Als Marianna M. zum ersten Mal ein wenig Gerechtigkeit erfährt, ist sie schon knapp zehn Jahre tot. Marianna M. starb am 3. Oktober 2007, in einer kleinen, dreckigen Straße der sizilianischen Kleinstadt Palagonia in der Nähe von Catania. Sie lag in einer Blutlache, als die Ermittler sie fanden, mit Messerstichen in der Brust, sechs insgesamt schreiben einige italienische Medien, zwölf schreiben andere. Unabhängig davon, wie viele es waren, Marianna M. erlag den Verletzungen, wurde nur 32 Jahre alt. Ihr Mörder war Saverio N., der Mann, den sie liebte, geliebt hatte, der Vater ihrer drei minderjährigen Kinder.
Frauenmorde in Italien passieren so häufig, dass das Phänomen einen eigenen Namen trägt. "Femminicidio", schreibt die Presse dann auf ihre Blätter. Erschreckend oft sterben Frauen durch die Hand ihrer Partner oder Ex-Freunde. Was italienische Männer "nicht besitzen können, zerstören sie", sagte vergangenes Jahr die Kriminalpsychologin Laura Baccaro aus Padua. Im ersten Halbjahr 2016 beispielsweise kamen laut Nachrichtenagentur Ansa rund 70 Frauen durch die Hand ihrer Ex-Freunde, Ehemänner oder Geliebten um. In Deutschland wurden laut Bundeskriminalamt im gesamten Jahr 2015 74 Frauen von ihren Partnern umgebracht. Manchmal kommt der Übergriff überraschend. Manchmal aber handelt es sich um ein angekündigtes Verbrechen.
Italien: Dem Mord gingen zwölf Anzeigen voraus
Marianna hatte ihren Partner Saverio N. insgesamt zwölf Mal bei der Staatsanwaltschaft von Caltagirone angezeigt, bevor er sie und ihren Vater im Oktober vor zehn Jahren mit einem Fiat von der Straße drängen und mit Stock und Messer auf sie losgehen sollte. Wegen Gewalt, Übergriffen, Drohungen. "Er hat mich mit einem Messer bedroht, ich weiß nicht mehr, was ich machen soll", soll Marianna noch im Herbst 2007 zu den Ermittlern gesagt haben, berichtet die römische Tageszeitung "La Repubblica". Wie die elf Male zuvor reagierte die Staatsanwaltschaft auch dieses Mal nicht. Wenige Tage danach fand man Marianna M. in der Blutlache in Palagonia liegen. Man habe die Vorfälle damals als Familienkonflikt abgetan, so der Vorwurf heute.
Saverio N., zum Tatzeitpunkt 36 Jahre alt, stellte sich unmittelbar nach der Tat den Ermittlungsbehörden. Ihm, der in Berichten als mittellos, arbeitslos und drogenabhängig beschrieben wird, waren nach der Trennung des Paares die Kinder zugesprochen worden. Marianna, die Vermessungstechnikerin, wollte die drei Kinder - das älteste damals sechs, das jüngste drei Jahre alt - zurück. Der Streit habe sich zum Dauerkonflikt entwickelt, schreibt "La Sicilia" online. Die Zeitung wertet den Übergriff des 36-Jährigen als Racheakt. Seit 2009 sitzt Saverio N. im Gefängnis, verurteilt zu 20 Jahren Haft.
Nach zehn Jahren so etwas wie Gerechtigkeit
Gerechtigkeit für die Hinterbliebenen des Mordes an Marianna M. war mit dem Schuldspruch jedoch nicht hergestellt worden. Ein Cousin der Italienerin, der in den Marken lebt und im Jahr 2009 die Vormundschaft für Mariannas Kinder übernommen hatte, wollte wissen, warum die zwölf Anzeigen stets im Sand verlaufen waren und zog wegen "nicht entschuldbarer Nachlässigkeit" der Staatsanwaltschaft vor Gericht. Knapp zehn Jahre nach dem Tod von Marianna M. sprach das Berufungsgericht von Messina die Ankläger von damals am Dienstag schuldig. Der italienische Staat soll jetzt 260.000 Euro Schadenersatz zahlen, an drei Kinder, die wegen Untätigkeit der Staatsanwaltschaft als Waisen aufwuchsen.
