Die Eltern und drei Geschwister der ermordeten Meredith Kercher haben das erste Urteil in Perugia mit Genugtuung aufgenommen. Rudy G. wurde wegen Vergewaltigung und Beteiligung am Mord zu 30 Jahren Haft verurteilt. Er hatte ein abgekürztes Verfahren beantragt. Für die anderen beiden Angeklagten Amanda K. und Raffaele S. beginnt Anfang Dezember das Hauptverfahren vor einem Schwurgericht. "Das ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg, vollständige Gerechtigkeit für Meredith herzustellen", sagte die Schwester des Opfers Stephanie Kercher.
Der Richter Paolo Micheli ist den Ausführungen des Staatsanwalts weitgehend gefolgt. Danach sollen Amanda, Rudy und Raffaele in der Mordnacht vom 1. November 2007 Meredith in Sexspiele verwickelt haben. Als Meredith sich wehrte, gab es ein Handgemenge. Raffaele und Rudy sollen das Opfer festgehalten, während Amanda mit einem Messer Meredith in die Kehle gestochen haben soll. Richter Micheli bestätigte für alle drei Verdächtigen die Anklage auf Vergewaltigung und Mord. Nach seiner Auffassung gibt es genügend Beweise, dass die drei in der Mordnacht in Merediths Zimmer waren, wo ihr nackter Leichnam blutverschmiert und nur mit einer Daunendecke bedeckt am nächsten Morgen aufgefunden wurde.
Amanda wollte es ihr wohl heimzahlen
Richter Micheli sagte, Meredith sei Opfer der Gewalt von Menschen geworden, die sie für ihre Freunde hielt. Die damals 22 Jahre alte Britin, die für ein Auslandsjahr nach Perugia gekommen war, habe ihrer Mitbewohnerin Amanda vertraut, auch wenn sich das Verhältnis zu der Studentin aus Seattle verschlechtert hatte, sagte der Richter. Meredith habe sich über Amanda beschwert, weil sie Männer mit nach Hause brachte, sich selten wusch und die Wohnung nicht aufräumte, wie Merediths britischen Freundinnen in Perugia aussagten. Amanda habe es ihr heimzahlen wollen, glaubt Micheli.
Für diese These spricht nach Richterauffassung auch, was die Freundinnen von "Mez" über Amanda berichteten. Sie habe von Einzelheiten des Mordes gewusst, obwohl sie die Leiche nie gesehen hat. Auf die Frage einer Freundin, ob Meredith gelitten habe, soll Amanda geantwortet haben: "Was glaubst Du? Sie hat geblutet, bis sie tot war."
In widersprüchliche Versionen verstrickt
Amanda selbst hatte sich zudem in widersprüchliche Versionen verstrickt Sie hatte einen Barbesitzer aus dem Kongo des Mordes beschuldigt und in dem Zusammenhang zugegeben, dass sie am Tatort war. Später hat sie ihre Aussagen widerrufen und angegeben, sie habe die Nacht bei Raffaele verbracht.
Die Befunde der Spurensicherung legen außerdem nahe, dass alle drei in das Mordszenario verwickelt waren. Unklar ist noch, ob das Küchenmesser, das in Raffaeles Wohnung gefunden wurde, die Mordwaffe ist. An dem Messer befanden sich Spuren von Meredith an der Klinge und Abdrücke von Amanda am Griff. Offen ist auch, welche Beziehung unter den drei Angeklagten bestand. Die Angaben einer albanischen Zeugin, die die drei am Abend der Bluttat gesehen haben will, hielt das Gericht nicht für glaubwürdig.
Ermittler hoffen auf Wahrheitsfindung
Noch zu klären ist überdies, wann und wie die Angeklagten entschieden haben, zu Meredith zu gehen. In den Tagen und Stunden vor dem Mord gab es keinen Kontakt unter ihnen. Rudy G. hatte dazu drei unterschiedliche Versionen ins Spiel gebracht, die den Ermittlern unglaubwürdig erschienen. Im Prozess gegen Amanda und Raffaele, der in einem Monat beginnt, wird Rudy als Zeuge geladen. Die Ermittler hoffen nun, dass von ihm noch ein entscheidender Beitrag zur Wahrheitsfindung kommt.