Der Fall war ebenso Grauen erregend wie beispiellos: Vor einem Jahr startete der Prozess gegen Armin Meiwes, den "Kannibalen von Rotenburg", der einen Berliner Ingenieur getötet, zerlegt und teils aufgegessen hatte. Meiwes Reden über eine Kannibalismus-Szene in Deutschland weckte Angst vor Nachahmern und Parallelfällen, die allerdings bisher unbegründet blieb. Bei der grausigen Zerstückelung eines 33-Jährigen in Berlin vor acht Wochen spielten Kannibalismus-Fantasien laut Polizei zwar eine Rolle - verwirklicht worden seien sie aber nicht.
Neue Beschäftigung in der Bibliothek
Im Kasseler Gefängnis hat Meiwes unterdessen in der Bibliothek eine neue Beschäftigung gefunden. Der Tagesablauf sei streng organisiert und er langweile sich nicht, ließ Meiwes über seinen Anwalt verlauten. In der osthessischen Fachwerkstadt Rotenburg ist alle Aufregung über den Kannibalen seit dem Prozess verflogen, wie Bürgermeister Manfred Fehr (SPD) berichtet. "Wenn der rauskommt, wird das aber wieder ein Thema werden." Gegen die Verurteilung des Kannibalen zu achteinhalb Jahren Haft hatte die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Anwalt Michael Bock rechnet noch in diesem Jahr mit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes. Dann wird sich zeigen, ob der Prozess neu aufgerollt werden muss.
Gegen etliche der augenscheinlich ebenso kannibalismusbegeisterten Internet-Bekanntschaften von Meiwes leitete die Kasseler Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren ein. Nach einem Jahr indes gibt Staatsanwalt Hans-Manfred Jung Entwarnung: "Die Folgeverfahren wegen der Verabredung zu einem Verbrechen sind alle eingestellt worden." Den Betroffenen habe die erforderliche Ernsthaftigkeit nicht nachgewiesen werden können. Auch weitere Fälle von Kannibalismus kamen nicht ans Tageslicht.
Gleich zu Beginn des Prozesses am 3. Dezember vergangenen Jahres hatte Armin Meiwes alle Vorwürfe eingeräumt: Nach einer Verabredung über das Internet hatte er im März 2001 einen Berliner Elektro- Ingenieur in seinem Anwesen in Osthessen vor laufender Kamera getötet und anschließend zerlegt. Das Fleisch bewahrte er im Gefrierschrank auf und verspeiste später einiges davon. Da die Richter von einem Einverständnis des Ingenieurs mit dem schrecklichen Geschehen ausgingen, verurteilten sie Meiwes wegen Totschlags und nicht wegen Mordes - Kannibalismus selbst kommt im Strafgesetzbuch nicht vor. Der Verteidiger hatte auf Tötung auf Verlangen plädiert.
Medienrechte an Produktionsfirma übertragen
Spekulationen über lukrative Filmverträge für den Kannibalen sorgten gleich zu Beginn des Prozesses für Diskussionen. Politiker ereiferten sich und forderten, dass Verbrecher mit ihren Bluttaten nicht später noch Geld verdienen sollten. Meiwes übertrug die Medienrechte schließlich im September der Hamburger Produktionsfirma Stampfwerk, die den ungewöhnlichen Fall unter anderem in einer TV-Dokumentation mit Hilfe von Psychologen und Experten aufarbeiten will. Das Geld für die Rechte - Summen wurden nicht genannt - soll Meiwes helfen, seine laufenden Verpflichtungen etwa für sein großes Anwesen zu bezahlen.