"Icke muss vor Jericht" Missglückte Rache

  • von Uta Eisenhardt
Es erscheint wie eine Farce. Skrupellos hat ein Ehepaar in Saus und Braus gelebt - und zwar auf Kosten einer gutgläubigen, alten Dame. Als die Ehe auseinanderging, begannen die gegenseitigen Racheakte.

Es waren einmal ein Oberstudienrat und eine Augenärztin, die hatten ein Haus und drei Kinder. Außerdem gehörten ihnen eine Praxis, mehrere Eigentumswohnungen und Autos. "Wenn Gärtner und Haushälterin bezahlt waren, hatten wir noch 4000 Euro übrig", sagt Peter Heinemann*. Gemeinsam veruntreute das Paar das Vermögen einer Hundertjährigen.

Im Oktober 2007 musste der Oberstudienrat allein dafür gerade stehen. Die Rolle seiner Ex-Frau durchschaute die Justiz damals nicht. Er besaß die Vollmachten, er hatte das Geld bewegt, das Dr. Irena Heinemann* erben sollte. Doch während des Prozesses gegen ihren Ex-Mann fiel die Mitschuld der Ärztin auf.

Nachlässig hat die teuer gekleidete Blondine ihr glattes Haar hoch gesteckt. Die 59-Jährige trägt eine randlose, blau getönte Brille. Ein Schmollmund im puppenhaften Gesicht zeugt von früherer Schönheit, ihre Stimme klingt schleppend und nörgelig.

"Sie hatte niemanden"

Zwanzig Jahre lang betreute sie die verwitwete Charlotte König*, Jahrgang 1908. Die konnte kaum gehen und nur schlecht sehen. Regelmäßig kam Frau Doktor zum Hausbesuch. Anschließend plauderten sie. "Wieso hatten Sie zu Frau König ein besonderes Verhältnis", fragt der Staatsanwalt. "Das war nicht anders als zu anderen Patienten", sagt die Angeklagte und fügt hinzu: "Sie hatte niemanden."

2002 erkundigte sich die Seniorin, ob die Ärztin jemanden kenne, der sich um ihre Finanzen kümmern könne. Ob das nicht Frau Doktor machen wolle? Irena Heinemann hegte Bedenken und schlug ihren Mann vor. "Ich hatte volles Vertrauen", erklärte Charlotte König im Prozess gegen Peter Heinemann. Schließlich handelte es sich um einen Lehrer, "zudem an einer höheren Schule".

Im Januar 2003 übergab sie dem Paar ihre Sparbücher. 524.420 Euro besaß die alte Dame, die sparsam gelebt und ihre Schwester beerbt hatte. Einen Monat später transferierte der Oberstudienrat 240.000 Euro auf das Geschäftskonto seiner Frau. Später tilgte er Kredite für die Praxis, das gemeinsame Haus und die Eigentumswohnungen, bezahlte Familienreisen, Aktien sowie einen Sprachkurs für den Sohn. Seine Frau kaufte sich eine neue Praxis, einen Alfa Romeo und viele Klamotten.

Trotz Geldsegen schlechte Stimmung

Peter Heinemann beglich auch Rechnungen für Charlotte König: Er überwies die Kosten für einen kurzen Aufenthalt in einem Seniorenstift, für eine Pflegekraft und eine Fernsehreparatur. Zuweilen brachte er ihr Bargeld und las bei Kaffee und Kuchen Gedichte vor. Nach knapp zwei Jahren war das Vermögen ausgegeben.

Der Geldsegen konnte die Stimmung im Hause Heinemann nicht bessern - seit Mitte der neunziger Jahre wollte die Ärztin sich trennen, berichtet ihre ehemals beste Freundin Waltraud dem Gericht. Dies habe Irena aber ihren Kindern nicht antun wollen, weil sie selbst als Scheidungskind "Zerrissenheit und Kluft erlebt hatte", ergänzt eine andere Freundin.

Anfang 2005 zog Waltraud um. Eigentlich wollte die Ärztin helfen, schickte dann aber ihren Mann. Beim Kistenpacken und -schleppen entdeckten der Oberstudienrat und die Justizobersekretärin ihre Liebe zueinander: "Es klingt wie eine Seifenoper", sagt Waltraud, die neue Frau Heinemann. "Der Mann meiner Freundin war immer eine Unperson für mich, ich habe nie einen Blick auf ihn geworfen." Im Juli 2005 zog der Beamte bei ihr ein.

Nach der Trennung die perfide Rache

Die Ärztin sann nach Rache: Sie berichtete Charlotte König von den abgeräumten Sparbüchern. Die alte Dame war bitter enttäuscht - von dem Oberstudienrat. Auf Frau Doktor ließ die Seniorin bis zu ihrem Tod im Januar 2009 nichts kommen.

