Armin Meiwes sprach mit leiser und undeutlicher Stimme. Vor Gericht erschien der "Kannibale von Rotenburg" stets in Anzug und Krawatte. Er zeigte sich höflich, fast servil und - bis kurz vor Prozess-Ende - immer bereit, Fragen zufrieden stellend zu beantworten. Was er verschwiegen oder möglicherweise zu seinem Vorteil verfälscht dargestellt hat, bleibt am Ende des zweiten Prozesses vor dem Frankfurter Landgericht offen. Der 44-jährige Computertechniker macht immer noch den Eindruck, als bestünde er aus zwei verschiedenen Personen wie die Gruselromanfigur "Dr. Jekyll und Mr. Hyde".
Vor Gericht deutete Meiwes eigensüchtige Motive seiner Tat allenfalls an. Im Chatverkehr mit Gleichgesinnten ließ er an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Bernd B. und er hätten einander mit perversen Schlachtvorstellungen überboten, hieß es im Prozess. Oder Meiwes sprach vom "irren Gefühl, absolute Herrschaft über einen anderen zu haben". Vor Gericht räumte er nur ein, dass er beim Zerteilen der Leiche Freude empfunden habe. Immer wieder betonte Meiwes, es sei ihm um die enge Bindung an eine Art Bruder gegangen. "Mit jedem Bissen war er nah bei mir."
Meiwes grillte Puppen
Dafür erfüllte er nach eigener Aussage die Wünsche von Bernd B., die er nicht teilte. B. soll ihn sogar zu weiteren Taten animiert haben. "Bernd hatte mir gesagt, dass er nicht lange allein im Gefrierschrank bleiben wollte", erklärte Meiwes auf die Frage, warum er sich nach der Tötung mit weiteren potenziellen "Schlachtopfern" getroffen und Fantasien per Internet ausgetauscht habe. Die kannibalistischen Fantasien des 44-Jährigen entstanden schon im Kindesalter. Meiwes selbst erklärte diese damit, dass er im Alter von neun Jahren plötzlich allein mit seiner Mutter war, nachdem Vater und Brüder weggezogen waren und die Großmutter gestorben war. "Ich habe mich vollkommen allein gefühlt und einen imaginären Bruder gewünscht", sagte der Angeklagte. Richtige Freunde hatte er nicht auf der Schule.
Puppen gegrillt Er erfand sich einen Bruder, den er Frank Duvall nannte, und fantasierte von einem Mitschüler, der dem Jungen Sandy aus der TV-Serie "Flipper" ähnlich sah. Nachdem er die Kannibalismus-Szene in einer Robinson-Crusoe-Verfilmung gesehen habe, habe er sich vorgestellt, "dass er auch ein Teil von mir werden muss". Gedanklich habe er damals immer wieder Schulfreunde zerstückelt und aufgegessen, sagte Meiwes. Später begann er, Fernsehsendungen über Leichenöffnungen und Schlachtungen aufzuzeichnen und Rollenspiele zu inszenieren. Er grillte Puppen, bildete Körperteile mit Marzipanmasse nach und legte sie zum Beispiel in ein aufgeschnittenes Brötchen.
"Jeder kann über sein Leben selbst bestimmen."
Meiwes will sexuell mit Frauen verkehrt haben, was diese aber bestritten. Homosexuelle Kontakte erregten ihn laut Gerichtsgutachter auch nicht. Seine Sexualität lebte er mit einem "Kopfkino" aus, wie er es nannte. Er stellte sich dabei vor, einen "schönen Jüngling" aufzuschneiden. Die Fantasien steigerten sich laut Meiwes, nachdem seine Mutter im September 1999 gestorben war und er im Internet auf Foren wie eine "Feinschmeckerküchenseite" stieß. Im Sommer 2000 gab er selbst eine Anzeige auf unter dem Pseudonym "Antrophagus" (Menschenfresser). Anfang 2001 antwortete er als "Franky" auf eine der Anzeigen von Bernd B., der sich als "Cator, der als Fleisch Geborene" bezeichnete. "Für uns war das normal", erklärte Meiwes vor Gericht. In seinem Schlusswort bekundete er zwar Reue und versicherte "Ich brauche das nicht mehr", aber er blieb auch bei seiner Auffassung: "Jeder kann über sein Leben und seinen Körper selbst bestimmen." In Untersuchungshaft hat er seine Lebensgeschichte aufgeschrieben. Mit der Veröffentlichung, so sagte er zum Prozess-Ende, wolle er Menschen dabei helfen, "es" nicht tun zu müssen, und "ihnen zu zeigen, dass es ihnen niemals die Erfüllung bringen kann".