Jentzsch Proben aus ihren Tanks. Die Dioxinbelastung wurde kurz vor Weihnachten bemerkt und sofort gemeldet. Doch es dauerte bis Anfang Januar, bis weitere Kontrollen den Verdacht bestätigten und das Ausmaß der Verseuchung abzusehen war. Zu spät, denn das Futter war größtenteils verfüttert, die Tiere geschlachtet, die Eier schon im Laden oder sogar verzehrt.

Die Verbraucherorganisation Foodwatch fordert, dass jede einzelne Zutat, die in die Futtermischung geschüttet wird, vorher überprüft werden muss. Das passiert derzeit nicht. Lediglich das fertige Futtermittel wird überprüft – stichprobenartig. Gerade mal 15.000 staatliche Kontrollen gibt es auf 350.000 Höfen und Betrieben in Deutschland, die Futtermittel herstellen, vertreiben und verfüttern. Die Kontrolleure untersuchen die Zusammensetzung des Futters und schauen in die Lieferantenlisten.

Dioxin-Tests sind teuer – und selten

Die Kontrollen sind dringend nötig. Die Bilanz von 2009: 17.526 Futtermittelproben wurden gezogen. 13 Prozent wurden beanstandet. Und das aus ganz unterschiedlichen Gründen: weil zu viele Mineralstoffe oder zu wenige enthalten waren, tierische Fette, die verboten sind, oder gar Schädlingsbekämpfungsmittel. Wenn verunreinigte oder verseuchte Futtermittel gefunden werden, kommt es in den meisten Fällen lediglich zu einer Belehrung oder einer Verwarnung. In lediglich 578 Fällen wurde ein Bußgeld- oder Strafverfahren eingeleitet.

2290 Proben wurden 2009 auf Dioxine untersucht, 0,3 Prozent beanstandet. Dioxin nachzuweisen, ist aufwendig. Nicht jede Probe wird daraufhin untersucht; denn nur wenige Labore in Deutschland beherrschen das Verfahren, zudem dauert die Analyse zwei bis drei Wochen und kostet mehrere hundert Euro.

Nicht nur das Futter der Tiere wird kontrolliert, sondern auch unser Essen. Lebensmittelkontrollen finden statt, wenn das Schwein zum Schlachthof transportiert werden soll oder bereits geschlachtet ist. Aber auch hier ist die Kontrolldichte alles andere als flächendeckend. Es gibt 2500 staatliche Lebensmittelkontrolleure, die ungefähr eine Million Betriebe - von der Krankenhausküche bis zur Konditorei - überprüfen. "Wir gucken, ob der Mitarbeiter in der Imbissbude saubere Fingernägel hat, aber auch ob das Hackfleisch mit Salmonellen verseucht ist", sagt Martin Müller, Vorsitzender des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure. Während Müllers Kollegen im Getränkemarkt nur alle drei Jahre vorbeischauen, sind sie auf Schlachthöfen täglich.

Zudem hängt die Kontrolldichte vom Bundesland ab. In Niedersachsen sind zwölf Futtermittelkontrolleure für jeweils 1000 Betriebe zuständig, in Baden-Württemberg ist es hingegen nur einer. Zudem ist bislang nicht geregelt, wann und wie die Bevölkerung informiert werden muss. Das liege im Ermessen der örtlich zuständigen Behörden, bemängelt Gerd Billen, Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentrale.

Gefordert: Mehr Verantwortungsbewusstsein, mehr Kontrolle

An Art und Häufigkeit der Kontrollen will Ilse Aigner (CSU) nicht rütteln. Die Verbraucherschutzministerin will prüfen lassen, ob sich die Produktionswege ändern müssen, ob Betriebe, die industrielle Fette herstellen, auch Fette für die Lebensmittelproduktion liefern dürfen.

Jürgen Reinholz (CDU), Aigners Kollege in Thüringen, schätzt das Kontrollniveau bereits als sehr hoch ein. Und auch in Niedersachsen heißt es: Es könne nicht alles überall kontrolliert werden. Allerdings müsse über die Art der Kontrollen diskutiert werden. "Wir müssen mehr daran arbeiten, dass jeder Teilnehmer in der Kette von der Herstellung bis zur Fütterung sich seiner Verantwortung bewusst ist", sagte er. Wer beispielsweise Fett liefere, müsse sich darüber im Klaren sein, dass er auch für die Gesundheit des Verbrauchers mitverantwortlich sei. Dem nordrhein-westfälischen Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne) reicht es nicht aus, an das Verantwortungsbewusstsein zu appellieren. "Wir müssen zumindest über einen Teil der Kette reden, ob die Kontrollen ausreichend sind."

Nach fast jedem Lebensmittelskandal wurden bislang die Gesetze verschärft. Nicht auszuschließen, dass auch dieser Dioxin-Skandal etwas bewegt. Die Verbraucherschutzminister der Länder haben sich für die in wenigen Tagen beginnende Grünen Woche verabredet. Hier will man klären, was zu tun ist. "Es bedarf in erster Linie deutlich schärferer Strafen bei Verstößen gegen das Lebens- und Futtermittelrecht", sagt Reinholz. Bisher drohen bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe, wenn Lebens- oder Futtermittel mit gesundheitsschädlichen oder verbotenen Zusätzen versehen werden. Die Kontrolllücken werden jedoch auch dadurch nicht geschlossen.

mit DPA

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