Nach dem Auszug ihres Mannes zeigte Irena Heinemann selbigen an und verdächtigte Waltraud: Diese habe im Arbeitszimmer ihres Mannes einen Zettel mit der Kontonummer ihrer ehemaligen besten Freundin gefunden, berichtete die Verlassene der Polizei. Half die Ehebrecherin, das Königsche Geld ins Ausland zu bringen?

Die Angeklagte habe die Herkunft des Zettels gekannt, erklärt ihre Nachfolgerin. Die Ärztin schuldet ihr nämlich Geld, das sie überweisen wollte. Darum schrieb ihr Waltraud ihre Kontonummer auf.

In seinem Prozess sprach Peter Heinemann von einer Schenkung. Diese war nicht offiziell, weil Frau König "absolut die Steuer vermeiden wollte". Sie habe ihm aber erklärt, "sie gebe lieber mit warmen als mit kalten Händen." Dem widersprachen sowohl die geistig rege Rentnerin als auch der Notar.

Die Ärztin, die keine Kontoauszüge lesen kann

Unter Tränen beteuerte der hagere Schwabe: "Ich bin unschuldig!" Die Richter meinten, der Angeklagte habe vom Begleichen der gemeinsamen Schulden profitiert und verurteilten ihn zu dreieinhalb Jahren Haft.

Irena Heinemann, der das Gleiche droht, beruft sich auf komplette Ahnungslosigkeit in finanziellen Angelegenheiten. Darum habe sich ausschließlich ihr Mann gekümmert. So habe sie etwa angenommen "wir hätten nur zwei Eigentumswohnungen, dabei waren es vier." Sie könne keinen Computer bedienen und keine Kontoauszüge lesen.

Sie glaubte damals, ihre neue Praxis sei aus dem Erbe seines Vaters bezahlt worden. Über ihre finanziellen Verhältnisse könne sie nur sagen: "Ich hatte immer Geld oder ich bin an den Automaten gegangen. Wenn der 40.000- Euro-Dispo-Kredit ausgeschöpft war, kam kein Geld aus dem Automaten."

Maßloser Umgang mit Geld

Die Zeugen bestätigen diese Angaben nicht. Die Angeklagte habe mindestens ungefähr gewusst, wie viel Geld vorhanden ist, sagt eine Bankangestellte. Der mit dem Paar befreundete Notar erlebte "die beiden immer als ein Team". Die Schwägerin der Angeklagten berichtet, die Ärztin habe mitbekommen, dass Peter Heinemann nur 25.000 Euro von seinem Vater geerbt habe - der Praxis-Umzug kostete das Sechsfache.

Die Ärztin beharrt auf ihrem Unwissen. Schließlich habe sich ihr Lebensstandard durch das Königsche Vermögen kaum erhöht: "Es wurden drei neue Autos für Herrn Heinemann gekauft. Ich habe immer die abgelegten gefahren. Gut, ich bin nicht in Sack und Asche in die Praxis gegangen." Schmuck aber hätte sie nicht gekauft.

Ihre ehemalige beste Freundin dagegen will im Heinemannschen Keller 35 Mäntel gesichtet haben: "Keiner unter 3000 Euro." Ihr Umgang mit Geld sei "maßlos" gewesen, so Waltraud Heinemann über die Angeklagte. Mitte der 90er Jahre habe die Ärztin schon einmal von einer Patientin geerbt - 100.000 Euro waren es damals.

Rosenkrieg mit Anzeigen

Für den Staatsanwalt steht fest: Die Konten wurden abgeräumt, weil man nicht warten wollte, bis die alte Dame stirbt. Als das Paar sich trennte, berichtete die erboste Angeklagte allen von verdächtigen Konto-Transaktionen und wälzte den Verdacht ab. "Ich habe die Anklage verfasst und das auch nicht bemerkt", gesteht der Staatsanwalt. Heute glaubt er nicht mehr an die Ahnungslosigkeit der promovierten Akademikerin: "Ich weiß nicht, ob Sie eine gute Augenärztin sind, eine gute Lügnerin sind Sie nicht!" Er fordert drei Jahre und sieben Monate Haft.

Die beiden Verteidigerinnen behaupten, der Erbin fehle das Motiv und verlangen Freispruch. Peter Heinemann führe "einen Vernichtungsfeldzug", erklärt eine Anwältin. Mit fünf Anzeigen habe er seine Ex-Frau überzogen, diese revanchierte sich lediglich mit zweien.

Drei Jahre soll die Angeklagte wegen Anstiftung zur Untreue ins Gefängnis. Man habe Dr. Irena Heinemann "als nicht so unbedarft wahr genommen, wie sie uns das weismachen wollte", sagt der Richter zu der gefasst wirkenden Ärztin. Er glaubt, "die Verlockung war zu groß, das Geld sofort auszugeben: Wer weiß, was kommt und wie lange König noch lebt?" Ein guter Schachzug sei die Strafanzeige gegen Peter Heinemann gewesen: "Es hätte fast geklappt", sagt der Richter über den Racheplan, der sich am Ende als Bumerang erwies.

* Namen von der Redaktion geändert

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