Das Verfahren gegen den jüdischen Musiker Gil Ofarim wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung ist nach dessen überraschendem Geständnis eingestellt worden. Der 41-Jährige muss einen Geldbetrag in Höhe von 10.000 Euro zahlen, sagte der Vorsitzende Richter am Landgericht Leipzig am Dienstag. Zuvor hatte der Musiker am sechsten Verhandlungstag eingeräumt, nicht die Wahrheit gesagt zu haben. "Die Vorwürfe treffen zu", sagte er sichtlich bewegt im Gerichtssaal. Zu dem Hotelmanager, der als Nebenkläger auftrat, sagte er: "Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen. Es tut mir leid."
Presseschau zum Geständnis von Gil Ofarim
Der Prozess ist beendet – doch er dürfte noch lange nachhallen, ist man sich in den Kommentarspalten deutscher Zeitungen einig. Die Pressestimmen im Überblick:
"Neue Osnabrücker Zeitung": "Eines vorweg: Der Fall Gil Ofarim ist juristisch eine klare Sache – und menschlich eine Tragödie. Der jüdische Musiker hat gelogen, als er einem Hotelmanager im Internet antisemitisches Verhalten unterstellt hatte. Auf sein spätes Geständnis und seine Entschuldigung hin wurde das Verfahren nun gegen eine Geldauflage von 10.000 Euro eingestellt. Dieser Prozess ist also abgeschlossen. Nicht abgeschlossen ist der persönliche Prozess, den der Musiker durchläuft. Hier kann man nur hoffen, dass er professionelle Hilfe sucht und findet."
"Leipziger Volkszeitung": "Diese große Lüge des Sängers Gil Ofarim hat nicht nur einen Menschen mit einer furchtbaren Anschuldigung diffamiert, hat nicht nur dem Image einer Stadt und einem Bundesland geschadet, brachte nicht nur dem Hotel wirtschaftliche Einbußen, sondern versetzt dem so notwendigen Kampf gegen Antisemitismus einen völlig unnötigen Schlag."
"Nordwest-Zeitung" (Oldenburg): "Schon werden in den Sozialen Medien Fälle tatsächlichen Antisemitismus hämisch kommentiert: 'Ofarim 2.0 oder ein echter Fall?' Die Antisemiten aller Farben kriechen aus ihren Löchern – und haben nun Munition, judenfeindliche Vorfälle zu verharmlosen oder zu leugnen. Die wurde frei Haus geliefert. Den Schaden haben diejenigen, die tatsächlich Antisemitismus erleben, und das sind in Deutschland viel zu viele."
"Stuttgarter Zeitung": "Gil Ofarim hat den Menschen seines Glaubens einen üblen Dienst erwiesen. Ausgerechnet jetzt, da die Stimmung gegen Juden ohnehin aufgeheizt ist und viele Judenhasser sich vom Vorwurf des Antisemitismus gerne freisprechen würden. Ofarim wurde zum Täter, indem er sich als Opfer stilisierte – und schadet damit allen, die wirklich schon zum Opfer antisemitischer Diskriminierung geworden sind."
"Nordbayerischer Kurier" (Bayreuth): "Das Hotel und dessen Angestellter, die heftig attackiert worden waren, können sich nun rehabilitiert fühlen. Für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland sind die Geltungssucht und die falsche Verdächtigung durch Gil Ofarim schrecklich. Mag sein, dass er die Währung 'Aufmerksamkeit' suchte, Klicks genießen wollte und sich so einen Karriereschub erhoffte. Doch er hat, gerade in diesen sensiblen Zeiten, dem Kampf gegen Antisemitismus leider einen Bärendienst erwiesen."
Das müssen Sie über Gil Ofarim wissen

"Mitteldeutsche Zeitung" (Halle): "Beschädigt hat der Sänger auch den Kampf gegen Antisemitismus an sich. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der Judenhass wieder rasant zunimmt. In der Brandanschläge auf Synagogen verübt, Häuser von Jüdinnen und Juden mit Davidsternen markiert werden. In der Betroffene sich wieder und einmal mehr fragen, ob sie in Deutschland noch sicher sind. Wie müssen sie sich jetzt fühlen, angesichts eines erfundenen, per sozialen Netzwerken viral gegangenen Vorwurfs? Was auch immer Gil Ofarim angetrieben haben mag: Nichts, aber auch gar nichts rechtfertigt seine Lüge."
"Badische Zeitung" (Freiburg): "Der Fall Gil Ofarim hat sich als Lüge entpuppt. (...) Mit seinem Verhalten enttäuscht Ofarim nicht nur die vielen Menschen, die ihm zur Seite standen. Er erweist allen Opfern des echten Antisemitismus einen Bärendienst: Sie müssen fürchten, von bestimmten Leuten mit Verweis auf den Fall Ofarim nicht ernst genommen zu werden. Zudem war es ihm offenbar egal, einen Unschuldigen als Antisemiten zu verleumden. Strafrechtlich mag die Sache erledigt sein. Die Gesellschaft habe, so der Richter, die Wahrheit erfahren. Auf Straßen und Plätzen aber, wo sich bei israelfeindlichen Demonstrationen blanker Hass entlädt oder im Netz, wo antisemitische Verschwörungsmärchen kursieren, steht es schlecht um sie. Der Prozess um Gil Ofarim mag nur ein Randaspekt sein. Mit seinem Verhalten aber bedient er all jene Zerrbilder, die von Judenhassern und Israelfeinden nur zu gerne aufgegriffen und instrumentalisiert werden."
"Lausitzer Rundschau" (Cottbus): "Der Fall Ofarim ist ein mahnendes Zeichen für all jene, die dem Sänger blind zur Seite gesprungen sind. Er ist aber auch eine Aufforderung an uns alle. Bilder gehören hinterfragt und die Quelle von Informationen recherchiert. Im Zeitalter sozialer Netzwerke ist es leicht, sich in Sekundenschnelle auf Grundlage dürftiger Informationen eine Meinung zu bilden und zu verurteilen. Doch so verführerisch das ist, der Fall Ofarim sollte uns Mahnung sein, einen Schritt zurückzutreten und zuerst nachzudenken."