Rund drei Jahre nach dem Mord an der Journalistin und Kreml-Kritikerin Anna Politkowskaja hat vor einem Gericht in Moskau die Wiederholung des Prozesses begonnen. Der Oberste Gerichtshof hatte Ende Juni die Freisprüche im ersten Verfahren aufgehoben, nachdem die Staatsanwaltschaft formale Fehler geltend gemacht hatte.
Zum Auftakt forderten die Anwälte der Politkowskaja-Familie den Richter am Mittwoch auf, den Fall wegen lückenhafter Beweisaufnahme an die russische Staatsanwaltschaft zurückzugeben, meldete die Agentur Interfax. Nach der Anhörung wurde der Prozess auf Freitag vertagt. Dann soll geklärt werden, ob die Verhandlung öffentlich sein wird.
Die Anwältin von Politkowskajas Familie forderte weitere Ermittlungen und kritisierte, vor Gericht stünden die gleichen Verdächtigen und es würden die gleichen Beweise vorgebracht. Die Freisprüche im Februar waren als Niederlage der russischen Regierung gewertet worden. Ihr war daran gelegen, mit einer Verurteilung der drei Angeklagten - zwei Brüder aus Tschetschenien und ein Expolizist aus Moskau - die internationalen Vorwürfe zu entkräften, Kreml-Kritiker könnten ermordet werden, ohne dass die Täter bestraft würden.
Die Familie Politkowkajas und Menschenrechtsaktivisten kritisieren, dass die Hintergründe der Bluttat immer noch nicht geklärt seien und die Angeklagten lediglich als Sündenböcke vor Gericht gestellt worden seien. Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung "Nowaja Gaseta", für die Politkowskaja gearbeitet hatte, bezeichnete die Aufhebung der Freisprüche als politische Entscheidung. Für die Behörden sei es nur wichtig, dass in dem Fall irgendjemand ins Gefängnis gehen müsse.
Politkowskaja, die für ihre kritischen Berichte über Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien bekannt war, wurde am 7. Oktober 2006 im Aufzug ihres Wohnhauses in Moskau erschossen. Der mutmaßliche Mörder Rustam Machmudow floh nach Angaben der Staatsanwaltschaft ins Ausland. Dessen Brüder Ibrahim und Dschabrail Machmudow sowie der ehemalige Polizist Sergej Chadschikurbanow wurden wegen Beihilfe zum Mord angeklagt und im Februar freigesprochen.
Gleichzeitig halten sich aber Gerüchte, dass die Spuren der Bluttat bis hoch in den Moskauer Machtapparat führen.