"Icke muss vor Jericht" Die Sache mit dem Schlüpfer

  • von Uta Eisenhardt
Dieser Fall ist unappetitlich: Ein Berliner Gelegenheitskurier klemmt seiner Chefin Unterwäsche ans Auto, versehen mit der Bitte, diese verunreinigt zurückzugeben. Für die Anfrage hat sich der Mann nun vor Gericht verantworten müssen - und dabei skurrile Erklärungen parat gehabt.

Auf dem Gerichtsflur steht ein kleiner Mann mit verspiegelter Brille und Stirnband. Von seinem Gesicht ist nur ein ungepflegter, dunkelblonder Bart mit kräftigem Schnauz zu sehen. Unruhig wippt er in den Knien, läuft einen Kreis, an dessen Ende er sich wieder breitbeinig aufstellt. Mit Blick auf die Uhr flucht er kaum hörbar: "Alter!" Endlich erschallt der erlösende Aufruf zur Strafsache "U. Vogel*". Der Mann schnappt sich seinen Rucksack, dessen Front eine riesige Flagge vom 1. FC Union bedeckt.

Der Richter wünscht, gegen Herrn Vogel ohne Brille und Stirnband zu verhandeln. Der beteuert, seit 25 Jahren an lichtempfindlichen Augen zu leiden. Er lässt sich aber von dem Argument überzeugen, dass man sich hier in erster Linie miteinander unterhalten wolle - über einen Vorwurf der sexuellen Beleidigung.

Im März klemmte der arbeitslose Gelegenheitskurier einer Frau einen Brief ans Auto "Hallo Astrid", schrieb er darin. "Ich hab eine Frage. Wenn Du Dir das zutraust, würdest Du in einen Schlüpfer machen (Pipi)? Um die Unterwäsche brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen. Die würde ich Dir kaufen. Du kannst mich anrufen, wenn Du Dir das zutraust. Behalte es aber bitte für Dich." In den Brief legte der 46-Jährige ein Paket mit Unterwäsche.

Eine Liebesbeziehung war es nicht

Tatsächlich hatte Astrid Kreutner* damals auch bei ihm angerufen, aber nur, um ihn zur Rede zu stellen und ihm zu versichern, dass sie nicht vorhabe, über die Angelegenheit zu schweigen. Es war keine Liebesbeziehung, die U. Vogel mit der Mitarbeiterin des Bezirksamts Berlin-Reinickendorf verband. "Ick musste bei der eine Zeit lang zwangsweise arbeiten", sagt der Angeklagte.

Kreutner war zuständig für ihn, als er im vergangenen Herbst bei ihr antrat, um eine Geldstrafe von 1500 Euro wegen Schwarzfahrens abzuarbeiten. "Ich hatte die Schnauze voll gehabt. Die hat mich gemobbt, die Frau. Die is ne ziemlich starke Raucherin. Wegen der hatte ick zwei Herzattacken in 24 Stunden. Wenn es jeschneit hat, durften die rauchenden Elemente das Auto voll qualmen und wir Nichtraucher mussten draußen arbeiten", sagt Vogel.

"Was aber reizt Sie an einem voll gepinkelten Schlüpfer von einer Person, die Sie mobben wollte", fragt der Richter. "Ick wollte feststellen, ob sie privat auch so ist wie dienstlich, ob sie auch alle so nieder macht mit Mobbing", antwortet der Angeklagte treuherzig. "Und was hätten Sie gemacht, wenn sie Ihnen das Zeug geschickt hätte?" Er hätte daran geschnuppert.

"Ick hätte sie dann auf eine Tasse Kaffee eingeladen."

"Das ist keine Art und Weise", hält ihm die Staatsanwältin vor. "Ne, war ja keine Art und Weise", stimmt der Angeklagte zu. "Aber die Unterwäsche war nagelneu, die hatte ick extra bestellt und bezahlt. Ick hatte Astrid schon vorher mal gefragt, ob sie nagelneue Unterwäsche haben möchte. Die hatte ick noch für meine Frau gekauft." Seine Ex hätte ihn wegen eines anderen Mannes verlassen und ihn mit seinem neunjährigen Sohn sitzen lassen.

Unverständnis bei Richter und Staatsanwältin. Letztere versteht nicht, wie man jemandem Unterwäsche schenken kann, der einen gemobbt haben soll. "Ick wollte sie richtig kennen lernen", wiederholt der Angeklagte. "Ick hätte sie dann auf eine Tasse Kaffee eingeladen. Ick hätte sie gefragt, ob sie ihren Nikotin-Konsum ein bisschen reduzieren könnte."

"Komisch finde ich das schon", sagt die Staatsanwältin. Der Richter erkundigt sich vorsichtig: "Sind Sie in ärztlicher Behandlung?" "Ne", antwortet Vogel. Er habe mittlerweile auch eingesehen, dass sein Verhalten falsch war: "Ick war mir nich bewusst, dass es eine Straftat is."

Nach kurzer Beratung mit der Staatsanwältin bietet der Richter an, das Verfahren einzustellen, "wenn Sie mir versprechen, nicht mehr andere Leute nach voll gepissten Schlüpfern zu fragen." Er solle auch an seine laufende Bewährung wegen fünffachen Betruges denken. Die gelte noch bis zum nächsten Sommer, erinnert der Richter. Erleichtert nimmt Vogel das Angebot an. Er habe bereits im Internet recherchiert, verrät er dem Gericht: "Es gibt genügend Möglichkeiten, an so ´ne Sachen heranzukommen. Momentan habe ich da jemand, von dem ich so etwas kriege."

"Sie merken sich jetzt drei Sachen", fasst der Richter das Ergebnis der 20-minütigen Verhandlung zusammen: "Erstens: Voll gepinkelte Schlüpfer nur noch im Internet bestellen. Zweitens: Keine Straftaten mehr begehen - nicht klauen, nicht Schwarzfahren und nichts bestellen, wenn man kein Geld hat. Drittens: Insbesondere keine Straftaten bis nächstes Jahr September begehen."

Damit entlässt er den Angeklagten. Das Gericht kann es kaum abwarten, dass sich die Tür hinter dem kleinen Mann schließt. Kaum hat dieser den Saal verlassen, werfen sich Richter, Staatsanwältin und Protokollantin prustend über ihre Tische.

* Namen von der Redaktion geändert

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