Mitte Dezember kam der Brief in der Poststelle der Braunschweiger Stadtverwaltung an. Anonym. Verdächtig. Und wirklich mysteriös. Denn im Umschlag lagen 50.000 Euro und fünf fein säuberlich ausgeschnittene Zeitungsartikel, mit Hinweisen auf Projekte oder Bedürftige, die mit dem Geld unterstützt werden sollen, das da plötzlich vor der perplexen Angestellten auf dem Tisch lag. Keine Erpressung, keine falschen Scheine, kein Witz.
Adrian Foitzik, Pressesprecher der Stadt, hat den Moment nicht miterlebt und will auch nichts Falsches sagen. Aber "das ist schon schön", meint er. Schön, weil nun die Finanzierung der Aula eines Gymnasium klar ist, die Kita das Klettergerüst bekommt, das längst nötig war, endlich die Hörbücher für die städtische Bücherei angeschafft werden können, und der Verein der Afrikahilfe sich um die nächsten Projekte in Sierra Leone keine Sorgen machen muss."
Doch sie sind nicht die Einzigen, die sich in Braunschweig über unverhofften Geldsegen freuen können. Seit November vergangenen Jahres hat der unbekannte Gönner insgesamt 130.000 Euro verschenkt. Immer per Briefumschlag mit Geldscheinen und ausgeschnittenen Zeitungsartikeln, die den Zweck der Verwendung markierten. Mal für die Opferhilfe, dann für eine Familie mit einem behinderten Kind, oder auch für die Sternsinger.
Erst am Dienstag lagen wieder in zwei Briefkästen der 250.000 Einwohner zählenden niedersächsischen Kommune Umschläge mit jeweils 10.000 Euro: bei der Suppenküche der Stephanus-Gemeinde und der Braunschweiger Tafel. Alfred Huge vom Vorstand der Braunschweiger Tafel hatte den Umschlag am späten Nachmittag geöffnet, schnurstracks die 10.000 Euro zur Bank gebracht und schließlich die Braunschweiger Zeitung angerufen, der er noch ganz aufgeregt erzählte: "Ich bin baff, glücklich und dankbar."
Gibt es ein dunkles Geheimnis?
Dankbarkeit ist das vorherrschende Gefühl der Beschenkten. Und doch: Es wäre - darin sind sich alle einig - schon schön zu wissen, wer der Spender ist und warum er so großzügig sein Geld verteilt. Hat jemand geerbt und will etwas Gutes tun? Oder gibt es da ein dunkles Geheimnis? Vielleicht ist der gute Geist von Braunschweig nicht ganz bei Trost, oder irgendein Fernsehsender macht eine ausgebuffte Doku. Man weiß es nicht. Man muss es auch nicht wissen. Sagte jedenfalls der Braunschweiger Rechtsanwalt und Notar Jens Vollmer dem NDR Niedersachsen. Denn eine Schenkung darf jeder annehmen, egal, ob der Absender anonym oder bekannt ist. Und: "Der Freibetrag der Schenkungssteuer beträgt bei Geschenken von nicht verwandten Personen 20.000 Euro", so Vollmer.
Auch die Braunschweiger Polizei ist ganz entspannt. Ein Anfangsverdacht für eine Straftat liege nicht vor. Kann ja jeder mit seinem Geld machen, was er will. Erst recht, wenn er damit etwas Gutes tut und ein Märchen wahr werden lässt.