Am Ende sieht Pascal I., 20, erleichtert aus. Es scheint ganz kurz ein Lächeln durch sein Gesicht zu huschen, nachdem der Vorsitzende Richter der 8. großen Strafkammer am Bonner Landgericht erklärt hat, warum der schmächtige junge Mann im weißen G-Star-T-Shirt 15 Jahre hinter Gittern wird verbringen müssen: 15 Jahre, aber eben nicht lebenslänglich mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, wie es die Staatsanwaltschaft gefordert hatte - und was eine vorzeitige Freilassung verhindert hätte. Sicher ist I. nicht erleichtert darüber, ein verurteilter Mörder zu sein. Doch sein Anwalt Andreas Trode bestätigte hinterher im Foyer vor Sitzungssaal 0.11, dass das Urteil für seinen Mandanten zufriedenstellend ausfalle. "So hat er die Aussicht, mit 35 wieder entlassen zu werden und ein Leben in Freiheit zu führen", sagte Trode. Hermann Heibach, das Opfer des "Foltermords" im Siegburger Gefängnis, wird dann bereits seit anderthalb Jahrzehnten tot sein.
Etwa elf Monate nach der brutalen Misshandlung und Ermordung eines Mithäftlings in ihrer Vierer-Zelle in Siegburg sind die drei Angeklagten vor dem Bonner Landgericht verurteilt worden. Pascal I. zu 15 Jahren Haft, der 21-jährige Ralf A. zu 14 Jahren, und Danny K., 17, zur maximalen Strafe für Mord nach Jugendstrafrecht - zehn Jahre. Der hagere Staatsanwalt Robin Faßbender rieb sich kurz nach der Verkündung des Urteils über die hohe Stirn. Zwar waren Pascal I. und Ralf A. nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt worden. Und doch war die Kammer nicht der Argumentation der Ankläger gefolgt, wonach für A. 15 Jahre fällig und für I. eine lebenslange Haftstrafe mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld anzuwenden sei. Faßbender gab sich zwar besonnen, sprach nicht von milden Urteilen und warnte vor "blindem Aktionismus", doch hielt er sich nach der Urteilsverkündung die Option offen, in die Revision zu gehen, was das Urteil gegen Pascal I. anbelangt.
Berichterstattung diskutabel ausgefallen
Richter Volker Kunkel verwehrte sich von Beginn an dagegen, auf die öffentliche Diskussion um den Mord in der Siegburger Zelle weiter einzugehen. Er deutete zu Beginn nur an, dass die Instrumentalisierung von Medien sowie das Verhalten von Journalisten gegenüber den Prozessbeteiligten, ihren Angehörigen und auch dem Gericht durchaus diskutabel ausgefallen seien. Stattdessen breitete Kunkel noch einmal die von Kriminalität, individuellen und sozialen Problemen durchsetzten Biographien der drei Angeklagten detailliert aus. Da alle drei Angeklagten bereits zu Beginn des Prozesses am 1. August ihre Taten vom 11. November gestanden hatten, stellte sich die Frage nach dem Tatverlauf und den Schuldigen gar nicht mehr.
Ralf A., ein dünner Junge, im weißen T-Shirt, mit hinter die Ohren geschobenen blonden Haaren, lauschte fast regungslos, während Kunkel auf die Trennung seiner Eltern, den Alkohol- und Drogenkonsum, Psychiatrie-Aufenthalte, Randale, Diebstähle und A.s Leben in einer Drücker-Kolonne einging. Bei Pascal I., zur Tatzeit 19 Jahre und zwei Monate alt, hatte das Kriminelle gar "gewerbsmäßige" Züge angenommen, wie Kunkel darstellte: Der junge Mann mit dem stoppeligem Haupthaar und kahlen Kopfseiten hatte schon mit 14 begonnen, Drogen zu verkaufen und erlangte später monatliche Umsätze von bis zu 5.000 Euro. Er ließ einen 24-jährigen Drogensüchtigen seine Ware an den Mann bringen und kassierte nebenher Hartz-IV-Zahlungen. Und da ist Danny K., der sich dazwischen warf, als sein Vater seine Mutter verprügelte, der aber nach der Trennung der Eltern seinen Vater idealisierte, gewalttätig wurde und bei einem Überfall auf einen Rentner gemeinsam mit einem Kumpel so lange auf das Opfer eindrosch, bis es fast gestorben wäre. "Es ist nur dem Zufall zu verdanken, dass der Angeklagte damals nicht schon einen Menschen getötet hat", fasste Richter Kunkel zusammen. Die Tatsache, dass Ralf A. und Pascal I. bereits Väter sind, wirft die Frage auf, was aus ihren Kindern wird und welche Chancen junge Menschen haben, der Hoffnungslosigkeit und Brutalität in den vernachlässigten Teilen dieser Gesellschaft zu entkommen.
