Wer mit Tempo 250 über die Autobahn rast, gilt für manche Menschen von vorneherein als potenzieller Mörder. Das Urteil gegen den Karlsruher Autobahndrängler - 18 Monate Haft - geht für sie nicht weit genug. Andere dagegen schütteln entgeistert den Kopf und sagen: "Hier wurde ein Exempel statuiert." Ein einziger Autofahrer müsse für all das büßen, was ein Zeuge im Raserprozess den täglichen "Krieg auf Autobahnen" nannte. So unterschiedlich die Reaktionen auch ausfielen, eines steht fest: Dieser spektakuläre Fall ist noch längst nicht abgeschlossen. In einigen Monaten wird er voraussichtlich vor dem Landgericht Karlsruhe in der Berufung neu verhandelt.
"Besondere Rücksichtnahme erforderlich"
Richterin Brigitte Hecking ließ keinen Zweifel an ihrer Einschätzung: Wenn der DaimlerChrysler-Ingenieur nicht 250, sondern 150 Stundenkilometer schnell gewesen wäre, dann wären die junge Mutter und ihre zweijährige Tochter Rebecca noch am Leben. Trotzdem plädierte Hecking in ihrer einstündigen Urteilsbegründung nicht für ein generelles Tempolimit auf den Autobahnen: Die freie Fahrt sei schon in Ordnung, erfordere aber "eine besondere Rücksichtnahme" aller Autofahrer.
Gegen diese Erfordernis wird in Deutschland täglich hundertfach verstoßen. Nach Angaben des Autoclubs ACE kommen mehr als 150 Menschen pro Jahr ums Leben, weil der Sicherheitsabstand zwischen den Autos nicht eingehalten wird. Je höher das Tempo, desto höher der nötige Abstand. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) verlangt daher eine allgemeine Tempo-Beschränkung auf 120.
Doch diese Mahnung bleibt wohl auch nach dem Urteil gegen den Autobahnraser ein Papiertiger. Eine gesetzgeberische Umsetzung ist nicht in Sicht. Der ADAC verweist auf Statistiken aus anderen Ländern, wo Tempolimits die Unfallzahlen kaum gesenkt hätten. Nach Ansicht des ACE hat sich die Zahl der Drängler auf deutschen Straßen in den vergangenen Jahren gar nicht erhöht. Außerdem spielt das Auto als Prestige-Objekt im Autoland Deutschland eine viel größere Rolle als anderswo. Vielen Deutschen ist es offenbar nicht egal, ob ihr Wagen nur 75 oder mehrere hundert PS hat.
"Turbo-Rolf" von DaimlerChrysler gekündigt
Der verurteilte Raser mit dem Spitznamen "Turbo-Rolf" ist gut ein Jahr vor dem Unfall schon einmal wegen überhöhter Geschwindigkeit aktenkundig geworden und musste ein Bußgeld zahlen. Aber er war nicht vorbestraft. Strafmildernd stellte Hecking außerdem in Rechnung, dass er möglicherweise seinen Arbeitsplatz verlieren werde. Tatsächlich kündigte der Autokonzern DaimlerChrysler prompt an, sich von dem Mitarbeiter zu trennen. Eine weitere Strafe: der ungeheure Medienrummel. Viele Zeitungsleser und Fernsehzuschauer verbinden das Bild des 34-Jährigen mit dem eines brutalen "Todesdränglers".
All das sei aber noch nicht Strafe genug, meinte die Richterin. Gegen eine bloße Bewährungsstrafe spreche die Hartnäckigkeit, mit der der Angeklagte bis zuletzt jegliche Verwicklung in den Unfall geleugnet habe: "Sie haben nicht einmal die vage Möglichkeit in Erwägung gezogen, dass Sie es doch gewesen sein könnten." Auch der Nebenkläger Paul Kleiser, der den Vater des getöteten Mädchens vertrat, hält dies für einen schweren taktischen Fehler der Verteidigung: Ein Geständnis hätte den Angeklagten vor der Gefängnisstrafe bewahrt, meinte Kleiser. Im Berufungsverfahren gäbe es dazu eine zweite Chance.