Keine Reaktion der Angeklagten
Ohne Reaktion nahmen die drei Angeklagten noch einmal die detaillierte Aufarbeitung ihrer Taten hin: Sie hatten ihr Opfer an jenem Samstag im November mit Händen, Fäusten und in Handtüchern eingewickelter Seife geschlagen, hatten Hermann Heibach gezwungen, Wasser mit scharfem Pulver zu trinken und eine Tube Zahnpasta zu schlucken sowie danach das eigene Erbrochene. Sie hatten ihn mehrmals vergewaltigt. Sie hatten verhindert, dass er sein Martyrium meldet und einen gelungenen Notruf beim Personal abgewiegelt. Und sie hatten ihr Opfer nach einem Nachmittag der Brutalität, der Sportschau und einem Abend des Grauens "weggehängt", weil sie ihre Taten verschleiern und einen Selbstmord vortäuschen wollten, von dem sie letztlich profitiert hätten. Ziel war es, belastende Aussagen des Opfers zu verhindern und eine "Blitzentlassung" anzustreben. Gern hätten die drei Täter sich als Opfer eines scheinbaren Selbstmords dargestellt und spekulierten auf eine mögliche Haftverkürzung.
Doch sie scheiterten mit ihrem Plan, und sie sind nun verurteilte Mörder. "Alle Angeklagten haben grausam gehandelt", urteilte der Richter, in der Zelle habe ein Klima der Todesangst geherrscht, auch die Mordmerkmale "Verdeckung einer anderen Straftat" und "sonstige niedrige Beweggründe" wurden von der Kammer gewürdigt. Man könne kaum planvoller töten, sagte der Vorsitzende Richter mit Verweis auf eine "Für-und-Wider-Liste", welche die Drei vor der Tötung erstellt hatten.
Dennoch blieb das Gericht unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Zwar reichten beim Jüngsten im Trio, Danny K., selbst strafmildernde Umstände nicht für eine Herabsetzung der Strafe. Aber bei Ralf A. habe die Tatsache, dass er sich nicht an der Analvergewaltigung des Opfers beteiligt hatte, für sein Bewusstsein von Grenzen gesprochen. Und selbst Pascal I., der ebenfalls eine ausgereifte Persönlichkeit besitze, sei noch "prägbar und sozialpräventiv ansprechbar", sagte Richter Kunkel. Also muss man ihm auch die Chance lassen, diesem "Hoffnungsschimmer" nachzugehen, auch wenn er "eiskalt und selbst nach der Tat noch taktierend" vorgegangen sei.
Das Gericht hält also fest am Leitgedanken der Resozialisierung, auch wenn draußen vor der Tür schon die Kamerateams auf die zornigen Statements über die "milden Strafen" warten, wie zum Beispiel der Bruder des Opfers auch eines abgibt. Er war als Nebenkläger aufgetreten, und sein Anwalt sagt, es sei "kaum nachvollziehbar", welches Strafmaß man am Ende gefunden habe. Er wolle vor weiteren Schritten die Reaktion der Staatsanwaltschaft abwarten. Und während man bei den Hinterbliebenen noch klares Unverständnis kundtut, geben sich auf der anderen Seite die Strafverteidiger zufrieden. Wie der Anwalt von Pascal I., der keinen Zweifel lässt: "Natürlich sind sie resozialisierbar."